Betr.: Munitionsfabrik an die Türkei - Journalist schreibt an Wirtschaftsminister
Positive Antwort auf Voranfrage hat keine juristisch bindende Wirkung
Helmut Lorscheid, freier Journalist aus Bonn, übermittelte uns
einen Brief, den er in Sachen "Munitionsfabrik für die Türkei"
an den Wirtschaftsminister geschrieben hat. Es geht darin um die
Frage nach der rechtlichen Verbindlichkeit einer positiv
beantworteten "Voranfrage". Vielfach ist ja behauptet
worden (z.B. von Rezzo Schlauch), die Lieferung der Munitionsanlage
an die Türkei sei rechtlich gar nicht mehr aufzuhalten gewesen.
Diese Sicht wird gründlich widerlegt.
Außerdem wirft der Brief
auch ein bezeichnendes Lichtauf die im Wirtschaftsministerium
vorfindliche "Arroganz der Macht".
An
den
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Herrn
Werner Müller
Scharnhorststr. 34-37
10115 Berlin
Bonn,
9.9.2000
Munitionsfabrik für die Türkei /Ihre
Pressestelle
Sehr geehrter Herr Minister Müller,
normalerweise wende ich mich mit Anfragen an die Pressestelle.
Das war in den vergangenen zwanzig Jahren meiner Tätigkeit auch
sinnvoll und zielführend. Unter Ihrer Leitung scheint dies anders zu
sein. Da sich Frau Wierig weigert, schriftliche Fragen auch
schriftlich und überhaupt inhaltlich zu beantworten, möchte ich
dieses Schreiben auch als Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Frau Regina
Wierig behandelt wissen.
Gleichzeitig bitte ich aber
auch, Ihrer aus dem Grundgesetz abzuleitenden Verpflichtung zur
Beantwortung von Presseanfragen folgezuleisten.
Wann
wurden Hermes-Bürgschaften für die oben genannte Anlage vom
entsprechenden Gremium genehmigt oder befürwortet?
Welche
rechtliche Bindung haben Zusagen der Bundesregierung auf sogenannte
"Voranfragen"?
Diese Fragen hatte ich am 25.
August 2000 schon mal gestellt - leider bisher ohne Antwort.
Von
Frau Wierig erhielt ich die - nach Angaben aus der exportierenden
wehrtechnischen Industrie - inhaltlich falsche und vielleicht deshalb
nur telefonisch vermittelte Auskunft, "eine positive Antwort auf
eine Voranfrage begründe einen Rechtsanspruch auf eine
Exportgenehmigung".
Als ich mir erlaubte im
Telefongespräch mit Frau Wierig meine Zweifel an dieser Auskunft
sehr deutlich zu formulieren und fragte, welche Klauseln denn in
einem solchen Bescheid hinsichtlich der Fristen und einer ja stets
möglichen Änderung politischer Rahmenbedingungen enthalten seien,
blieb sie eine inhaltliche Antwort leider schuldig. In früheren
Jahren wurde der Anrufer in solchen Fällen ins Fachreferat verbunden
oder die Pressestelle holte sich dort die erbetene Auskunft, um sie
dem anfragenden Journalisten weiter zu geben. Diesen Servicecharakter
scheint Ihre Pressestelle, sehr geehrter Herr Minister, leider
verloren zu haben.
Auch meine Nachfrage, wie denn solche
Bescheide inhaltlich gestaltet seien, wurde nicht beantwortet.
Stattdessen erklärte mir Frau Wierig, daß dieses Thema doch
erledigt sei. Ich erlaubte ich mir hier nochmals festzustellen, daß
ich selbst entscheide, wann welches Thema für mich erledigt
ist.
Ich beabsichtige auch zukünftig nicht Sie oder Ihre
Mitarbeiter mit dieser Abwägung zusätzlich zu belasten.
Hilfreicher war dazu der BDI und einige wehrtechnische
Unternehmen, auf deren Angaben ich mich im weiteren stütze. In der
Kommentierung zum Thema "Voranfrage", die mir
freundlicherweise vom BDI (und trotz konkreter Nachfrage leider nicht
von Ihrer Pressesprecherin ) zur Verfügung gestellt wurde, heißt
es: "Die Gültigkeit eines positiven Bescheids ist in der Regel
auf 6 Monate beschränkt, da sich die der Entscheidung
zugrundeliegende Situation (z.B. politische Lage) ändern kann.
Ansonsten gelten die Vorbehalte, die auch bei einem Nullbescheid zu
beachten sind..."
Daraus leitet sich logischerweise
zum konkreten Fall "Munitionsfabrik/Türkei" meine folgende
Frage ab:
Wann wurden die letzten positiven Bescheide auf
Voranfragen zu diesem Exportvorhaben erteilt?
Da ich mich
bewußt in keiner Frage mit dem eigentlichen Vorgang der
Exportgenehmigung durch eine unkontrollierbare und daher demokratisch
zweifelhafte Sonderveranstaltung namens "Bundessicherheitsrat"
befasse, danke ich nunmehr für Ihre sicherlich erschöpfende
Auskunft.
Hinsichtlich der Dienstaufsichtsbeschwerde
bitte ich Sie, dieses Schreiben an die dafür zuständige Stelle
weiter zuleiten.
Wegen der mir gegenüber dargebotenen
"Arroganz der Macht" und Verhöhnung von recherchierenden
Journalisten richte ich Kopien dieses Briefes an das
Bundespräsidialamt, das Bundespresseamt und Mitglieder des
Bundestages.
Hochachtungsvoll
(Helmut Lorscheid)
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