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Schicksalswahl in Skandinavien: Schweden droht der Mega-Rechtsruck

Bei der Wahl am Sonntag könnten die rechtspopulistischen „Schwedendemokraten" zweitstärkste Kraft im Stockholmer Reichstag werdenFoto: imago

In Schweden droht am Sonntag ein politisches Beben - und ein Mega-Rechtsruck! Sollten die Meinungsforscher mit ihren Prognosen Recht behalten, werden die rechtspopulistischen „Schwedendemokraten" (SD) bei der Parlamentswahl zweitstärkste Partei im Stockholmer Reichstag - und bringen damit die rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Stefan Löfven (61) in Gefahr.

Aktuellen Umfragen zufolge wollen 19,1 Prozent der Wähler den „Schwedendemokraten" ihre Stimme geben. Das sind 6,2 Prozentpunkte mehr als noch bei der letzten Reichstagswahl in 2014 (12,9 Prozent).

Ein Blick auf die Wahl 2010 zeigt, wie stark die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind. Damals bekamen sie nur knapp 5 Prozent der Stimmen. Sollte die Prognose standhalten, hätten sie ihre Macht innerhalb von acht Jahren vervierfacht. Sozialdemokraten schmieren ab

▶︎Zum Vergleich: Löfvens Sozialdemokraten kommen aktuell nur noch auf 24,9 Prozent. Seit der letzten Reichstagswahl in 2014 hätten sie damit 6 Prozentpunkte verloren.

Stefan Löfvens grüne Koalitionspartner kommen nur auf 5 Prozent (-1,89 Prozentpunkte seit 2014). Gleichzeitig wird die Linkspartei immer stärker. Sie kommt auf 10 Prozent und könnte ihr Ergebnis von 2014 damit fast verdoppeln.

Ob die Regierung den Wahlsonntag überlebt, als Minderheitsregierung von den Rechtspopulisten geduldet oder mit den Linken eine Koalition bilden wird, ist unklar. Schwedische Dauerkrise

▶︎Die Schwedendemokraten wissen, wie sie mit apokalyptischen Untergangs-Szenarien Stimmung gegen die Regierung machen können. Denn: Die Schlagzeilen in den Nachrichten geben den Menschen das Gefühl, dass ihr Land nicht mehr funktioniert.

Das Portal „The Local" berichtete zum Beispiel von Hebammen in Sollefteå, die Müttern beibringen, wie sie ihr Kind im Auto zur Welt bringen, falls sie es nicht mehr rechtzeitig ins mehr als 100 Kilometer entfernte Krankenhaus schaffen. Zuvor wurde in der Stadt eine Geburtenklinik geschlossen.

Dazu kommen Berichte über die scheinbar dramatisch gestiegene Gewalt. Alleine in Malmö gab es 2017 insgesamt 102 Schießereien mit sechs Toten und 35 Verletzten. 2006 gab es im ganzen Jahr nur 18 Vorfälle, bei denen einer eine Schusswaffe zog.

Während die Zahl der Schießereien tatsächlich gestiegen ist, ging die Zahl der tödlichen Gewaltverbrechen laut Polizei seit den 90er Jahren aber zurück.

Diese Schlagzeilen bewegen die Schweden. Laut einer Umfrage für „ Expressen " sorgen sie sich bei der Wahl vor allem Fragen wie Einwanderung, Gesundheitswesen und Sicherheit.

▶︎Ungeschlagen auf dem ersten Platz: Umweltfragen.

Als im Sommer schwedische Wälder in Flammen standen, hätte sich Regierungschef Löfven als Krisenmanager profilieren können - aber er wurde zum Verlierer, weil es an Polizei und Feuerwehr fehlte und die Einsatzkräfte zeitweise auch noch behindert oder beschimpft wurden.

SD-Parteichef Jimmie Åkesson ist die größte Bedrohung für Ministerpräsident LöfvenFoto: Fredrik Sandberg / dpa

Die SD nutzte die Stimmung im Land für sich, verstärkte sie sogar noch. Mit Blick auf muslimische Ghettos in Malmö und die Flüchtlingskrise, während der Schweden tausende Menschen aufnahm, behauptete Partei-Chef Åkesson: „Muslime sind die größte ausländische Bedrohung seit dem Zweiten Weltkrieg."

Was viele gerne ignorieren: Die Schwedendemokraten haben ihre Wurzeln in der rassistischen Bewegung „Bewahrt Schweden schwedisch". Wie treu die „Schwedendemokraten" sich geblieben sind, zeigt SD-Politiker Björn Söder, der im Reichstag behauptete, Juden seien keine Schweden.

Die Stimmungsmache ist erfolgreich, die Prognosen gelten als ziemlich sicher. Nur 5 Prozent aller Wähler sind noch unentschlossen, wie sie am Sonntag abstimmen werden. In anderen Ländern ist der Wert meistens höher. Erste Prognosen werden nach Schließung der Wahllokale am Sonntag um 20 Uhr erwartet - danach weiß das Land, wie weit es nach rechts gerutscht ist.
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