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Teilchenphysiker: "Meine Kollegen verdienen deutlich weniger als ich"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet der 29-jährige Marius Gens*, der als Teilchenphysiker in Baden-Württemberg arbeitet.

Mein Job

Beruf: Ich bin Physiker und arbeite derzeit an einem großen Forschungsprojekt mit. Zusammen mit mehreren Hundert Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt forsche ich im Bereich der Teilchenphysik. Viele meiner Kollegen arbeiten an Universitäten. Ich dagegen bin an einem Forschungsinstitut im Ausland angestellt, das teils mit staatlichen Geldern und teils mit EU-Fördermitteln finanziert wird. Etwa 70 Prozent meines Jobs verbringe ich mit normaler Büroarbeit: Ich bin oft in Meetings, um mich mit den anderen Wissenschaftlern abzustimmen. Außerdem muss ich viele Anträge schreiben, um Drittmittel anzuwerben. Ich kümmere mich also selbst um die Finanzierung meines Jobs. In der restlichen Zeit kümmere ich mich direkt um das Projekt und programmiere da auch viel. Dass ich an einer Tafel oder einem Whiteboard stehe und Gleichungen aufzeichne, kommt vor, ist aber selten.

Mittlerweile arbeiten wir Physiker viel mit Analyseprogrammen und Simulationen, die wir bedienen und an unsere Forschungsvorhaben anpassen. Vieles davon kann man vom Laptop aus machen. Etwa eine Woche im Monat arbeite ich deshalb von zu Hause in Deutschland aus. Den Austausch mit anderen Forschenden kann das aber nicht ersetzen, weshalb ich die restliche Zeit im Institut im Ausland verbringe. Außerdem halte ich viele Vorträge bei Seminaren und Konferenzen, teilweise auch an Unis. Deswegen besteht ein weiterer großer Teil meiner Arbeit auch aus Reisen. Mir macht diese Lehre großen Spaß, deshalb unterrichte ich auch immer wieder. Aber ich verbringe nur einen kleinen Teil meiner Zeit damit. Würde ich dauerhaft an einer Universität arbeiten, wäre der Anteil wahrscheinlich größer.

In der Forschung gibt es vor allem befristete Verträge. Alle Wissenschaftler hoffen auf eine unbefristete Anstellung. Leider gibt es die nur selten. Deshalb arbeiten viele in der Forschung ständig, sie haben zig Überstunden und werden dazu noch schlecht bezahlt. Eine zwar ungeschriebene, aber weitgehend anerkannte Voraussetzung für eine unbefristete Forschungsstelle in Deutschland sind mindestens zwei Jahre Auslandserfahrung. Das ist auch für mich der Grund, warum ich derzeit pendeln muss. Es ist eine anstrengende Zeit, aber alternativlos. Der Druck ist dabei hoch, denn das Wissenschaftszeitvertragsgesetz legt fest, dass man nach der Promotion in den meisten Disziplinen maximal sechs Jahre lang mit befristeten Verträgen angestellt sein darf. Wenn man bis dahin keine Festanstellung gefunden hat, muss man die akademische Forschung in Deutschland verlassen. Deshalb wechselt ein Großteil der Physiker irgendwann in die Wirtschaft zu Versicherungen oder Unternehmensberatungen. Die Debatte unter dem Hashtag #IchbinHanna hat daran nicht viel geändert.

Familienzeit

Ausbildung: Mein Ausbildungsweg ist ziemlich geradlinig: Ich habe im Bachelor und Master Physik studiert und mich immer mehr auf Teilchenphysik spezialisiert. Anschließend habe ich promoviert und war längere Zeit im Ausland. Letzteres hat in meinem Fall rund drei Jahre gedauert. Nach der Promotion habe ich mich schnell um einen Job bemüht und bin seit rund anderthalb Jahren an diesem Institut angestellt. Ich wusste schon sehr früh, dass ich Physiker werden möchte, und habe zielstrebig darauf hingearbeitet.

Arbeitszeit: An meinem Institut arbeiten die meisten Wissenschaftler in Gleit- oder Vertrauenszeit. Wir haben keine Stechuhr. Es gibt Kollegen, die klassisch von neun bis fünf Uhr arbeiten. Je nach Phase eines Projekts kann es aber auch vorkommen, dass man um acht Uhr morgens kommt und um zehn Uhr abends noch nicht fertig ist. Weil es bei uns allen immer um das Weiterbestehen des eigenen Jobs geht, arbeiten fast alle mehr als 40 Stunden pro Woche - mich eingeschlossen.


