Der eine setzt die Welt in Brand, der andere rettet Juden: die Geschichte der Görings
In Zelle 5 sitzt der Mann, für den der Begriff „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ erfunden wird. Hitler ist verbrannt, Goebbels erschossen, Himmler vergiftet. Nur das feisteste Antlitz des Bösen ist im Mai 1945 noch geblieben. Hermann Göring gefällt sich in dieser Rolle; es ist nicht seine erste. Der Aufbau der Gestapo: sein Werk. Der Ausbau der ersten Konzentrationslager: sein Werk. Der Auftrag zur „Endlösung der Judenfrage“: sein Werk. „Wenigstens zwölf Jahre anständig gelebt“ waren seine Worte, als man ihn festnahm.
Ein paar Zellen weiter wartet ein anderer Göring auf seine Vernehmung. Den meisten im Gefängnis ist er unbekannt, genau genommen gilt das bis heute. Es ist Hermanns Bruder Albert. Wenn er es schafft, seine Vernehmer davon zu überzeugen, dass er Juden gerettet hat, nicht eine Handvoll, sondern Dutzende, dann könnte man ihn einst einen Gerechten unter den Völkern nennen. Wenn nicht, endet er vielleicht im Kerker.
Einzeln werden sie zur Vernehmung aufgerufen. Albert, der Jüngere, ist abgemagert, ein Nierenleiden verschlimmert sich von Woche zu Woche. Hermann, sein großer Bruder, wirft seine 118 Kilogramm aufs Sofa, sein Vernehmer nennt ihn „Herr Reichsmarschall“. Von dem, was sie nun sagen, hängt ihr Leben ab, zumindest die Frage, wie lang es noch dauern wird. Die Häftlinge 350013 und 350062, ein verängstigter Retter und ein triumphaler Kriegsverbrecher, fangen an, ihre Geschichte zu erzählen.
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