Das Coronavirus verändert für viele Menschen, wie und wo sie arbeiten. Und auch, wie viel Geld sie verdienen. Wer Glück hat, kann im Homeoffice arbeiten. Für Freiberufler brechen Aufträge weg, sie wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, andere mussten ihre Geschäfte schließen und hoffen auf finanzielle Unterstützung. In der Serie "Kontoauszug" stellen wir Menschen vor, die genau davon erzählen: Was heißt Corona für meine Arbeit - und für mein Konto? Hier berichtet der 42-jährige Florian Dennig, der als selbstständiger Unternehmensberater in München arbeitet.
Mein Beruf: Ich arbeite selbstständig als Unternehmensberater mit Schwerpunkt auf Organisations- und Teamentwicklung. Dabei unterscheide ich mich von klassischen Unternehmensberatern, die primär auf Zahlen, Daten und Fakten schauen. Das hat in manchen Situationen seine Berechtigung. Aber esgibt auch zwischenmenschliche Faktoren, die über den Erfolg eines Projekts oder eines Teams entscheiden. In der Organisations- und Teamentwicklung priorisiere ich diese und plane und begleite Veränderungsprozesse, also die Einführung neuer Teams, Schaffung neuer Abteilungen oder kümmere mich um agiles Arbeiten. Weil in allen Branchen Menschen arbeiten, bin ich nicht auf eine bestimmte spezialisiert. Zu meinen kleineren Kunden gehört beispielsweise eine Schule mit 60 Angestellten: Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagogen, Menschen in der Verwaltung. Dort standen ein Umzug, ein pädagogischer Wandel und eine neue Struktur an. Die drei Schulen waren plötzlich unter einem Dach organisiert, ich war dafür zuständig, die einzelnen Lerndörfer und Team miteinander zu verknüpfen. Diesen Prozess habe ich über ein halbes Jahr gemeinsam mit einer Kollegin begleitet. Ein mittelgroßer Kunde, den ich beraten habe, war ein Autoverleih. Ich berate abe auch große Dax-Konzerne wie BMW und Siemens, bei denen ich Strategie- und Teamworkshops vorbereite und moderiere.
"Nach sechs Jahren wurde mir klar, dass ich kein klassischer Berater sein will." Florian Dennig, 42, UnternehmensberaterAusbildung: Ich habe Abitur gemacht und danach in Mannheim VWL, Politik und Philosophie studiert, zwischendrin war ich ein Jahr lang in Toronto. 2003 bin ich dann nach Genf zu den Vereinten Nationen gegangen, zur United Nations Conference on Trade and Development. Dort war ich ein halbes Jahr als Stipendiat und habe danach noch für ein halbes Jahr als Consultant gearbeitet. Eine meiner Aufgaben war, ein Manual für Betriebe in Asien mitzuentwickeln, wie man Onlinebusiness betreibt. Danach habe ich bei einer Unternehmensberatung in München gearbeitet, aber nach sechs Jahren im Job wurde mir klar, dass ich nicht als klassischer Berater arbeiten will und habe gekündigt. Im Anschluss habe ich als Freelancer gearbeitet, bevor ich von einer Teamcoaching-Ausbildung in Finnland erfuhr. Dieses Programm hat stark geprägt, wie ich heute über Menschen und Teams denke. Im Jahr 2014 habe ich mit einer Kollegin die Organisationsberatung The Good Point gegründet.
