In der Serie Kontoauszug stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet Thomas Krauße*, Mitte 50, der als Physiker an einer Universität arbeitet.
Beruf: Ich bin Diplomphysiker und arbeite unbefristet angestellt im Servicebetrieb einer Universität. Deshalb beschäftige ich mich viel mit Projekten anderer: Dazu denke ich mich in deren Forschung hinein und überlege, wie man sie in unseren Laboren vorantreiben kann. Meine Universität ist sehr gut ausgestattet. Es gibt dort diverse Geräte für physikalische Versuche, über die andere Forschungseinrichtungen nicht verfügen, weil der Betrieb zu aufwendig oder teuer ist.
Wir setzen diese Geräte als Dienstleister auch zum Beispiel für andere Universitäten ein. Rund zwei Drittel unserer Auftraggeber geben die Laborarbeit ganz an uns ab, die anderen arbeiten zusammen mit uns. Hauptsächlich geht es dabei um Grundlagenforschung im Bereich der Materialwissenschaften. Wir führen beispielsweise Messungen durch, die bei der Entwicklung von Brennstoff- und Solarzellen oder Batterien wichtig sind. Meine Aufgabe ist, diese komplexen Geräte selbst zu bedienen und die externen Aufträge zu betreuen, also eine Mischung aus Labor- und Büroarbeit. Außerdem kümmere ich mich um Doktorandinnen und Doktoranden.
Bei manchen Forschungsprojekten werde ich als Co-Autor genannt, früher war das sogar zwingend notwendig. Immer häufiger werden wir allerdings als reiner Dienstleister gesehen, dann werden wir nicht erwähnt. Hier hat in den letzten Jahren eine deutliche Monetarisierung stattgefunden. Begeistert bin ich davon nicht, muss es aber akzeptieren. Es geht darum, dass unsere Universität verdient - Veröffentlichungen mit unseren Namen sind nicht so wichtig.
Ausbildung: Ich habe einen ungewöhnlichen Bildungsweg hinter mir: Zu Beginn war ich an einer Hauptschule. Heute würde man bei mir vielleicht diagnostizieren, damals war das noch nicht so bekannt. Ich war oft unaufmerksam, meine Leistungen waren anfänglich eher bescheiden. Deshalb wäre ich beinahe als Problemkind abgestempelt worden und durch das Raster gefallen. Allerdings ist in der siebten Klasse eine Begabung in Mathematik, Biologie und Chemie aufgefallen. Ich hatte Glück, dass es schon damals eine Computer AG an der Schule gab und mich einige engagierte Lehrer gefördert haben.
Anschließend habe ich die Mittlere Reife gemacht. Abitur und Studium waren für mich damals nicht vorstellbar, eine ganz andere Welt. Deshalb habe ich zunächst eine technische Ausbildung gemacht. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, als technischer Assistent im Bereich Elektronik und Maschinenbau weiterzuarbeiten. Zu dieser Zeit habe ich zum ersten Mal Kontakt mit Menschen gehabt, die als Physiker arbeiteten und ein Studium hinter sich hatten. Schnell habe ich gemerkt, dass mich das auch interessieren würde. Glücklicherweise hatte ich Ausbilder, die mich damals gefördert haben. Auch deshalb habe ich mich nach der Ausbildung dazu entschlossen, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur zu machen, und bin anschließend an die Uni gegangen. Dort habe ich ein Studium der Physik begonnen, mit den Nebenfächern Medizin und Optik. Währenddessen bin ich schwer erkrankt, deshalb hat sich mein Studium um einige Semester verlängert. Das war dann auch der Grund, warum ich an meinen Diplomabschluss keine Promotion angehängt habe - ich wollte einfach arbeiten.
