Österreich hat gewählt, in einer ersten Schauerrunde, Deutschland wird schon auch wieder wählen. Oh Graus. Nie war es so leicht wie heute, sich führen, verführen zu lassen und zu rufen: "Wir sind das Volk". Von uns aus, aber wer bitte will da noch "wir" sein?
Vox
FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache
Das große Latinum braucht man zum Glück nicht um politisch mitzureden. Wir vom Volk erheben uns und reden wie uns der Schnabel wächst. Nicht nur auf dem Parteitag der AfD oder dem schaurig stolzen Freudenfest nach der Präsidentenwahl in Österreich. In der Demokratie ist das Volk angeblich alles, seine Stimme erhebt es in Wahlen, wo es schon mal das Kreuz an der schmerzlich richtigen Stelle macht. Oder es geht gleich als "Pack" auf die Straße. Sind alles wir, wir haben's zu verantworten, wenn die Demokratie den Bach runtergeht, die Donau, die Spree, die Isar, den Mainstream.
Populi
Die Delegierten auf dem AfD-Parteitag stimmen ab
"Des Volkes" sind in der modernen, also postpostmodernen Demokratie inzwischen fast alle Angelegenheiten, vom Fußball über öffentliche Trauerfälle bis zur berechtigten Wut auf die da oben. Da dies Volk nur alle vier Jahre zur Wahl aufgerufen ist - und nur ab und zu mal direkt über etwas abstimmen darf, so oft, bis es denen da oben wirklich passt -, drum geht es auch mal auf die Straße und ruft: Ihr seid es nicht! Ihr Machthaber und Geldsäcke und Emigranten und Flüchtlinge und nicht Deutsche oder Österreicher oder Erdenbürger. Verstanden?
Bovi
Gaius Julius Caesar, ein Volkstribun (hier dargestellt von Gottfried John im Film "Asterix und Obelix gegen Cäsar")
Wie der Ochs vorm Berg steht der Bürger inzwischen da und fragt sich, woher er diese Wut hat. Warum nicht alle auf sein Kommando hören. Warum immer noch rot-grüne 68er das Sagen haben - und nicht wir. WIR. Die Stimme des Volkes droht mitunter heißer zu werden und zu klingen wie die eines hüftlahmen Stieres - oder war es doch nur ein Ochs? Egal, grölen wir mit, singen, rufen, feiern wir: '54, '74, '90... 2016? Ach was, schweigen wir lieber!
Redaktion und Moderation: Lukas Hammerstein Musikauswahl: Roland Spiegel
Schriftsteller, Jurist, Journalist, Jahrgang 1958, Moderator und Redakteur von "Jazz & Politik"