Sie will Kosovos erste Ministerpräsidentin werden. In ihrer Partei wurde die Juristin lange kleingehalten. Jetzt inszeniert man Osmani als Hoffnungsträgerin.
Die Bühne, auf der Vjosa Osmani spricht, ist eine Parklichtung über der ein Schwarm Krähen kreist. Vier grelle Scheinwerfer stehen zwischen den Bäumen. Die 37-jährige Osmani, in einem Blazer und mit schwarzem, lockigem Haar, steht inmitten einer Traube von Anhängern, viele davon im Studentenalter, und ruft: "Gemeinsam werden wir den Kampf gegen all jene gewinnen, die eure Träume zerstört haben!"
Osmani tritt für die Demokratische Liga (LDK) an, die älteste Partei des Landes, gegründet 1989 zu einer Zeit, als Jugoslawien noch nicht zerfallen und Kosovo eine Provinz Serbiens war. Osmani ist seit ihrer Jugend in der LDK aktiv. Dennoch hat ihre Kandidatur viele überrascht. Niemand hätte gedacht, dass der Parteichef Isa Mustafa ausgerechnet sie, eine Rebellin, in die erste Reihe lassen würde.
Osmani hat Mustafa früher offen als "Verräter" beschimpft, weil er eine Koalition mit dem politischen Erzfeind, der Demokratischen Partei (PDK), einging und ihren Chef, Hashim Thaci, zum Posten des Staatspräsidenten verhalf. Vor allem ältere LDK-Wähler haben das Mustafa nicht verziehen. Sie erinnern sich nur zu gut, wie hochrangige LDK-Funktionäre, die während der 1990er Jahre dem Pazifisten Ibrahim Rugova folgten, nach dem Unabhängigkeitskrieg 1999 eliminiert wurden.
Es ist wahrscheinlich, dass die Morde vom PDK-nahen Geheimdienst Shik begangen wurden. Der ehemalige Chef des Geheimdienstes, Kadri Veseli, ist ebenfalls Anwärter für den Posten des Ministerpräsidenten. Osmani schliesst eine Koalition mit ihm aus, was sie im Rugova-Flügel der LDK populär macht.
Auch wenn Rugova bis heute überlebensgross im Stadtzentrum von Pristina hängt - mit dem 2006 verstorbenen Präsidenten lassen sich junge Wähler nicht mehr mobilisieren. Für sie ist nicht die glorreiche Vergangenheit entscheidend, sondern die Zukunft - Reisefreiheit, Bildung, Jobs ohne Parteinähe.
Drei Dinge machen Osmani bei jungen Wählern beliebt. Sie war bisher in keine Korruptionsskandale verwickelt, was ihren Kampf für eine saubere Politik glaubhaft erscheinen lässt. Sie ist mit 64 000 Vorzugsstimmen die populärste weibliche Abgeordnete in der Geschichte des Landes. Und sie ist eine Akademikerin, die an der Pittsburgh-Universität in den USA promovierte.
Als Juristin arbeitete Osmani für die Uno und war Beraterin des Präsidenten Fatmir Sejdiu (LDK). In Kosovo, wo Politiker ihren Lebenslauf problemlos mit gekauften Diplomen aufpeppen können, beeindruckt Osmanis Fachwissen.
Man könnte annehmen, dass Osmani im Wahlkampf vor allem auf die Stimmen von Frauen setzt. Doch ausgerechnet hier hat sie wenig anzubieten. Bisher ist es ihr nicht gelungen, die Probleme von Frauen in Kosovo anzusprechen. Sei es die hohe Rate an häuslicher Gewalt und Morden an Frauen, ihre finanzielle Abhängigkeit oder die fehlende Gleichberechtigung in einer nach wie vor patriarchal geprägten Gesellschaft.
Auf Facebook verspricht Osmani, junge Frauen, Töchter und Mütter zu motivieren und den Traum zu erfüllen, die erste weibliche Regierungschefin zu sein. Die Feministinnen in Kosovo wird sie damit nicht überzeugen können. Repräsentation alleine reicht nicht aus, um die prekäre Lebenssituation von Frauen zu verbessern.
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