Kurzzeitig war ich in der freien Wirtschaft beschäftigt und habe Augenimplantate entwickelt, konnte also Medizin und Physik verknüpfen. Anschließend war ich in einem Forschungsprojekt beschäftigt und wurde von meiner jetzigen Uni quasi abgeworben. Eigentlich wollte ich nie wieder an der Universität arbeiten, die Strukturen dort waren mir zu träge und der Verdienst deutlich geringer als in der Wirtschaft. Doch die interdisziplinären Forschungsmöglichkeiten an der Uni waren so verlockend, dass ich mich habe überzeugen lassen.
Arbeitszeit: Formell habe ich eine 40-Stunden-Woche, die ich aber auf 90 Prozent reduziert habe. Ich kann mir die Stunden recht flexibel einteilen. Zudem habe ich mir angewöhnt, nach maximal neun Stunden nach Hause zu gehen. Danach funktioniert der Kopf nicht mehr so gut, alles dauert länger, man ist nicht mehr effektiv. Dann höre ich zwar auch nicht auf, über etwas nachzudenken, das mich beschäftigt. Aber man kann eine wichtige Idee einfach nicht erzwingen, wenn man länger im Büro sitzt. Da kommt ein Einfall eher beim Joggen oder unter der Dusche.
Wenn viel Arbeit ansteht, weil eine Konferenz vorbereitet oder ein Projekt abgeschlossen werden muss, geht niemand pünktlich nach Hause. In diesen Phasen komme ich auch mal auf 60 Stunden pro Woche. Das war einer der Gründe, die Arbeitszeit zu reduzieren. Meinen Arbeitgeber davon zu überzeugen, war allerdings nicht einfach.
Brutto: Als Physiker an der Universität werde ich nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt. Mit einer Vollzeitstelle würde ich rund 6.300 Euro verdienen. Weil ich auf 90 Prozent reduziert habe, ist es in meinem Fall etwas weniger, also knapp 5.650 Euro.
Netto: Abzüglich aller Abgaben bleiben mir in etwa 3.200 Euro übrig.
Wie mich die Inflation betrifft: Natürlich spüre ich die gestiegenen Preise beim Einkaufen. Mit meinem Gehalt bin ich aber in der luxuriösen Situation, weiter gut leben zu können. Ich gebe nicht sonderlich viel Geld aus und kann deshalb alle anfallenden Kosten recht problemlos bewältigen.
Netto: Abzüglich aller Abgaben bleiben mir in etwa 3.200 Euro übrig.
Wie mich die Inflation betrifft: Natürlich spüre ich die gestiegenen Preise beim Einkaufen. Mit meinem Gehalt bin ich aber in der luxuriösen Situation, weiter gut leben zu können. Ich gebe nicht sonderlich viel Geld aus und kann deshalb alle anfallenden Kosten recht problemlos bewältigen.
Meine Ausgaben
Wohnen: Ich wohne zur Miete in einer Vierzimmerwohnung mit über 80 Quadratmetern in Süddeutschland. Allerdings brauche ich ein Zimmer davon als reinen Arbeitsraum. Trotzdem ist die Wohnung für eine Person natürlich groß. Ich bin ein bisschen eigenbrötlerisch, gerade während Corona hat mir der Platz deshalb gutgetan. Weil ich schon länger dort wohne, ist meine Miete vergleichsweise günstig. Wenn ich alle Kosten für meine Wohnung zusammenrechne, komme ich auf rund 1.000 Euro im Monat. Darin ist neben Miete und Nebenkosten auch ein kleines Budget eingerechnet, von dem ich beispielsweise eine neue Waschmaschine kaufen könnte, wenn ich sie brauche. Das geht alles von einem getrennten Konto ab. So brauche ich über meinen normalen Kontostand gar nicht nachzudenken, wenn ich etwas für die Wohnung ausgebe. Demnächst möchte ich von diesem Budget ein kleines Solar-Balkonkraftwerk kaufen, mit dem ich etwas Strom selbst generieren kann.
Familie: Ich habe eine Tochter, die alleinerziehend ist, gelegentlich unterstütze ich sie. Ich zahle ihr nicht kontinuierlich Geld, aber hin und wieder helfe ich ihr natürlich gerne. Für ihr Kind, also mein Enkelkind, übernehme ich zudem einen Teil des Schulgelds. Zusammengerechnet gebe ich dafür 300 Euro monatlich weiter.