"Ich bin vom Typ her sicher auch jemand, der gerne viel arbeitet." Florian Dennig, 42, Unternehmensberater
Arbeitszeit: Arbeitszeitmanagement gehört definitiv nicht zu meinen Stärken. Bei mir zu Hause am Klavier klebt ein herzförmiges Post-it, auf dem steht, dass ich um 21 Uhr aufhören möchte zu arbeiten. Aber das gelingt nicht immer. Ich versuche, morgens nicht vor neun Uhr anzufangen. Von neun bis neun ist wahrscheinlich meine übliche Arbeitszeit unter der Woche. Da sind dann auch Pausen und mal ein Arzttermin dazwischen, aber man kann schon mit über 60 Wochenstunden rechnen. Ich bin vom Typ her sicher auch jemand, der gerne viel arbeitet. Es fällt mir tatsächlich schwer, am Wochenende zwei Tage am Stück freizumachen. Das passiert fast nie! Samstag klappt das, aber sonntags denke ich mir oft, jetzt könnte ich mich in Ruhe nochmal an den Schreibtisch setzen.
Was mir Sorgen bereitet: Eine große Sorge teile ich mit vielen Selbstständigen: weil ich nicht weiß, was im zweiten Halbjahr an Aufträgen reinkommt, bin ich nicht tiefenentspannt. Egal ob kleine oder große Aufträge, bei mir ergibt sich das irgendwie immer und der Vorlauf, in dem ich das weiß, ist manchmal gar nicht so groß. Im vergangenen Jahr gab es ein großes Projekt, das über ein ganzes Jahr lief, aber das ist eher die Ausnahme. Aktuell bin ich für die ersten sechs bis sieben Monate des Jahres 2021 gut verplant und abgedeckt. Aber was nach der Sommerpause, also was ab September passiert, ist noch völlig unklar. Und diese Unsicherheit schwingt im Hinterkopf immer so ein bisschen mit.
Außerdem macht es mir Sorge, dass ich durch Corona weniger Menschen begegne, obwohl das in meinem Job sehr wichtig ist. Das geht zwar digital, aber physisch ist es eine ganz andere Geschichte. Bei einem Treffen kann ich Blickkontakt aufnehmen, um zu signalisieren: "Ich möchte hier was ergänzen!" Die Kommunikation, die sonst durch Mimik und Gestik möglich ist, fehlt mir.
Bruttoeinkommen: Bei Selbstständigen schwankt das Einkommen logischerweise von Jahr zu Jahr, je nach Auftragslage. Mein Umsatz lag im vergangenen Jahr bei etwas mehr als 200.000 Euro netto. Ein großes Projekt hat mich gut durch die Pandemie gebracht. Es gab auch Jahre, da kam ich nur auf 70.000 Euro. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre waren das 120.000 Euro Umsatz und mit meinen aktuellen Projekten werde ich das auch in diesem Jahr erreichen. Meine betrieblichen Ausgaben verändern sich natürlich auch, abzüglich aller Kosten - von der Miete meines Co-Working-Spaces über Reisekosten, den Leasingwagen bis hin zu Fortbildungskosten - lag mein Gewinn 2020 bei 150.000 Euro.
Nettoeinkommen: Von meinem betrieblichen Gewinn muss ich natürlich noch die Einkommensteuer abziehen. Wenn ich einen Mittelwert auf den Monat herunterrechne, komme ich abzüglich Steuern auf ungefähr 4.800 Euro im Monat.
"Ich bin froh, wenn ich überhaupt Urlaub mache"
Miete: Meine Warmmiete beträgt 755 Euro für 42 Quadratmeter inklusive Balkon. Das sind eben die Münchner Wohnungspreise. Hinzu kommen 31 Euro für Strom. Dafür heize ich sehr wenig. Auch ohne die Heizung anzumachen, ist es fast immer warm in der Wohnung. Schlägt man also das bisschen Heizung und Wasserkosten mit drauf, lande ich bei rund 800 im Monat.
Lebensmittel: Ich würde hierfür 30 Euro pro Tag veranschlagen. Das ist eher großzügig, beinhaltet aber auch das regelmäßige Take-away-Mittagessen. Ich kaufe nicht ausschließlich, aber sehr oft Bio-Lebensmittel – entweder im Supermarkt oder im Bioladen um die Ecke. Das ist dann etwas teurer. Jetzt, wo alles geschlossen ist, koche ich viel zu Hause. Aber üblicherweise esse ich zweimal pro Woche auswärts. Ich achte darauf, immer Vitamine zu Hause zu haben. Für Nahrungsergänzungsmittel gebe ich deshalb noch zusätzlich Geld aus. Auf den Monat gerechnet sind das also insgesamt 900 Euro.
