Helena Düll

freiberufliche Journalistin (helenaduell.de) , Berlin

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Zwischen Mittelfinger und Peace-Zeichen - WELT

Stellt den Gin kalt und den Kaffee warm: OK Kid sind gerade auf Deutschlandtour. Warum die Indie-Hip-Hopper eigentlich keine Popstars sein wollen und sich auch auf dem neuen Album musikalisch nicht festlegen können

Die drei Bandmitglieder Jonas, Moritz und Raffael aus der „grauen Stadt ohne Meer" (Gießen) präsentieren auf der aktuellen Tour ihr Werk „Zwei". Wirkt es auf den ersten Blick doch recht schematisch, das erste Album nach sich selbst und das zweite „Zwei" zu nennen, so spiegelt genau das die Ambivalenz der Platte wider: Der klassische Künstlerkampf zwischen Gut und Böse, zwischen Liebe und Wut, zwischen Zu- und Abneigung.

Auf dem Cover ist passend dazu das Peace-Zeichen zu sehen - der erhobene Zeigefinger wurde symbolträchtig durchgetrennt, um genau diese Gegensätzlichkeit aufzuzeigen. „Die Kombination von beidem ist genau das, was wir mit dem Album ausdrücken wollten", sagt Raffael.

„Zuerst war da ein Beat", und der wummert auf „Zwei" gewaltig. Der Elektroanteil wurde eine ganze Stufe nach oben geschraubt. Die Befindlichkeit, die noch auf dem Erstling „OK Kid" stark zu spüren war - „da dominierten die Grautöne", sagt Jonas - ist beinahe verschwunden. Raus aus der Tristesse der hessischen Heimatstadt. Statt Fragen zu stellen, liefert die Band Antworten und kann alles. Längst wird der Kaffee nicht mehr warm gehalten. „Die Kaffee-Warm-Triologie zeigt ganz gut, wie sich unser Leben verändert hat und wie man über Dinge nachgedacht hat", sagt Jonas. Eine 180-Grad-Drehung von „Ich will nicht, dass du weißt, dass ich nicht weiß, was ich will" hin zu „Ich will nur, dass du weißt, dass ich weiß, was ich will". „Dieses große Fragezeichen ist ersetzt worden, durch ein Ausrufezeichen", sagt Jonas.

Musikalisch mischen sie alles, was ihnen in die Finger kommt: Deutsch-Rap, Power-Pop, Indie, Elektro - und trotz ihres selbst erklärten Hasses gegen eben diese - auch Hamburger Schule. „Das ist kein überlegtes Baukasten-Prinzip. Wir machen das ganz intuitiv ", erklärt Raffael. „Die Vielfalt macht unsere musikalische Sozialisierung aus", ergänzt Jonas. „Dieses ‚Du kommst aus der Subkultur und kannst nur dies hören und das machen', das sehen wir gar nicht mehr so." Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Single „5. Rad am Wagen". Der Song zeigt deutlich, dass die Wahl-Kölner niemandem mehr etwas beweisen wollen, sondern lieber entspannt auf wuchtigen Beats und klassischen Rap-Parts durch die City rollen: Low-Rider-Bounce-Musik mit kluger Symbolik, die auch Menschen fesselt, die normalerweise fernab von Hip-Hop-Pfaden wandeln.

OK Kid leben den Popstar-Traum aus Selbsterfüllung, ausverkauften Konzerten und wachsender Fanbase, agieren als Band aber sehr im Hintergrund. Auf beiden Plattencovern sind sie selbst nicht zu sehen, ihre Videos zeigen Geschichten, in denen sie zwar Rollen spielen, sich aber nicht als Band präsentieren. „Das Wichtigste für uns ist, dass sich die Leute mit unserer Musik identifizieren können und dass es nicht über den Personenkult geht. Unser erstes Ziel ist es nicht, Popstars zu werden," sagt Jonas. Und doch wollen sie nur, dass man sich an sie erinnert. Das ausverkaufte Konzert im Berliner Astra könnte ein Anfang dafür sein. Doch trotz einer guten Live-Performance und Gästen wie dem Österreicher Gerard, sollte die Band beim nächsten Mal das Tonband im Hintergrund ausschalten - dann würde man sich auch wünschen, dass der Kaffee weiterhin warm gehalten wird und Bombay ruft. Denn inhaltlich würde man sich mehr von diesen intelligenten und ambitionierten Texten in der deutschsprachigen Pop-Musik wünschen.

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