Die Verehrung von Diego Maradona in Argentinien ist nach seinem Tod enorm groß. Ehemalige Mitstreiter fürchten jedoch, dass es Streit um Maradonas Erbe geben wird. Derweil werden Plätze und Straßen nach ihm umbenannt.
Von Viktor Coco | 28.11.2020
„Die Erinnerungen an
Diego haben mich sonst eigentlich immer aufgeheitert“, sagt Jorge
Valdano, Weltmeister von 1986 an der Seite Maradonas, bevor es ihm die
Sprache verschlägt. Dem heute gestandenen Medien-Profi treibt es im
spanischen Fernsehen Tränen in die Augen. Auch Sergio Goycochea zerreißt
es das Herz live auf Sendung. „Ein Teil meines Lebens ist von mir
gegangen“, schluchzt Argentiniens Torhüter der WM 1990.
Tumulte bei Maradonas Totenwache
So
wie den beiden ehemaligen Nationalspielern erging es Dutzenden
Ex-Fußballern und Journalisten live im TV. Und Hunderttausenden
Argentiniern auf den Straßen des Landes. Diese tiefe Trauer und
Anteilnahme, die bei einem Todesfall meist nur nahestehende Angehörige
empfinden, überwältigte beim Tod von Diego Armando Maradona am
vergangenen Mittwoch die Menschen überall in Argentinien. Für
Außenstehende mag dies schwierig nachvollziehbar sein, erklärt aber den
Mythos Maradona viel besser als nur seine Tore und Tricks.
Die
Dramaturgie, die Maradonas Leben auszeichnete, gipfelte in seinem Tod.
Drei Tage Staatstrauer, Aufbahrung im Präsidentenpalast. Doch plötzlich
fordert die Familie ein abruptes Ende dieser Huldigung durch die Massen.
Es folgen Tumulte, Fans stürmen das Gebäude und während ein letztes Mal
alle an Maradona zerren, verbreitet der Bestatter Selfies mit dem
Leichnam. Selten war der Tod so exzentrisch.
Straßen und Plätze werden nach Maradona benannt
„Diego
wird eine jener Persönlichkeiten, die niemals sterben. Denn er war
riesig. Diego war ein unermesslicher Mensch. Unermesslich! Unermesslich!
Und ich sage es nochmal: Unermesslich.“ So emotional reagierte selbst
der argentinische Staatspräsident Alberto Fernández in einem Interview.
Mit jener typisch argentinischen, informellen Art wie Fußballfan aus der
Mitte des Volkes. „Welcher vernünftige Argentinier kann Diego
irgendetwas vorwerfen? Wenn er uns, mit allem, was er getan hat, nur
Freude bereitet hat? Mit welcher moralischen Autorität könnte man über
Diego urteilen?“
Fernández‘
Lieblingsklub ist Argentinos Juniors, jene Talentschmiede aus dem
Herzen von Buenos Aires, in der Maradona einst seine ersten Kunststücke
zeigte. Das Vereinsstadion von Argentinos heißt schon seit Jahren
‚Estadio Diego Armando Maradona‘ ‒ eine Huldigung zu Lebzeiten, wie sie
nun posthum vielfach folgen wird. Mehrere Bürgermeister kündigten schon
an, Plätze und Straßen nach dem Superstar benennen zu wollen. Und auch
in Neapel, jenem Ort der größten Erfolge Maradonas im europäischen
Fußball, wo er bis heute fast wie ein Heiliger verehrt wird, soll das
Stadion bald seinen Namen tragen.
Streit um das Erbe Maradonas?
„Das
einzige, was ich mir jetzt wünsche, ist, dass sie Maradona nicht weiter
ausschlachten.“ Fürchtet Jorge Burruchaga, der Torschütze des
Weltmeister-Treffers 1986 gegen Deutschland und meint dabei gerade nicht
die Ehrungen einer Nation, sondern das unmittelbare Umfeld des
verstorbenen Weltstars. Eine Schlammschlacht um sein finanzielles und
symbolisches Erbe ist innerhalb von Maradonas Ex-Partnerinnen, Kindern,
Anwälten und falschen Freunden wohl kaum auszuschließen.
In
sozialen Netzwerken erzählen derweil Argentinier aus aller Welt in
Anekdoten, wie sehr die Wahrnehmung ihrer Nationalität überall mit
Maradona verknüpft war. Auch Staatspräsident Fernández erinnert an die
immense internationale Strahlkraft. „Mir haben der Vize-Außenminister
von Mexiko oder auch der spanische Präsident geschrieben, um mir ihr
Beileid auszudrücken. Diego war Argentinien in der Welt!“
Messi ist kein Maradona
Dabei
trifft dies zumindest für die unter 30-Jährigen Fußballfans eigentlich
nicht mehr zu. Für sie ist das Synonym für Argentinien längst Lionel
Messi. „Die Last für den armen Messi wird jetzt noch viel schwerer
werden. Die Last dieser Nummer zehn, die Diego getragen hat, war schon
immer ein schweres Erbe.“
Vielleicht
wird diese Last aber auch geringer. Denn unabhängig von der sportlichen
Leistung haben alle Rückblicke auf wundersamen Anekdoten und markigen
Zitate, sowie die hochemotionale Anteilnahme am Tod Maradonas
aufgezeigt, wie weit weg Lionel Messi doch eigentlich von Maradona ist.
Die Argentinier verehren ihre Nationalhelden abgöttisch, umso mehr, wenn
diese zu jung verstarben; So wie Tangosänger Carlos Gardel oder die
einstige First Lady, die „Präsidentin des Volkes“ Evita Perón.
Gerade
im letzten Jahr als Trainer des Erstligisten Gimnasia de La Plata war
Maradona äußerst präsent in seinem Heimatland. Vor der Pandemie hatten
ihm die gegnerischen Fans bei allen Auswärtsspielen riesige Empfänge
bereitet, vielfach wurden Plaketten und andere Geschenke überreicht. Es
war, wie man nun weiß, die Abschiedstournee.
Quelle: www.deutschlandfunk.de
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