"Ich kaufe mir dann eine neue Jeans, wenn die alte löchrig ist." Florian Dennig, 42, Unternehmensberater
Kleidung: Ich kaufe meine Kleidung immer in Schüben. Manchmal länger gar nichts, dann wieder einiges auf einmal. Ende vergangenen Jahres habe ich einige alte Hemden entsorgt und dann Ersatz gekauft. Ich kaufe mir dann eine neue Jeans, wenn die alte löchrig ist. Aber eigentlich habe ich nicht viele Klamotten. Die kaufe ich auch meist in denselben Läden ein. Das sind nicht die günstigsten, aber dafür hält die Kleidung länger. Ich schätze meine Ausgaben für Alltagsklamotten und Schuhe deshalb auf 150 Euro pro Monat.
Hygieneprodukte: Zum Friseur gehe ich drei- bis viermal pro Jahr. Das ergibt durchschnittlich 13,33 Euro im Monat. Und sonst kaufe ich einfach echt wenig Drogerieartikel. Ich benutze Seifen, meine Freundin mischt Mundwasser selbst an – so bleibt einfach nicht viel übrig. Maximal 25 Euro im Monat, würde ich schätzen.
Telefon und Internet: 39,99 Euro zahle ich monatlich fürs Internet zu Hause. Und für das Handy kommen als Kombipaket noch einmal zwölf Euro obendrauf. Zusammen sind das also 52 Euro.
Abonnements: Ich gebe im Moment 70 Euro im Monat für Abos aus. Dazu zählt ein Spiegel-Plus-Abo für 19,99 Euro. Für Filme und Serien habe ich ein Netflix-Abo für 12,99 und Amazon Prime für 7,99 Euro. Aktuell habe ich DAZN für Sport, was mich 11,99 Euro im Monat kostet. Auch Sky hatte ich früher, habe dann aber wieder gekündigt. Musik höre ich noch auf CDs und einzelne Titel auf YouTube. Meine Ausgaben für neue CDs sind allerdings verschwindend gering, die meisten bekomme ich geschenkt. Der Rest geht für Abo-Leichen drauf, die ich nicht nutze und endlich kündigen möchte.
"Den ÖPNV nutze ich fast nie." Florian Dennig, 42, Unternehmensberater
Transport: Den ÖPNV in München nutze ich fast nie. Am ehesten mache ich das, wenn ich auf Dienstreise gehe und den Weg zum Hauptbahnhof mit der U-Bahn fahre. Aber das zählt genauso wenig als private Ausgabe wie mein Leasingdienstwagen. In der Stadt fahre ich fast alle Wege mit dem Fahrrad. Für Reparatur und Ersatzteile zahle ich deshalb vielleicht 20 Euro monatlich. Ich habe allerdings noch einen alten Opel Astra von 1997. Das ist natürlich eine alte Kiste, aber macht Spaß zu fahren, auch wenn ich es nicht oft tue. Inklusive Versicherung, Steuern und Sprit kostet mich das 100 Euro im Monat. Meine Transportausgaben liegen also bei ungefähr 120 Euro.
Versicherungen: Ich habe vor etlichen Jahren eine Lebensversicherung abgeschlossen, in die ich aber nicht mehr einzahle, mir sind die Versicherungsnebenkosten zu hoch. Ansonsten habe ich die üblichen Standardversicherungen: Private Krankenversicherung, Haftpflicht-, Hausrats-, Berufsunfähigkeits-, Unfall- und Berufshaftpflichtversicherung. Die meisten davon habe ich freiwillig abgeschlossen, manche Auftraggeber erwarten aber auch eine Berufshaftpflicht bei Freelancern. Zusammen zahle ich für meine Versicherungen 580 Euro pro Monat.
