Peter Erben ist der letzte Überlebende der Liga Terezín, der Fußball-Liga des Ghettos Theresienstadt. Er erinnert sich an Tausende Zuschauer - und keine Fouls.
Peter Erben stützt sich auf seinen Rollator und scherzt, weil er, der Sportler, nun nicht mehr alleine laufen kann. Erben, fast 94 Jahre alt, lebt mit seiner Frau Eva in der israelischen Stadt Aschkelon, rund 120.000 Einwohner, eine Stunde von Tel Aviv entfernt und nur 15 Minuten von der Grenze zu Gaza. In einem aufgeräumten, hellen Häuschen mit Möbeln, in die man einsinkt.
Erbens Schreibtisch ist umsäumt von Regalen, die bestückt sind mit Ordnern voller Erinnerungen: Zeitungsausschnitte, Bilder, kopierte Dokumente. Dazu Bücher von ihm über seine Zeit im Ghetto, auf Deutsch, Tschechisch, Hebräisch. An der Wand hängen Bilder von seiner Familie: drei Kinder, neun Enkel, zwölf Urenkel. Obwohl viel in seinem Haus an vergangene Zeiten erinnert, darf man nicht glauben, dass Peter Erben, weiße Haare, große Augen, im Gestern lebt. Seine Frau und er diskutieren den Sinn und Unsinn von Pegida in Deutschland oder die Absage des Karnevalsumzugs in Braunschweig.
Doch Erben will heute über die Vergangenheit sprechen. Er gibt gerne Auskunft, er will die Erinnerung wachhalten. Aus gutem Grund. Peter Erben ist der letzte Überlebende der Liga Terezín, der Fußball-Liga des Ghettos Theresienstadt.
Auch ehemalige Profisportler dabeiFußball im Ghetto, Sport neben dem Leid des Lagers, das klingt zunächst einmal absurd. Für Peter Erben war das nur natürlich. "Ich habe mich nicht wie ein Gefangener gefühlt", sagt er. "Ich habe gewusst, ich bleibe in einem Ghetto, weil ich wahrscheinlich von den Deutschen als Schädling verstanden werde. Aber ich dachte, der Krieg würde zu Ende gehen und dann gehen wir zurück nach Hause."
Erben, geboren 1921, hatte seine Jugend in der Tschechoslowakei verbracht, nach der Schule eine Lehre gemacht. Er war Leichtathlet, spielte Hockey und Fußball bei Makkabi Brünn. Im September 1942 wurde Erben im Ghetto Theresienstadt interniert, ihm wurde eine Arbeit zugeteilt, er kümmerte sich um die Jugendlichen im Lager. Anders als man annehmen könnte, hatte Erben nach der Arbeit Freizeit und auch noch Kraft übrig - er machte Leichtathletik, das ging alleine. Nach einiger Zeit fragten ihn seine Kollegen, ob er nicht für die Mannschaft der Jugendfürsorge Fußball spielen wolle.
Also wurde Erben Verteidiger in der sieben Spieler starken Mannschaft, die anfangs gegen elf andere Mannschaften antrat: gegen das Team der Metzger, der Köche, der Wiener in Theresienstadt. Darunter "Fachleute", wie Erben sie nennt, ehemalige Profisportler und Schiedsrichter. Er betont, wie professionell die Organisation vonstattenging, und auch, wie sehr den Menschen im Ghetto am kulturellen Leben gelegen war.
"Wir waren Freunde"Der Fußball im Ghetto sei anders gewesen als heute, sagt Erben. Es sei nicht gefoult worden, weil nicht auf Gras gespielt wurde, sondern auf Kohle . "Im Ghetto jemanden in eine Situation zu bringen, wo er ärztliche Behandlung gebraucht hätte, war undenkbar. Wir waren Freunde." Am modernen Fußball kritisiert Erben, dass Spieler ihre Heimatvereine für Geld verlassen, und auch den nächsten Verein wieder verlassen. Wo bleibe da der Patriotismus, die Loyalität?
60.000 Menschen lebten in Theresienstadt, einer Festung, die ursprünglich für 7.000 ausgelegt war. Sie führten ein gedrängtes Leben und waren bemüht, etwas zu finden, das sie interessierte, so Erben: "Das einzige was schön war, waren die Freizeitgestaltung und der Fußball." Die Spieler der Liga Terezín waren umjubelt, Tausende schauten zu, Jugendliche schrieben Artikel über die Spiele - und jeder kannte Peter Erben.