Gefragt nach dem wichtigsten tschechischen Exportprodukt würden die meisten wohl "Bier" antworten. Etwa einer von 100 Litern Bier, die in Deutschland getrunken werden, stammt derzeit aus Tschechien. Tatsächlich ist die Exportpalette jedoch viel breiter. Unser östlicher Nachbar ist bereits seit zehn Jahren Sachsens Hauptlieferant.
von Iris Milde, MDR INFO
Über die Decke der Produktionshalle der Edelstahlwerke im sächsischen Freital rattert ein riesiger Kran, in langen Regalen lagern dünne Stahlstäbe. "BGH ist ein Hersteller von Edelstählen. Das heißt wir erzeugen den Stahl wirklich selber und verarbeiten den anschließend zu Schmiedestücken, die zum Beispiel im Kraftwerksbau oder im Schwermaschinenbau gebraucht werden," sagt Sönke Winterhager, Aufsichtsratsvorsitzen der der BGH Edelstahlwerke. Etwa die Hälfte ihrer Produkte exportiert die Unternehmensgruppe ins Ausland, einen großen Teil davon nach Tschechien.
Winterhager sagt: " Tschechien hat für uns in zweierlei Hinsicht eine hohe Bedeutung. Denn wir haben hier Kunden aus den verschiedensten Marktbereichen: Automobilzulieferung, Werkzeugbau, Schwermaschinenbau, Kraftwerksbau. Auf der anderen Seite ist Tschechien für uns auch ein Land, in dem wir einkaufen. Rund zehn Prozent der Rohstoffe, die wir hier in Freital einsetzen, stammen aus Tschechien."
Damit sind die Freitaler Edelstahlwerke keine Ausnahme. Denn die Tschechische Republik ist nach China der zweitwichtigste Handelspartner Sachsens. Beim Import in den Freistaat steht der östliche Nachbar sogar auf Platz 1, so Lars Fiehler von der Industrie- und Handelskammer Dresden. Fiehler sagt: " Mit großem Abstand führt diese Rangliste der Einfuhren Tschechien an. Mit immerhin 3,8 Mrd. Euro im Jahr 2014, was einen enormen Zusatz, nämlich von um fast einem Viertel, gegenüber 2013 auswies."
So importiert Sachsen zum Beispiel elektronische und chemische Erzeugnisse, Produkte des Maschinenbaus, Nahrungsmittel und Möbel aus dem Nachbarland. Der Löwenanteil entfällt jedoch auf den Fahrzeugbau. Fiehler sagt: " Das ist mehr als die Hälfte dieser Importsumme. Wir kennen den sehr, sehr großen Automobilstandort von Škoda in Mladá Boleslav. Wir beziehen von dort nicht nur die Fahrzeuge selber, sondern insbesondere auch Motoren, die dort gefertigt werden und die dann wiederum in Sachsen, Zwickau, dem großen Standort von Volkswagen zum Einsatz kommen."
Aber auch ohne die Automobilindustrie wäre Tschechien immer noch Sachsens Hauptlieferant. Ähnlich stellt sich die Situation auf der anderen Seite der Grenze dar. Das kleine Land mit rund zehn Millionen Einwohnern wickelt nahezu ein Drittel seines Außenhandels mit Deutschland ab. Gründe für den regen Austausch gibt es viele, so Fiehler. Einerseits hat Tschechien den Euro noch nicht eingeführt und kann seine Währung flexibel anpassen. Andererseits ist die wirtschaftliche Lage im Land stabil. Fiehler sagt: " Also die Wirtschaftsentwicklung in Tschechien ist hervorragend: zwei Prozent Wirtschaftswachstum, eine ganz geringe Inflation, Löhne und Gehälter, die im Vergleich zu den Eurostaaten auf einem sehr niedrigen Niveau sind."
Trotzdem haben sächsische Unternehmer weiterhin Berührungsängste. In einer Umfrage der IHK, welche Märkte die Unternehmen zukünftig erschließen wollen, rangierten das deutschsprachige Ausland sowie die westlichen Eurostaaten weit vor Tschechien. Die Edelstahlwerke in Freital jedenfalls wollen ihr Engagement im Nachbarland verstärken, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Sönke Winterhager. Er betont: "Wir sehen ein kontinuierliches Wachstum und da haben wir also deutlich Hoffnung, dass wir unsere Marktposition in Tschechien also auch noch erweitern können."