Josephine Andreoli

Journalistin, Redakteurin, Hamburg

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Diese Wirtschaftsbosse reisten mit Merkel ins Ausland | abgeordnetenwatch.de

Auf der nun veröffentlichten Passagierliste taucht unter anderem der Name Wirecard auf. So ließ Außenminister Heiko Maas (SPD) sich bei einer Delegationsreise im November 2018 vom damaligen Finanzvorstand Burkhard Ley nach China begleiten. Auch wenn das Ausmaß des Skandals zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar war: Das fragwürdige Geschäftsgebaren der Wirecard-Manager war zumindest kein Geheimnis. Allen voran die Financial Times hatte wiederholt kritisch über den Zahlungsdienstleister berichtet.

Knapp ein Jahr später war es Bundeskanzlerin Merkel persönlich, die sich bei einer China-Reise für Wirecard einsetzte - obwohl es bei ihren Beratern Unbehagen bezüglich des Unternehmens gab.

Freundschaftsdienste und Vetternwirtschaft

Und ein weiterer Name sticht bei den Delegationsmitgliedern ins Auge: Clemens Tönnies, der Chef von Deutschlands größtem Fleischkonzern. Tönnies begleitete den damaligen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) im Mai 2017 auf einer Reise nach China. Wahrscheinlich war es ein Zufall, dass die beiden knapp drei Jahre später erneut in Sachen China zusammenkamen: Diesmal beriet Gabriel, mittlerweile Ex-Minister, den Fleischunternehmer zu Transportmöglichkeiten seiner Ware ins Reich der Mitte.

picture alliance / dpa | Gregor Fischer

Auf eine andere Reise als Wirtschaftsminister nahm Gabriel einmal seinen früheren Wahlkampfmanager in der Wirtschaftsdelegation mit. Der Unternehmensberater Heino Wiese, ein früherer SPD-Bundestagsabgeordneter, durfte seinen Parteifreund Gabriel im Juli 2015 nach China begleiten. Auf der Website seiner Consulting-Firma wirbt Wiese mit „Kontaktaufbau und -pflege mit Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene".

Immer wieder sorgen Fälle von Freundschaftsdiensten und möglicher Vetternwirtschaft für Schlagzeilen. 2014 musste beispielsweise der mittlerweile verstorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder einräumen, einem befreundeten Unternehmer vier Jahre zuvor einen Platz im Regierungsflieger mit dem damaligen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) besorgt zu haben. Auch Westerwelle selbst sah sich mehrfach dem Vorwurf ausgesetzt, bei Delegationsreisen private und politische Interessen nicht sauber zu trennen: mit an Bord nahm er einen FDP-Großspender sowie den Manager eines Unternehmens, an dem sein Bruder beteiligt war.

Lobbystreit um das Lieferkettengesetz Wer zahlt die Reisekosten?

Wenn Wirtschaftsvertreter:innen die Kanzlerin oder andere Regierungsmitglieder ins Ausland begleiten, müssen sie "die Kosten für eine Teilnahme selbst tragen (Hotelkosten, Impfkosten, anteilige Flugkosten bei Mitflügen in einer Maschine der Flugbereitschaft)", so die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage. Kosten für den Transfer vor Ort wie auch für Empfänge übernehme die Regierung. Auf welche Höhe sich die Ausgaben belaufen, beantwortete sie nicht.

Da Delegationsreisen vonseiten der Bundesregierung als zentrales Außenwirtschaftsförderinstrument gehandelt werden, erwarte sie von den mitreisenden Unternehmen „generell ein verantwortungsvolles und dem geltenden Recht entsprechendes unternehmerisches Verhalten". Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Linken-Anfrage. Sanktionen bei Verstößen sind offenbar nicht vorgesehen. Auf die Frage der Linksfraktion, ob die Regierung erwäge, Unternehmen von Delegationsreisen auszuschließen, die gegen Menschenrechte verstoßen haben, reagiert sie ausweichend. „Die Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung über Eckpunkte für eine verbindliche Regelung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen entlang ihrer Lieferketten" seien noch nicht abgeschlossen.

Der Grund für die Verzögerungen bei den Eckpunkten: Auf Drängen der Wirtschaftslobby hatte das Kanzleramt das Gesetzgebungsverfahren ausgebremst. Druck machten insbesondere große Wirtschaftsverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) - allesamt regelmäßige Teilnehmer bei den Delegationsreisen.

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