Von Iris Riedel
Die Haftung für einen Schaden übernimmt der Verursacher: Dieses Grundprinzip gilt nicht, wenn diese Person deliktunfähig ist, also zum Beispiel geistig behindert. Auch normale Haftpflichtversicherungen zahlen dann nicht, dennoch kann der Abschluss sinnvoll sein.
- "Mama, darf ich bitte."
- "Nein, ihr könnt noch hinten bisschen spielen."
- "Nein, nein, nein!"
Navin ist ein kleiner Wildfang. Mit seinem kleinen Bruder flitzt er durch die Wohnung und ist nicht zu halten. Seiner Mutter Dörte Lorenz wird da schon manchmal Angst und Bange.
"Steine werfen ins Wasser macht er halt gerne und er kann es halt nicht einschätzen, ob das ein See ist, wo drei Autos rundherum parken. Er schmeißt halt einfach."
Navin ist acht Jahre alt und körperlich völlig fit, aber geistig auf dem Stand eines Vierjährigen. Er hat eine geistige Behinderung. Das hat auch Folgen für die Haftung bei Schäden, erklärt Versicherungsmaklerin Simone Besch:
"Der Klassiker ist eigentlich die Deliktunfähigkeit bei Kindern, also dass man sagt, bis sieben Jahre ist ein Kind nicht für das, was es an Schaden verursacht, verantwortlich zu machen."
Aber das heißt auch: Der Geschädigte bleibt auf dem Schaden sitzen. Der Gesetzgeber hat damit einen Schutz für Menschen eingebaut, die die Folgen ihres Handels nicht abschätzen können. Eltern oder der gesetzliche Betreuer eines Menschen mit geistiger Behinderung könnten sich demnach eigentlich eine Haftpflichtversicherung für ihren Schutzbefohlenen sparen. Beate Kursitza-Graf von der Lebenshilfe Dresden rät trotzdem dazu.
"Weil der Versicherer vor allem auch die Aufgabe übernimmt, zu prüfen, ob der Mensch mit Behinderung deliktfähig ist. Und der Versicherer kann gegebenenfalls auch unberechtigte Ansprüche abwehren."
"Diese Abwehrfunktion, dieser indirekte Rechtsschutz, ist zum Teil manchmal mehr wert als die Ersatzleistung selbst."
Meint auch Versicherungsexpertin Simone Besch. Noch vor einigen Jahren hatten es Eltern schwer, eine Haftpflichtversicherung zu bekommen, die auch dann zahlt, wenn festgestellt wurde, dass der Schuldige deliktunfähig ist. Inzwischen bieten viele Versicherer dies als zusätzlichen Baustein mit an. Diese Zusatzleistung schlägt sich zwar meist nicht im Preis nieder, aber die Leistungssumme ist in der Regel begrenzt. Je nach Versicherer variiert sie von 10.000 bis 100.000 Euro. Generell empfiehlt sich eine Familienversicherung, die nach Möglichkeit auch dann noch für das geistig behinderte Kind gilt, wenn es über 18 Jahre alt ist oder nicht bei den Eltern lebt. Vor dem Abschluss einer neuen Versicherung sollte man jedoch zunächst die Bedingungen der eventuell bereits bestehenden Familienhaftpflicht genau studieren, meint Simone Besch. Denn nicht selten sei darin bereits eine Klausel zur Deliktunfähigkeit enthalten.
"Man sollte trotzdem darauf achten, dass diese Klauseln nicht auf rein Kinder beschränkt sind, sondern auf sämtliche deliktunfähige Personen."
Um das herauszufinden, kann man auch eine neutrale Anfrage an den Versicherer stellen. Eine Meldepflicht für Kinder mit geistiger Behinderung besteht nicht. In der Familienversicherung sind grundsätzlich alle Kinder mitversichert. Wenn der Versicherer sich im Schadensfall auf die Deliktunfähigkeit beruft und nicht zahlt, kann das Ärger mit Nachbarn oder Freunden bringen. Viele Eltern zahlen die zersprungene Vase oder das gewässerte Handy deshalb aus eigener Tasche, wenn sie keine Haftpflicht haben, die auch bei Deliktunfähigkeit einspringt.
Nicht zuletzt kann das Bestehen einer Haftpflichtversicherung entscheidend dafür sein, ob der geistig behinderte Mensch zum Beispiel an einer Ferienfahrt oder an der musikalischen Früherziehung teilnehmen darf, sagt Beate Kursitza-Graf von der Lebenshilfe.
"Weil ja nicht für alle Dinge, die angeboten werden, jeweils der Veranstalter eine Haftpflichtversicherung abschließt. Das kann tatsächlich dazu führen, dass wenn er keine Privathaftpflicht hat, dass er dann ausgeschlossen sein kann und damit ist die Teilhabe nicht gewährt."