Meine Einnahmen

Brutto: Sowohl meine Frau als auch ich sind mit einem der schon angesprochenen befristeten Verträgen angestellt. Ich verdiene etwas mehr, weil sie eine 75-Prozent-Stelle hat. Um ihre Forschung voranzutreiben, muss sie trotzdem Vollzeit arbeiten. Das Grundgehalt von Wissenschaftlern ist eigentlich nicht schlecht, nur haben die wenigsten eine volle Stelle. So rutscht man schnell in prekäre Verhältnisse ab. Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich über ein zusätzliches Projekt gefördert werde. Aktuell liegt mein Bruttogehalt, wenn man es umrechnet, bei rund 3.200 Euro. Meine Kollegen verdienen deutlich weniger als ich. Ohne die Extraförderung läge das Gehalt meiner Stelle bei weniger als der Hälfte. Die sehr unterschiedlichen Gehälter sind ein Grund, warum manche Forschungsstandorte mit anderen kaum mithalten können.

Netto: Weil ich im Ausland als Wissenschaftler relativ wenig Steuern zahlen muss, bleibt mir netto ziemlich viel übrig - 2.600 Euro jeden Monat.

Wie mich die Inflation betrifft: Da ich viel reise und nach Deutschland pendle, treffen mich die gestiegenen Benzinpreise hart. Und auch die Preise für Lebensmittel sind gestiegen. Ich bemerke die Inflation zudem ganz direkt in meinem Job. Beispielsweise gibt es an meinem Institut sehr energieintensive Laser - und Energie ist teuer geworden. Solche Laser, die dazugehörigen Kühlungssysteme und die angeschlossenen Rechenzentren kann man nicht einfach abschalten, die müssen laufen, damit auch langfristige Messungen möglich sind. Deshalb ist es schon vorgekommen, dass Verträge von Forschungsprojekten nicht verlängert wurden, um die gestiegenen Kosten wieder einzusparen. Für die Betroffenen ist das natürlich hart, wenn man trotz guter Arbeit nicht weitermachen kann. Mich selbst hat das glücklicherweise noch nicht betroffen.

Meine Ausgaben

Wohnen: Durch das Pendeln muss ich doppelt Miete zahlen: Die Wohnung in Deutschland haben wir schon länger, wir wollen sie nicht aufgeben, nur weil ich zeitweise im Ausland bin. Meine Frau wohnt dort weiter. Für meinen Anteil an der deutschen Wohnung zahle ich inklusive Nebenkosten und Internet 600 Euro, das ist die Hälfte der Miete.

Am Standort meines Instituts im Ausland habe ich ein Zimmer in einer Art Forscher-WG gemietet. Meine Mitbewohner und ich sind alle Ausländer, die für die Forschungsvorhaben hierhergezogen sind. Dafür zahle ich sogar mehr als anteilig für die Wohnung in Deutschland: etwa 650 Euro inklusive aller Nebenkosten. Insgesamt gebe ich also 1.250 Euro für Wohnkosten aus. 

Lebensmittel: Weil ich viel arbeite und wenig zu Hause bin, ist mein Kühlschrank meistens spartanisch bestückt. Tagsüber esse ich in der Kantine. Finanziell hat sich das definitiv bemerkbar gemacht, als durch die Inflation die Essenspreise von vier auf sechs Euro gestiegen sind. Rund 100 Euro zahle ich monatlich für die Kantine. Nach der Arbeit reicht mir meistens eine einfache Mahlzeit: Belegte Brote oder Nudeln esse ich häufig. Lebensmittel sind hier tendenziell etwas teurer als in Deutschland, deshalb gebe ich für Einkäufe noch einmal 150 bis 200 Euro aus. Oft besorge ich haltbare Lebensmittel in Deutschland und bringe sie im Kofferraum mit, um etwas zu sparen. Hinzu kommen dann noch einmal 150 Euro für Restaurantbesuche und Essensbestellungen. Das ist recht viel, aber es ist mir wichtig, dass meine Frau und ich uns auch mal was gönnen, wenn wir uns zu Hause treffen oder beruflich in derselben Region unterwegs sind. So komme ich auf Gesamtkosten für Lebensmittel in Höhe von rund 450 Euro.

