Josephine Andreoli

Journalistin, Redakteurin, Hamburg

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Artikel

Eine Nacht auf dem Kutter von Fischer Peter Dietze aus Niendorf

Still liegt die Nacht über dem Hafen von Niendorf. Es ist 2.17 Uhr, aber Peter Dietze ist hellwach: Wenn alle anderen schlafen, fängt er an zu arbeiten - und sticht in See. Dietze ist Fischer. Seit 2013 gehört ihm neben seiner Tätigkeit als Fischer auch der Verkaufsstand „Schupp den Fisch" am Niendorfer Hafen, der ganz am Ende der Kette kleiner Holzschuppen liegt, die frischen Fisch verkaufen.


Das weiße Flutlicht von Dietzes Kutter „Northwestern" erhellt alles um ihn herum. Aus der Kajüte ertönen die ersten Takte von „Dance with somebody". Mit unbewegter Miene stapelt Dietze Kisten, befreit Netze von Algen und macht das kleine Boot startklar für die Fahrt.


Ein Arbeitsalltag in Bewegung

Mit einem lauten Knattern durchschneidet der Motor des Kutters die Stille der Nacht. Der scharfe Geruch von Diesel hängt in der Luft. Von Idylle kann kaum noch die Rede sein, auch wenn Dietze das anders sieht: „Dass man allein auf See ist und keiner einen vollquatscht und Vorschriften macht, ist doch gerade das Schöne an dieser Arbeit. Das gibt es ja sonst schon genug."


Routiniert steuert Dietze den Kutter aus dem Hafen hinaus ins Dunkel. „Der Wind kommt vom Land her, deswegen ist der Wellengang heute Nacht sehr ruhig", sagt er. „Aber bei Pelzerhaken und Grömitz wird jetzt ordentlich Welle sein." Bis Windstärke Sieben fahren Dietze oder sein Mitarbeiter Jan Schuldt zum Fischen hinaus, „ab Windstärke Acht wird es dann kritisch." Die Witterung bestimmt über Alltag, Pech und Erfolg. Manchmal muss nur der Wind ungünstig stehen und schon bleibt der Fang aus.


Und woher weiß man, wo es sich lohnt die Netze auszuwerfen? „Das hat alles mit Erfahrung und Gefühl zu tun", erklärt Dietze. „Und heute habe ich zum Beispiel von einem Kollegen gehört, dass er hier gut was gefangen hat. Deswegen versuche ich mein Glück hier jetzt auch." Hier, das ist in dieser Nacht eine etwas über sieben Kilometer lange Route von Niendorf in Richtung Brodtener Steilufer. Gilt also: Gleicher Ort, gleiches Glück? „Nein, so einfach ist das leider nicht", sagt Dietze. „Neben den Erfahrungswerten gehört auch sehr viel Glück zu einem guten Fang dazu."


Fischer müssen hart im Nehmen sein

Alle Netze zusammen bilden eine 3000 Meter lange Falle unter Wasser. Während der Kutter durch die Wellen tuckert, lässt Dietze die orangefarbigen Stellnetze über eine Maschine ins Wasser gleiten. Immer mal wieder greift er in die Wellen und wirft das Netz von sich weg, damit es nicht am Kutter hängen bleibt. Das Ende eines jeden Netzes markiert er mit einer von Wind und Wetter zerfledderten, roten Fahne. Wer Fischer ist, muss hart im Nehmen sein. Denn auch im Winter bei Minusgraden und eisigem Wind fährt Dietze aufs Wasser: „Kalte Finger hat man eigentlich immer. Da gewöhnt man sich dran."

Am Horizont zeichnen sich die Lichter der Küste ab. Es ist kurz vor vier Uhr. So langsam weicht die Dunkelheit dem Morgengrauen. Und mit der Helligkeit kommt auch der Wind.


Das große Warten beginnt

Nachdem auch das letzte Netz in den Tiefen des Meeres verschwunden und dessen Ende mit einer Fahne markiert ist, beschleunigt Dietze seinen Kutter und steuert zurück in Richtung Hafen. Jetzt heißt es warten. Warten, bis die Fische in die Falle schwimmen. „Wenn ich mit dem größeren Kutter weiter draußen bin, stelle ich einfach auf Autopilot, schaue eine DVD und frühstücke", erzählt Dietze. An diesem Morgen gibt es nur Eistee und eine Bifi.

Eine knappe Stunde später steuert Dietze seinen Kutter wieder zurück aufs offene Meer. Jetzt geht die eigentliche Arbeit los: Netze einholen, Fische ausnehmen, waschen und fertigmachen für den Verkauf.


Hat sich die Arbeit gelohnt?

Jeden Tag aufs Neue kommt dieser Moment der Ungewissheit: Wie viele Fische sind wohl in den Maschen des Netzes hängen geblieben? Ist vielleicht sogar eine Scholle unter ihnen? Die dröhnende Maschine hievt die Netze aus den Tiefen des Meeres. Gähnende Leere. Dietzes Gesicht bleibt unbewegt, seine Frustration lässt er sich nicht anmerken. In den letzten Metern des ersten Netzes ist doch ein Fisch hängen geblieben. Ein zappelnder Dorsch.


Dietze befreit den Dorsch aus dem Netz und betäubt ihn mit einem Schlag auf den Kopf, um ihn daraufhin mit ein paar schnellen Handgriffen auszunehmen. Über ihm kreischen die Möwen. Sie sind sein ständiger Begleiter und warten nur darauf, dass Dietze ihnen ein paar Leckerbissen zuwirft. Und das tut er. „Die Innereien der Fische sind Abfall. Wenn ich die Fische erst an Land ausnehme, muss ich alles ordnungsgemäß entsorgen. Aber hier, hier freuen sich die Möwen, die ollen Biester."


Die Maschine holt das zweite Netz wieder an Bord des Kutters. Auch hier: wenig Glück. Dietzes Laune verschlechtert sich merklich. „Solche Tage kann ich mir nicht allzu oft leisten." Sein Fang bestimmt über seine Existenz. „Fischen ist halt ein teures Hobby, man darf das nicht als Arbeit ansehen, auch wenn es das ist." Die Maschine ruckelt und mit einem Mal hängen mehr als ein Dutzend Dorsche im Netz.

Still geht Dietze seiner Arbeit nach. Fisch für Fisch fliegt in die Bütt, einen großen schwarzen Eimer. Die Möwen wittern ihr Frühstück, kreischen und wetteifern um die Innereien der Fische.


Zu Dietzes Füßen füllen sich nach und nach zwei Kisten: Dorsche, Flundern, Seelachse, Makrelen. „Gut war das heute nicht", sagt er. „Aber zwei Kisten, immerhin." Von den 50, 60 Kilo, die Dietze sich erhofft hatte, ist das weit entfernt. „Aber was soll man tun. Es kommen auch wieder bessere Tage."

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