Fernsehreklame-Sprecher: „Jetzt aber schnell, Peter wird gleich da sein – mit einem Bärenhunger.“
Kriegsende, Währungsreform. Die Schornsteine der jungen Bundesrepublik rauchen wieder und im Fernsehen wirbt Frau Renate 1954 für Dr. Oetker-Produkte. Man hat schließlich Hunger – und Frau die wichtige Aufgabe, ihn zu stillen.
Fernsehreklame „Frau Renate“: „Ja. Und das allerwichtigste für ihn – ist der Pudding.“
Auch damals schon ist die Marke für Back- und Puddingpulver längst Tradition. Und in der Hand der dritten Generation nach der Firmengründung. Rudolf-August übernimmt kurz vor Kriegsende das Bielefelder Familienunternehmen und baut es in den folgenden Jahrzehnten zum weltweiten Konzern aus. Heute gehören zur Oetker-Gruppe eine Reederei, Hotels, mehrere Großbrauereien und Getränkemarken. Ein geschätztes Vermögen von vier Milliarden Euro. Die meisten Deutschen aber denken bei Dr. Oetker nach wie vor an Kuchen – an Pudding, angerührt mit Liebe aus dem Tütchen. Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl aus Trier.
Daniel Kofahl: „Dr. Oetker als Marke steht erstmal für eine lange Tradition. Das heißt, man weiß, dass die schon was geleistet hat. Man weiß, dass schon andere Generationen erfolgreich gekocht haben, wie das Renate in diesem Werbespot sagt: Ihre Mutter hat das schon gesagt, und inzwischen sind wir ja schon mehrere Generationen weiter: Unsere Mütter haben mit diesem Produkt gekocht und inzwischen haben auch wir oder teilweise unsere Väter damit gekocht. Das heißt, man hat ein gewisses Markenvertrauen. Es ist natürlich auch eine Marke, die dafür steht, dass sie den Wandel der Zeit immer wieder überlebt hat, sie ist also anpassungsfähig...“
Dr. Oetker hat es bestens verstanden, sich den Zeiten anzupassen. Und nicht nur den Geschmackstrends, sondern auch der politischen Wetterlage. Während des Nationalsozialismus und sogar während des Zweiten Weltkriegs gediehen die Geschäfte im Hause Oetker prächtig. Richard Kaselowsky, der Stiefvater von Rudolf-August Oetker und damals Firmenchef, hatte dafür gesorgt – mit zweifelhaften Verbindungen. Kaselowsky spendete eifrig für den Freundeskreis Heinrich Himmler, den Chef der SS. Sven Keller, Historiker am Münchner Institut für Zeitgeschichte, ist Mitautor einer Studie über die Rolle Dr. Oetkers im Nationalsozialismus, die das Unternehmen 2007 selbst in Auftrag gab.
Sven Keller: „Also strategisch günstig war das auf jeden Fall, es ging auch im NS-Staat immer darum, Netzwerke aufzubauen, und vor allem auch darum, in der Kriegswirtschaft zunehmend knapper werdende Rohstoffe zu sichern. Eines der wichtigsten Grundprodukte ist Stärke. Und das war zunehmend auch ein knapper Rohstoff.“
Mit seiner Nähe zum Regime und zur Heeresleitung sicherte sich Dr. Oetker einen besonders großen Auftrag: Einmal in der Woche sollten Wehrmachtssoldaten Pudding zu essen bekommen. Das Pulver und die Rezeptur kamen aus Bielefeld. Rudolf-August Oetker, Ziehsohn von Richard Kaselowsky und Firmenerbe, bekam sogar einen Posten in der Nahrungsmittelversorgung der Wehrmacht. Ehe er in die Waffen-SS eintrat. Wohl auch aus Überzeugung.
Sven Keller: „Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich niemand freiwillig zur Waffen-SS meldet, der nicht ein Stück weit in weltanschaulicher Übereinstimmung mit dem Regime steht. Also, das muss man so deutlich sagen. Oetker ist damals Ende 20, also er ist 27, als er diese Entscheidung fällt – da kann man nicht mehr von Jugendsünden sprechen.“
Oetker selbst hat nach dem Krieg seine SS-Mitgliedschaft mit Vorteilen für die eigene Karriere begründet. Fakt ist, dass der junge Firmenerbe einen Teil seiner paramilitärischen Ausbildung in Dachau absolvierte - in der SS-Führer-Schule direkt neben dem Konzentrationslager. Er muss also vom NS-Terror gewusst haben. Fakt ist auch: Oetker musste trotz seiner SS-Mitgliedschaft nie an die Front. Und er wurde vom Dienst freigestellt, als 1944 sein Stiefvater bei einem Bomardement starb – und er das Unternehmen übernahm. Die Produktionsanlagen in Bielefeld waren kaum zerstört – und die Dr.-Oetker-Tütchen blieben erschwinglich. Der wirtschaftliche Erfolg stellte sich bald wieder ein.
Sven Keller: „An sich ist Rudolf-August Oetker einer dieser klassischen Industriekapitäne, die ja prägend für diese Zeit sind. Auch für die soziale Marktwirtschaft: Familienunternehmen. Er muss ja auch ein charismatischer Mensch ein Stück weit auch gewesen sein. Gleichzeitig sind die Umstände aber auch so, dass sie für eine Firma wie Dr. Oetker einfach auch gut sind.“
Auf die Fresswelle folgt die Entdeckung der Nachbarländer. Zum Altbewährten kommt Exotisches hinzu:
Fernsehreklame Werbesprecher: „Pizza Romana – eigentlich ist sie von Dr. Oetker und aus der Tiefkühltruhe. Hmmm. Wonderful!“
Auch diesen Trend in den Siebzigern hat Firmenchef Rudolf-August nicht verschlafen. Einer Aufarbeitung seiner nationalsozialistischen Vergangenheit hat er sich zu Lebzeiten verweigert, auch wenn schon Ende der 60er Jahre Jugendliche die NS-Kollaboration der Firma anprangerten. Erst nach seinem Tod im Jahr 2007 finanzierten seine Kinder die erwähnte Studie, die das NS-Kapitel der Firmengeschichte gründlich aufarbeitete und öffentlich machte.
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