Hassib arbeitete in Afghanistan für die deutsche Entwicklungshilfe, bis radikale Islamisten ihn vergifteten. Jetzt spielt er als Flüchtling in Berlin Fußball.
Ein paar Eifrige stehen schon auf dem Feld. Das Training hat noch nicht begonnen, aber sie nutzen jede Minute, auf dem Kunstrasen zu spielen. Eine Flanke fliegt von der Seite heran, ein Spieler im weißen Hemd köpft, der Ball zappelt im rechten Winkel. Mir Sulaiman Hassib, grüne Trainingshose, rot-schwarzes Poloshirt, ist vergebens hinterhergehüpft. Er lacht. Hassib trainiert jede Woche mit den "Champions ohne Grenzen". Er ist afghanischer Flüchtling in Deutschland. Auf dem Fußballfeld spielt er defensiv.
Das war nicht immer so. In Afghanistan arbeitete Hassib für deutsche Entwicklungshilfeorganisationen. Und er spielte im Sturm. Aber stürmen kann der 34-Jährige nicht mehr. Vor vier Jahren wurde er vergiftet. Menschen, die Hassib als Ungläubigen bezeichneten, mischten ihm etwas in sein Essen. Vermutlich war es verunreinigtes Heroin. Hassib lag zwei Tage lang im Koma und ist bis heute auf der rechten Seite teilweise gelähmt.
Seit sieben Monaten ist Hassib in Deutschland, seit vier Monaten trainiert er einmal in der Woche gemeinsam mit anderen Flüchtlingen auf dem Fußballplatz des SV Hansa 07 in Berlin-Kreuzberg. Meistens sind es 20, manchmal bis zu 50 junge erwachsene Männer aus Mali, Afghanistan, Irak, Iran, Bangladesch, Palästina oder Kamerun, die sich dort zum Kicken treffen. Ein Banner mit rotem Schriftzug ist am Gatter angebracht. "Kein Platz für Gewalt" steht darauf. "Für mich ist Fußball Einheit in der Verschiedenheit", sagt Hassib. Er habe neue Freunde gefunden, aus allen Ecken der Welt.
Carolin Gaffron trainiert die "Champions ohne Grenzen". Sie ist einen Kopf kleiner als die meisten ihrer Spieler, hat kinnlange Haare und grüne Augen. Ihre Spieler umarmen sie zur Begrüßung, plaudern mit ihr. Viele können Deutsch, mit anderen spricht sie Englisch oder Französisch. Bevor es losgeht, holt Gaffron Fußballschuhe und -Klamotten für diejenigen, die nichts dabei haben. Manche Flüchtlinge sind erst seit ein paar Wochen in Deutschland, andere seit drei Jahren.
Spitzenfußballer bei KiezturnierenIm Training ist jeder Flüchtling aus Berlin willkommen. Viele kommen jede Woche. Von denen, die im Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf wohnen, war noch keiner dabei. Gegen das neue Heim hatten Anwohner vor wenigen Wochen protestiert, viele Flüchtlinge haben Angst, wollen wieder ausziehen. Gaffron überlegt, ein Freundschaftsspiel zu organisieren - zwischen Anwohnern aus Hellersdorf und Bewohnern des Heims.
Das wöchentliche Training der "Champions ohne Grenzen" findet seit 2012 statt. Einige Monate zuvor hatte Gaffron den Verein "Weil Fußball verbindet" gemeinsam mit anderen gegründet, um verschiedene gesellschaftliche Gruppen durch den Sport zusammenzubringen. An Wochenenden trägt Gaffrons Team Kiez-Turniere oder Freundschaftsspiele aus, zum Beispiel gegen die dritte Mannschaft von Türkiyemspor Berlin. Frauen sind nicht dabei, obwohl ihnen das Training offenstände. Gaffron würde gerne ein eigenes Training für sie anbieten, aber dafür sucht sie noch Trainingszeiten oder einen neuen Platz.
Mit grünen und orangefarbenen Leibchen haben sich die Spieler in Teams geteilt, auch Gaffron ist dabei. Die Pässe kommen an, das Kombinationsspiel funktioniert meistens. Einige dribbeln mit Tempo, andere zeigen Einsatz durch Grätschen. Kommandos werden auf Deutsch, Französisch oder Arabisch über den Platz geschleudert. Von diesen Spielern können manche Vereine nur träumen, sagt Carolin Gaffron: "Einige haben schon in der kamerunischen ersten Liga, in der kenianischen Jugendauswahl und in der iranischen ersten Liga gespielt." In Deutschland ist Fußball aber vor allem Spaß und Ablenkung für die Flüchtlinge. Sie spielen unter Freunden und können sich zwei Stunden lang von der Frage ablenken, wie lange sie wohl noch bleiben dürfen.