Technology Review: Sie erhielten kürzlich den ASAP-Preis für Fortschritte auf dem Gebiet des offenen Zugangs zu wissenschaftlicher Literatur. Warum brauchen wir mehr Open Access?
TR: Im Preis für die Zeitschriften ist allerdings auch das aufwändige Peer Review-Verfahren enthalten. Wissenschaftler begutachten eingereichte Arbeiten, um die Qualität zu sichern. Wäre das bei unbezahlten Open-Access-Zeitschriften immer noch möglich? Technologie-Partner TR: Mit Open Access sinkt die Qualität nicht?
Daniel Mietchen: Zwei Elemente sind wichtig: einerseits die Möglichkeit, die Artikel zu lesen, andererseits das Recht, sie ganz oder teilweise weiterzuverwenden. Bisher muss man sehr viel Geld für Abonnements bezahlen, nicht selten tausende Euro pro Jahr. Zudem können die Bibliotheken die Zeitschriften oft nicht einzeln bestellen, sondern nur im Paket mit anderen, die sie vielleicht gar nicht haben wollen. Und schließlich gibt der Autor die meisten seiner Rechte an der eigenen Veröffentlichung ab, kann sie also selbst nicht anderweitig verwerten. Eine Abbildung daraus in einen Wikipedia-Artikel einzubauen geht somit nicht.
Mietchen: Die Open-Access-Zeitschriften bemühen sich, das Peer-Review-Verfahren genauso durchzuführen wie gewohnt. Einige achten allerdings vor allem darauf, dass die beschriebene Forschung Sinn macht und die verwendeten Methoden vernünftig erklärt sind. Dabei berücksichtigen sie weniger, ob ein Artikel in Zukunft wichtig werden könnte. Diesen Anspruch haben Abo-Journale und insbesondere Magazine wie "Nature" und "Science". Ihnen fehlt allerdings der Platz für Details. Oft ist es ihnen zudem wichtiger, dass ein Forschungsergebnis Schlagzeilen macht.
TR: Also ein Unentschieden?Mietchen: Wenn Forschung tagesaktuell öffentlich dokumentiert würde, erschwert das nicht nur den Betrug - sondern bringt vor allem die weitaus häufigere ehrliche Wissenschaft schneller voran.
TR: Ein Problem aber bleibt doch: Wenn es die Nutzer nicht tun, wer soll Open Access bezahlen?Mietchen: Ein interessantes Experiment. Leider vielfach falsch interpretiert. Das Fachjournal "Science", in dem der Artikel erschien, sowie zahlreiche Kommentatoren leiteten daraus ab, dass die Qualität von Open-Access-Publikationen derjenigen von Abonnementszeitschriften nachsteht. Letzteren hat Bohannon den Artikel aber nicht geschickt, also fehlt die Kontrollgruppe und somit die Basis für solche Vergleiche.
Außerdem war seine Stichprobe verzerrt: Er hatte vorwiegend Verlage angeschrieben, deren lasche bis unlautere Praktiken bekannt waren. Allerdings hat er auch einige Publikationen ausgewählt, die formal akademische Kriterien erfüllen, und mit seiner Studie gezeigt, dass sie diesen in der Praxis nicht entsprechen.
Mietchen: Prinzipiell ja, obgleich diese Studie dazu wie gesagt nichts hergibt. Der große Unterschied ist allerdings folgender: Erscheint ein fragwürdiger Artikel in einer Abozeitschrift, die keiner liest, bekommt die Welt es auch nicht mit - man muss ja ein Abo haben. Bei Open Access erfährt es über das Web potenziell die ganze Welt, und letztendlich kann sich so jeder selbst ein Bild machen. Das gilt natürlich genauso bei guten Artikeln.
Mietchen: Einige wenige Open-Access-Verlage nehmen Gebühren von Autoren, von deren Bibliotheken oder Institutionen. Aber die meisten finanzieren sich etwa über Institutionen oder durch Werbung, ( Hanns-J. Neubert) /
Dieser Text ist der Zeitschriften-Ausgabe 12/2013 von Technology Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, hier online bestellt werden.
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