Anmoderation:
Im Wohnwagen oder in einem Häuschen ohne Strom und Wasser übernachten – das ist für manche eine romantische Vorstellung von einem Urlaub am Meer. Zum Beispiel in Istrien, der beliebten Urlaubsregion in Kroatien. Dort müssen allerdings Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, mit solchen und anderen provisorischen Unterkünften Vorlieb nehmen. Wenn sie nicht buchstäblich auf der Straße leben. Obdachlosigkeit ist in Istrien noch eine recht neue Erscheinung. Hilfsangebote gibt es auf der Halbinsel nur in der Küstenstadt Pula. Eines davon ist ein neues Übernachtungshaus. Ulrike Schult hat mit der Initiatorin gesprochen.
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Beitrag:
Eine Straße am Rand der Küstenstadt Pula, nicht weit vom römischen Amphietheater und der ehemaligen Werft. Hier eröffnet in einigen Tagen eine Notschlafstelle für 15 Obdachlose. Varja Bastiančić und ihr Verein haben die Idee dazu gehabt. Die Räume im Erdgeschoss eines Wohnhauses auszubauen war gar nicht so einfach, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz:
„Ungeachtet dessen, dass das Haus buchstäblich auseinanderfällt, darf man nichts dran machen. Ich bin am Ende zu einem Treffen mit dem Bürgermeister gegangen und habe gesagt „Ich werde Kunstofffenster einbauen, ich werde die Tür, ein Bad, eine Küche und eine Toilette einbauen – du kannst mich gern verklagen.“
Das war vor etwa einem halben Jahr – verklagt hätte sie bisher niemand, lacht die dunkelhaarige Frau. Sie ist optimistisch, dass sie in ein paar Tagen die ersten Obdachlosen aufnehmen kann.
Varja Bastiančić
„Von 19 bis 22 Uhr können die Leute reinkommen, etwas essen, wenn sie sich umziehen wollen, sich umziehen. Sie können duschen und ihre Sachen waschen und trocknen.“
Eigentlich hilft Varja Bastiančićs Verein Heroinabhängigen dabei ihre Sucht zu überwinden, mittlerweile unterstützt er aber auch Obdachlose. Bastiančić war selbst einmal heroinabhängig und hat auf der Straße gelebt. Damals hat auch sie Hilfe bekommen und im Leben wieder Fuß gefasst. Wie sehr Obdachlose in der Gesellschaft ausgegrenzt werden, ärgert Bastiančić. Aber es gebe auch Lichtblicke, erzählt sie, wie zum Beispiel beim Umbau der Notschlafstelle.
Varja Bastiančić
"Wenn man etwas Gutes beginnt, ist es unglaublich, was das bei anderen Menschen auslöst. In kürzester Zeit hatte ich einen Elektriker, der gesagt hat „Varja, kauf das Material, meine Arbeit spende ich . Es kam ein Zweiter der sagte „Und ich erledige das und das.“ Und ein Dritter: „Ich kümmere mich da und dadrum“. Alle Arbeit auf der Baustelle, buchstäblich die ganze Arbeit wird von Freiwilligen gemacht. Nicht einmal ein Mittagessen haben sie mich bezahlen lassen."
Beim Staat dagegen vermisst Varja Bastiančić oft den Elan, Probleme anzugehen. Zum Beispiel, wenn jemand Notunterkünfte und Sozialhilfe in Anspruch nehmen wolle. Hier seien die bürokratischen Hürden für viele Obdachlose einfach zu hoch. Und so würde schon die offizielle Statistik an sich viel zu kurz greifen. Die nämlich zählt 500 Obdachlose in ganz Kroatien. Von gut vier Mal so vielen gehen dagegen Hilfsorganisationen aus –Tendenz steigend.
Irgendwann einmal wieder eine Wohnung zu bekommen, das wird für Obdachlose gerade an der kroatischen Küste immer schwieriger. Die Immobilien- und Mietpreise haben in den letzten Jahren kräftig angezogen. Und allzu oft werden Apartments vorrangig an zahlungskräftige Urlauber vermietet. Eine kleine Einraum-Wohnung in Pula kostet mindestens 300 Euro. Wohnungslose haben da mit 130 Euro Sozialhilfe praktisch keine Chance.
Diese Probleme löst das neue Übernachtungshaus nicht. Aber erst einmal einen würdigen Ort zum Übernachten, den will Varja Bastiančić damit schaffen:
Varja Bastiančić
"Das Ziel ist: jemandem Respekt und Liebe entgegen zu bringen, wenn er zu uns kommt. Ihn willkommen zu heißen. Mein Leben hat gezeigt, dass das der einzige Weg zum Menschen ist."
Zugehöriger Online-Artikel: https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/kroatien-obdachlos-pula-100.html
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