Alterswerke sind im Hip-Hop, diesem sich kontinuierlich verändernden Genre, ja so eine Sache. Manch einer, wie etwa Mos Def, hängt, statt in Bedeutungslosigkeit zu versinken, das Mikro lieber gleich an den Nagel. Nas' einstiger Erzrivale Jay-Z interpretiert dagegen mit seiner Frau, dem Pop-Superstar Béyonce, seine Musik sehr erfolgreich als Fortsetzung der Paartherapie mit anderen Mitteln. Und Nas? Es ist kompliziert.
Einst war er das soziale Gewissen des Hip-Hop, ein stiller Beobachter, der verdichtete Raportagen aus den Sozialbausiedlungen in Queensbridge lieferte und sich als detailverliebter Meister der Perspektivierung bewies. Wenn er sich nicht in den Mutterleib imaginierte und von seiner Angst als Fötus vor der Abtreibung berichtete (wie in "Fetus"), rappte er den inneren Monolog einer Waffe, die des Tötens müde wird und seinem Besitzer die Dienste verweigert ("I Gave You Power").
Zuletzt war er allerdings vor allem mit der Pflege seines eigenen Denkmals beschäftigt. Es gab eine Doku über die Entstehung seines Debüts, eine Aufführung desselben in monumentaler Verkitschung mit dem National Symphony Orchestra und ein Stipendium, das die Harvard University im Namen des Rappers einrichtete.
"Nasir" (Mass Appeal/NAS) ist nun sein erstes Album seit sechs Jahren. Es wirkt, als hätte er mehr Kanye Wests Jugendtraum erfüllt als seinem eigenen Schaffensdrang nachgegeben. Zunächst aber die gute Nachricht: Musikalisch ist es das beste Nas-Album seit zweieinhalb Ewigkeiten. West twitterte, dass er sich beim Beatbasteln fühle, als sei er wieder 18 - und das hört man: Ein Tamburin berieselt die Samples wie ein Rasensprenger und die Snare knallt schon mal mit so viel Hall, als wohne sie in einer Bauruine. Unterdessen stolpern nervös stotternde Trompeten und verträumt gurgelnde Orgeln über die Bassdrum. Dann wieder lässt West die Schnipsel eines Bollywood-Soundtracks so sommerbrisenhaft dahin streichen, als wollte Cary Grant dazu auf ein Picknick nach Monaco fahren.
Zum Original