Hanna Silbermayr

Freie Auslandsjournalistin, Caracas

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Spätestens 2020 ist Schluss, jedenfalls aus humanitärer Sicht. Zu diesem Ergebnis kommt ein vergangene Woche von den Vereinten Nationen veröffentlichter Bericht über die humanitäre Lage in Gaza.
Die Ursache: Die Infrastruktur kann mit der rasant wachsenden Bevölkerung nicht Schritt halten. Über 1,6 Millionen Menschen leben derzeit auf dem 360 Quadratkilometer großen Küstenstreifen, der etwas kleiner ist als Wien. In acht Jahren wird die Bevölkerung um 500.000 Personen angewachsen sein - das entspricht einer Bevölkerungsdichte von etwa 5900 Personen pro Quadratkilometer.
Das seit fünf Jahren von der islamistischen Hamas kontrollierte Gebiet ist von Hilfsgütern und illegalem Warenschmuggel durch unterirdische Tunnel abhängig: Grund sind politische und wirtschaftliche Restriktionen sowie israelische und ägyptische Grenzblockaden. Treffe man nicht bald Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, würde die jetzt schon kritische Situation bis ins Jahr 2020 in einer humanitären Katastrophe enden, konstatiert der UN-Bericht.
Mit der Bevölkerungszahl steigt der Bedarf nach sauberem Wasser: 60 Prozent mehr werden 2020 gebraucht werden. Nur 25 Prozent des Abwassers werden heute wiederverwertet, der Rest ins Mittelmeer gepumt. Laut UN sind etwa 90 Prozent des Grundwassers so stark verschmutzt, dass es in acht Jahren nicht mehr zu verwenden sein wird.
Der Energieverbrauch im Gazastreifen steigt zudem stetig. Heute werden nahezu zwei Drittel des Stroms aus Israel und Ägypten importiert, ein Drittel wird in Gaza selbst produziert. Bis 2020 wird sich der Strombedarf mehr als verdoppeln und die heutigen Produktionskapazitäten um ein Vielfaches übersteigen.
Eine wachsende Bevölkerung benötigt nicht nur sauberes Trinkwasser und eine stabile Energieversorgung, sondern auch ein ausreichendes Gesundheits- und Bildungssystem. Die im Gazastreifen lebende Bevölkerung ist eine der jüngsten weltweit: 51 Prozent sind unter 18 Jahre alt. Schon heute gibt es zu wenige Schulen, 85 Prozent werden in doppelten Schichten geführt, weshalb Schulstunden verkürzt werden müssen. Laut UN-Bericht fehlen momentan 250 Schulen, bis 2020 müssten nochmals 190 gebaut werden, um den Bedarf zu decken.
Um die Gesundheitsversorgung auf aktuellem Niveau halten zu können, müssten bis in acht Jahren 800 Krankenhausbetten geschaffen und 1000 zusätzliche Ärzte beschäftigt werden.
Maxwell Gaylard, der Herausgeber des UN-Berichts, sagt, dass der Gazastreifen Frieden und Sicherheit brauche, um die humanitäre Situation zu verbessern. "Das bedeutet ein Ende der Blockaden, ein Ende der Isolation und ein Ende des Konflikts." Darauf wartet Gaza allerdings schon sehr lange.