Hygieneprodukte: Im Monatsdurchschnitt gebe ich 25 Euro für Hygieneprodukte aus. Durch das Pendeln habe ich einen Kulturbeutel mit allen notwendigen Produkten, aber mehr als Rasierschaum, Zahnpasta und so weiter ist dort nicht drin. Auch der Friseur um die Ecke ist nicht teuer. Ich brauche keinen Luxus.

Kleidung: Alle paar Monate gehe ich einkaufen und besorge das Nötigste. Mehr als die Basics brauche ich einfach nicht. Heruntergerechnet auf den Monat lande ich bei 25 Euro. Ich habe mir letztes Jahr eine neue Jacke gekauft, die etwas teurer war. Etwa 200 Euro habe ich dafür gezahlt. Für mich war das eine größere Ausgabe. 

Telefon und Internet: In meinem WG-Zimmer ist das Internet schon in der Miete eingerechnet. Für mein Handy habe ich einen günstigen Vertrag, den ich auch im Ausland nutze. Rechne ich meine Hälfte bei dem Vertrag für die deutsche Wohnung dazu, komme ich auf 35 Euro pro Monat.

Abonnements: Ich nutze eigentlich nur zwei Abos: die Öffentlich-Rechtlichen, also den Rundfunkbeitrag, für 18,36 Euro und einen Zugang zu ZEIT ONLINE. Den zahlt allerdings meine Frau komplett, sodass für mich keine Kosten entstehen.

Transport/Mobilität: Für Transportkosten gebe ich relativ viel Geld aus. Durch das Pendeln verbrauche ich eine Menge Benzin. Ich nutze oft das Auto, aber nicht immer. Hinzu kommen deshalb Zugfahrkarten, Bustickets und so weiter. Zusammengerechnet zahle ich dafür mindestens 300 Euro im Monat. Außerdem bin ich ADAC-Mitglied, das kostet auf den Monat gerechnet noch einmal 4,50 Euro. Obendrauf kommen dann noch 20 Euro für den Nahverkehr zu meinem Institut. Insgesamt kostet mich das alles rund 325 Euro.

Freizeit: Ich gehe regelmäßig in eine Indoorsporthalle. Dafür gebe ich monatlich etwa 50 Euro aus. Außerdem besuche ich hin und wieder Konzerte, das macht im Schnitt noch einmal 20 Euro. Wenn ich es schaffe, lese ich ein Buch im Monat. Meistens ist das klassische Literatur. Diese Bücher sind günstiger als die neuen Bestseller. Zehn Euro könnten trotzdem noch einmal draufgeschlagen werden. Außerdem spiele ich Gitarre, aber wenn man die einmal hat und sich nicht permanent neues Equipment dazukauft, verursacht das keine Kosten. Deshalb bleibt es bei den 80 Euro für Freizeit. 

Reisen: Weil sowohl meine Frau als auch ich beruflich oft unterwegs sind, reisen wir sehr wenig in unserer Freizeit. Oft versuchen wir, nach beruflichen Terminen noch ein, zwei Tage länger an einem Ort zu bleiben und übernehmen die Differenz. Für Hotelzimmer und Essen kommen so aber schnell 100 Euro im Monat zusammen. Meist zahlt das meine Frau. Hinzu kommen kurze Trips zur verstreuten Verwandtschaft oder hin und wieder zu einer Hochzeit. Wenn wir dann bei Bekannten übernachten, kostet uns das fast nichts. Für einen großen Sommerurlaub bleibt aktuell kaum Zeit. In unserer derzeitigen Lebensphase haben wir dafür keine Kapazitäten.

Versicherungen: Hier habe ich nur die absolut notwendigen: Für Kfz- und Haftpflichtversicherung zahle ich monatlich rund 45 Euro.

Sparen und Investitionen: Zusammen mit meiner Frau versuche ich jeden Monat zwischen 500 und 1.000 Euro beiseitezulegen. Nicht immer schaffen wir es, aber oft schon. Dieses Geld liegt für Notfälle auf einem separaten Konto. Ein Haus können wir uns davon nicht kaufen, aber wir fühlen uns dadurch abgesicherter.  


Was am Ende übrig bleibt

Bei mir kommt es wirklich auf den Monat an. Es ist nicht so, dass gar nichts übrig bleibt, aber viel ist es nicht. Manchmal 100 Euro, selten auch 250 Euro. Das kommt darauf an, ob meine Frau oder ich den Urlaub zahlen oder wie viel wir jeweils sparen. Und sobald dann Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke anstehen, wird es schnell eng.

*Der Name des Protagonisten wurde geändert, ist der Redaktion aber bekannt.

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