Helena Düll

freiberufliche Journalistin (helenaduell.de) , Berlin

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Tränen, Pathos, große Melodien - WELT

Bands bei ihrem letzten Konzert zu begleiten ist eine traurige Angelegenheit. Gründe für ein Auseinanderbrechen gibt es zuhauf: unüberbrückbare Streitigkeiten, Eitelkeiten der Bandmitglieder oder mangelnder Erfolg - unschöne Nebengeräusche inklusive.

Einen wohltuenden Gegenentwurf dazu liefern die britisch-amerikanischen Folk-Rocker von den Augustines. Sie finden, dass ihre Bandgeschichte auserzählt ist, wollen künstlerisch zu neuen Ufern aufbrechen und gaben deshalb ihre allerletzte Deutschland-Show im ausverkauften Berliner „Huxleys". Freunde sind sie auch nach fünf Jahren immer noch und bis zum letzten Ton eine hochmotivierte Live-Band.

Einen traurigen Abend hatte Sänger Billy McCarthey angekündigt - eine traurige Party wurde es. Ein über zweistündiges Set voller Emotionen, und neben dem ein oder anderen Fan hat wohl auch der Rock-'n'-Roll-Gott das ein oder andere Tränchen vergossen. Es war ein Abschied auf Augustines-Art, mit Anti-Trump-Parolen, einem Witz hier und da und einer großen Party.

Zum richtig großen Durchbruch hat es für das Trio aus London und New York zwar nie gereicht, sie beweisen aber ein letztes Mal, weshalb es dennoch zu den Großen hätte gehören müssen: Einflüsse des klassischen amerikanischen Alternative-, als auch des Brit-Rocks vermischen sich und wurden in jüngster Zeit von - leider eher mäßig originell - mit elektronischen, aber tanzbaren Ethno-Elementen unterlegt. Das Rückgrat der Band ist eindeutig, neben dem Stimmorgan des Sängers Billy McCarthey, mit dem er unverstärkt große Festivalbühnen beschallen könnte, die omnipräsente Gitarre. So würdevoll und wunderbar hat man Rockmusik selten sterben sehen. Trotz all der guten Laune wird klar: Es ist ein Abschiedsabend. Wer genau hinsieht, kann während „Philadelphia" ein paar Tränen in den Augen des Sängers erkennen, welche aber beim anschließenden „Chapels Song", dem größten (kleinen) Hit der Band nie dagewesen zu sein scheinen. Verdrängung. Therapie der eigenen Seele. Vor dem Publikum. Was die Bandgeschichte geprägt hat, soll auch an diesem Abend nicht anders sein. Traumata entfernen sich Schritt für Schritt, böse Geister bekommen keinen Platz, denn obgleich die brüchige Stimme klingt, als stünde Mark Everett auf der Bühne, verfällt der Frontmann niemals in dessen tieftraurige Sanftheit. Die Augustines zeigen lieber große Melodien, große Songs und wahre Gefühle. Pathos. Tränen und Schweiß sind die Bausteine dieser extrovertierten Band.

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