Im Tennis werden Frauen stark benachteiligt. Das will die Sportmanagerin Sandra Reichel ändern: mit einem neuen Damentennisturnier – und einer prominenten Botschafterin.
Im Tennis gilt Hamburg als "Wiege des weißen Sports": 1892 fand dort zum ersten Mal ein Tennisturnier statt, seit 1924 im Stadion am Rothenbaum. Auch Frauen kämpften auf dem roten Sand schon kurz darauf um Sätze und Siege. Tennislegenden wie Steffi Graf und die Amerikanerin Venus Williams hievten hier Trophäen in die Höhe. Doch der Deutsche Tennis Bund verkaufte die Lizenz für das Damenturnier 2002 in die USA - nur noch Männer schlugen im Stadion am Rothenbaum auf. Es brauchte beinahe 20 Jahren und zwei Österreicher, um daran etwas zu ändern: Sandra Reichel und ihr Vater Peter-Michael Reichel, Sportfunktionär aus Linz, die schon mehrere Damenturniere, auch in Deutschland, organisiert hatten, bekamen 2019 den Zuschlag für das Turnier am Rothenbaum. Die neue Turnierdirektorin Reichel, selbst ehemalige Profispielerin, sagt, sie habe von Anfang an geplant, Damenturniere zurück an den Rothenbaum zu holen. Voriges Jahr kauften die Reichels die WTA-Lizenz eines bisher in Lettland ausgetragenen Events. Ab dieser Woche spielen bei den Hamburg European Open erstmals wieder Frauen. Eine Name auf der Nennliste: Andrea Petković. Die 33-jährige Darmstädterin hat in ihrer Karriere unter anderem sechs WTA-Turniere gewonnen und zählte zwischenzeitlich zu den besten zehn Spielerinnen der Welt. Sie kämpft am Rothenbaum nicht nur um den Sieg, sondern als Botschafterin des Turniers auch um die Anerkennung der Frauen in dem Sport. Im Doppelinterview sprechen Sandra Reichel und Andrea Petković vor dem Turnier über ihre Pläne für das Event und warum es zur Gleichberechtigung im Tennis noch ein längerer Weg ist.
ZEIT ONLINE: In den nächsten Jahren werden Sie beide mit den Hamburg European Open eine der größten Sportveranstaltungen in Hamburg prägen. Was verbinden Sie mit der Stadt?
Andrea Petković: Ich habe am Rothenbaum meine erste Wildcard für eine WTA-Qualifikation bekommen, also ein Profiturnier der Damen, da war ich 14 oder 15. Meine Eltern sind ganz stolz aus Darmstadt angereist, um zuzuschauen. Leider bemerkten sie, während ich mich einspielte, dass am Horizont ihr Auto abgeschleppt wurde. Sie mussten also zu diesem Verwahrparkplatz fahren, um das Auto auszulösen und haben mein Match verpasst. Das war mein erstes Erlebnis in Hamburg.
ZEIT ONLINE: Schlechter Start.
Petković: Ja, schon. Ich bin trotzdem wiedergekommen. Einige Freunde aus Darmstadt sind nach Hamburg gezogen, deshalb war ich vor allem nach dem Abi fünf, sechs Mal im Jahr hier. Ein Kumpel hat direkt an der Sternschanze gewohnt, wir saßen in Kneipen und sind auf dem Kiez abgestürzt. Was man halt so macht, wenn man als junger Mensch, und noch nicht ganz Tennisprofi, in Hamburg abhängt.
ZEIT ONLINE: Und Ihre Beziehung zu Hamburg, Frau Reichel?
Sandra Reichel: Wenn ich aus dem Flugzeug steige, fühlt es sich an wie mein zweites Zuhause. Ich war erst 2018 zum ersten Mal hier und total geflasht: Das viele Grün, die Vielseitigkeit, das Wasser! Und die Leute sind gar nicht so steif, wie man es vom Norden behauptet. Allerdings war ich nicht so wild unterwegs wie Andrea. Außer dem Stadion am Rothenbaum habe ich vielleicht noch mal das Rathaus oder das Sportamt gesehen oder kam bei den Firmen von Sponsoren und Partnern vorbei. Ich habe mich sofort in die Arbeit und die Organisation der Turniere gestürzt. Durch die Sponsorentermine bin ich dann aber auch viel in der Stadt herumgekommen und kenne deutlich mehr als die klassischen Hotspots. Ich mag den Stadtpark sehr gern, und das absolute Highlight für mich ist es, am Morgen entlang der Alster zu joggen.
ZEIT ONLINE: Dank Ihnen und Ihrem Vater Peter-Michael Reichel hat Hamburg nun wieder eine Lizenz für ein Damentennisturnier. Warum hat es 19 Jahre gedauert, bis sich jemand um eine Lizenz bemühte?
Reichel: Ganz ehrlich, das kann ich Ihnen nicht beantworten. Schon als wir 2013 ein Damenturnier nach Nürnberg holten, fragte ich mich: Wieso haben die Deutschen nur ein einziges Damentennisturnier? Wie kann das sein zu einer Zeit, in der man hier mit Andrea Petković oder Angelique Kerber, Sabine Lisicki und Julia Görges hervorragende deutsche Tennisspielerinnen hat. Inzwischen sieht das mit den Turnieren besser aus, Gott sei Dank. Hast du eine Theorie, warum das so lange gedauert hat, Andrea?
Petković: Ich glaube, alles passiert zeitlich versetzt. Diese guten Leistungen, die wir in den letzten Jahren erbracht haben, Angie, Sabine, Jule, Laura Siegemund und ich, manifestieren sich jetzt in der Turnierlandschaft. Mein Gefühl ist, dass Damentennis Stars bieten muss, damit Zuschauer kommen. Bei einem Herrenturnier gehen die Leute auch ohne große Namen davon aus, dass ihnen Weltklassetennis geboten wird.
Reichel: Ja, guter Punkt. Ein Männerturnier zu organisieren, ist viel einfacher. Ich habe mal für zwei Jahre das ATP-Turnier in Kitzbühel übernommen. Das war so easy going. Für die Berichterstattung habe ich zum Beispiel gar nicht kämpfen müssen, das Fernsehen war einfach da. Bei Damenturnieren muss für mediale Aufmerksamkeit schon ein großer Name wie Serena Williams aufschlagen. Das ist einfach ungerecht.
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