Lebensmittel: Für Lebensmittel und Restaurantbesuche gebe ich rund 500 Euro im Monat aus. Weil ich nur circa alle 14 Tage auswärts essen gehe, fallen dafür nur wenig Kosten an. Allerdings koche ich sehr gern und viel und achte auf Qualität. Oft kommen Freundinnen und Freunde zum Essen vorbei. Weil mein Tagesablauf zu unregelmäßig ist, gehe ich selten in der Unimensa essen. Stattdessen bringe ich mir lieber etwas mit oder gehe in eins der umliegenden Restaurants.
Mobilität: Für mein Auto muss ich Steuer und Versicherung zahlen, hinzu kommt der Sprit. Pro Monat kostet mich das rund 100 Euro. Hinzu kommen noch einmal 100 Euro für Tickets für Bahn und ÖPNV. Beides nutze ich, wann immer es möglich ist. Ich fahre mittlerweile äußerst ungern mit dem Auto, mit dem Rad bin ich einfach meistens schneller. Ich brauche das Auto aber weiter, um flexibel zu bleiben. Lange Zeit habe ich ein Carsharingmodell genutzt, vielleicht mache ich das auch bald wieder. Zur Arbeit fahre ich mit dem Fahrrad. Reparaturen erledige ich selbst, dafür fallen so gut wie keine Kosten an. Im Monat gebe ich insgesamt rund 200 Euro für Mobilität aus.
Hygieneprodukte und Körperpflege: Über diese Kosten habe ich kaum einen Überblick. Wenn das Shampoo leer ist, kaufe ich ein neues. Viel kommt dafür definitiv nicht zusammen, vielleicht zehn Euro im Monat. Teurer sind die Medizinprodukte, auf die ich angewiesen bin. Dafür gebe ich ungefähr 100 Euro im Monat aus. Zusammengerechnet komme ich demnach auf 110 Euro monatlich.
Kleidung: Für Kleidung gebe ich durchschnittlich 80 Euro im Monat aus. Ich kaufe mir nichts aus Modegründen, aus dem Alter bin ich raus. Ich besorge mir eine neue Jacke, wenn die alte kaputt ist. Dabei schaue ich sowohl auf Qualität als auch auf den Preis. Ich bin nicht bereit, knapp 2.000 Euro für einen Pulli zu bezahlen. Aber ich kaufe auch keine T-Shirts für fünf Euro. Einen Großteil meiner Kleidung und der Alltagsdinge besorge ich mittlerweile online, da die Fachgeschäfte immer seltener werden. Für Qualität und gute Beratung wäre ich gerne bereit, mehr zu zahlen. In den meisten Geschäften in der Innenstadt wird das aber nicht mehr geboten.
Telefon und Internet: Für meine Verhältnisse gebe ich für Telekommunikation relativ viel aus: knapp 60 Euro im Monat. Rund zehn Euro zahle ich für meinen Mobilfunkvertrag. Hinzu kommt der haushaltsübliche Internetanschluss für 25 Euro. Die restlichen 25 Euro entfallen auf einen privaten Serverdienst, den wir als Chatroom und Familien-Cloud nutzen.
Abos und Streaming:
Ich habe keine Streamingservices. Spotify habe ich ausprobiert. Mein
Problem damit ist, dass einem nichts Neues vorgeschlagen wird, sondern
nur die immer gleichen Vorlieben wiederholt werden. Ich habe aber schon
ein volles CD-Regal, das ich in 30 Jahren aufgebaut habe. Dort ist die
Musik, die ich gerne mag. Um Neues zu entdecken, höre ich lieber in die
Musik meiner Patenkinder rein. So finde ich immer wieder interessante
und skurrile neue Lieder. Ich habe auch ein Abo der Lokalzeitung, sowohl
online als auch gedruckt. Das kostet 45 Euro monatlich, für das
Kombiabo für DIE ZEIT und ZEIT ONLINE zahle ich rund 30 Euro im Monat.