Freizeit: Ich bin Mitglied im Deutschen Alpenverein, für jährlich 62 Euro. Auch in Jahren, in denen ich auf keiner einzigen Hütte war. Im Winter gehe ich langlaufen und auf Skitouren. Im Sommer Rad fahren und am liebsten Fußball spielen. Bis vor zwei Jahren spielte ich in einer Freizeit-Fußballliga und seit mehr als 15 Jahren in einer Hobbyfußballmannschaft. Der Mitgliedsbeitrag dort liegt bei zwölf Euro im Monat. Wenn es wieder möglich ist, möchte ich wieder regelmäßig im Studio Yoga machen. Vor Corona bin ich alle zwei Wochen ins Studio gegangen. Die Zehnerkarte kostet 120 Euro, ich würde hier also 40 Euro im Monat ansetzen. Dann habe ich drei Fahrräder zu Hause und werde mir demnächst ein weiteres Rennrad zulegen. Wenn ich das mit einrechne und teurere Sportklamotten – Fußballschuhe, Regenjacke, Skiausrüstung – dazuzähle, kommen 100 Euro pro Monat dazu. Und dann natürlich die üblichen Dinge, die man unregelmäßig macht: mal ins Kino, mal ins Theater oder zu einem Konzert. Da kommt man schnell auf 50 Euro für sonstige Freizeitaktivitäten, aber im Moment fällt das ja weg. Mit 300 Euro Gesamtausgaben komme ich im Monat aus.
"Ich mache keine teuren Flugreisen."
Reisen:
Das müssten 250 Euro pro Monat sein. Ich mache eigentlich keine teuren
Flugreisen. Ich bin froh, wenn ich überhaupt Urlaub mache. Das heißt für
mich dann, eine Woche Surfcamp zu machen oder auch zwei. Das kann man
luxuriöser machen oder auch nicht – ich bin meistens irgendwo in der
Mitte. Ich bin dann nach Portugal oder Südfrankreich gefahren, entweder
geflogen oder mit Zug und geteiltem Auto. Alternativ fahre ich mal nach
Italien oder Skandinavien.
"Als Selbstständiger sind meine Investments auch meine Altersvorsorge." Florian Dennig, 42, Unternehmensberater
Sparen: Als Selbstständiger sind meine Investments auch meine Altersvorsorge. Ich bin weder freiwillig rentenversichert noch riestere ich. Stattdessen investiere ich im Monat 800 Euro in einen Sparplan. Je nachdem wie ein Jahr läuft, kommen weitere Einzelzahlungen dazu. Zusammen können das auch mal 3.000 Euro im Monat sein. Dieses Geld fließt in Aktienfonds, in Edelmetalle – vor allem Gold und Silber – und zusätzlich in Institute, die Mikrokredite vergeben. Das ist eine mittelfristige Anlage, weil ich Anleihen nicht wie Aktien jederzeit verkaufen kann, sondern nur zu bestimmten Terminen im Jahr. Zusammen habe ich eine breite Streuung in den Investments, das federt das Risiko ab. Das ist keine aggressive Investmentstrategie, sie passt gut zu mir und meiner Lebenssituation. Insgesamt habe ich bisher 350.000 Euro angelegt.
Was am Ende übrig bleibt:
Die Frage, wie viel am Monatsende übrig bleibt, stelle ich mir gar
nicht. Ich rechne so: Wenn ich 72.000 Euro Umsatz im Jahr habe, komme
ich ungefähr auf eine schwarze Null. Damit kann ich alle Kosten
abdecken. Meistens liege ich aber über dieser Summe, meistens bei
ungefähr 6.000 Euro am Jahresende, die ich investiere.
Wenn Sie uns auch erzählen möchten, was Sie beruflich machen, wie viel Sie verdienen und was die Corona-Krise für Sie verändert hat, schreiben Sie uns an kontoauszug@zeit.de.
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