Zusammengerechnet sind das also 75 Euro.
Kultur: 250 Euro gebe ich für alles aus, was ich unter den Punkt Kultur fassen würde. Dazu zählen CDs und DVDs, die ich immer noch sehr gerne mag und kaufe. Zudem versuche ich, eine Kulturveranstaltung in der Woche zu besuchen, was mir nicht immer gelingt. Darunter fallen Theater, Kino, Konzerte und Kleinkunst – nur die Operette ertrage ich nicht. Meine Interessen sind da sehr breit gefächert. Meist bin ich dafür in der Region unterwegs, aber wenn ein spektakuläres Konzert in Bremen stattfindet, denke ich mindestens darüber nach, da hinzureisen.
Sport: Ich laufe gern und viel, dafür gebe ich allerdings nicht viel aus, im Schnitt sind das vielleicht 20 Euro für Laufschuhe und -kleidung. Hinzugekommen ist vor einiger Zeit der Jagdsport: Neben diversen anfänglichen Anschaffungen und natürlich einer zweijährigen Ausbildung zahle ich jetzt den Beitrag für einen Schützenverein, das sind 80 Euro pro Monat. Ich kann mich dabei mental vom Rest der Welt abkoppeln, das tut mir gut. In diesen Momenten bin ich nur noch konzentriert und denke über nichts anderes mehr nach. Das ist ein Zustand, den ich sonst nur sehr schwer erreiche.
Reisen: Das schwankt von Jahr zu Jahr. Mal mache ich in der Umgebung Urlaub, dann komme ich auf 500 bis 1.000 Euro. Mit dem Zelt durch Frankreich oder die Schweiz zu reisen, kostet nicht so viel. In anderen Jahren gebe ich für große Reisen auch mal 3.000 oder sogar 5.000 Euro aus. Außerdem gehe ich gerne segeln. Ein einwöchiger Törn kostet rund 1.000 Euro. Weil die teuren Urlaube deutlich seltener stattfinden als die günstigeren, lande ich insgesamt bei einem Monatsdurchschnitt von 160 Euro.
Versicherungen: Ich habe eine Unfall- und eine Rechtsschutzversicherung, hinzu kommen die Basics wie Hausrat- und Haftpflichtversicherung. Aufaddiert zahle ich für alles durchschnittlich 60 Euro im Monat. Teile davon sind genossenschaftliche Versicherungen. Außerdem läuft meine Unfallversicherung schon sehr lange, die habe ich abgeschlossen, als ich den Führerschein bekommen habe. Dementsprechend günstig sind die Beiträge. Regelmäßig ruft mich die Versicherung an und will einen neuen Vertrag abschließen, aber da hat mich noch niemand überzeugen können. Eine zusätzliche Rentenversicherung oder Ähnliches habe ich nicht.
Was am Ende übrig bleibt
Ich habe vor Jahren mal schlechte Erfahrungen mit Aktien gemacht – man erinnere sich an das Debakel mit der Telekom vor 20 Jahren. Seitdem ist mir das alles zu risikoreich. Aktuell habe ich circa 15.000 Euro gespart. Zudem gibt es das Bauernhaus meiner Großeltern, in dem ich mietfrei wohnen oder es vermieten könnte. Das ist für mich eine Art Altersvorsorge. Geld, das am Monatsende übrig bleibt, verteile ich lieber an Menschen, die mir wichtig sind – das können bis 500 Euro sein. Für mich zählt nicht nur das Monetäre: Andere zu unterstützen oder mir meine eigene Zeit einteilen zu können, ist für mich ebenso wichtig. Wenn ich aufs Geldverdienen aus gewesen wäre, wäre ich in der Industrie geblieben und würde sicher das Dreifache von heute kriegen. Aber es gibt doch viel mehr im Leben als Geld.
*Der Name des Protagonisten wurde geändert, weil er berufliche Nachteile vermeiden möchte. Sein Name ist der Redaktion bekannt.
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