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Berauscht von der eigenen Mentalität: Leverkusens Sieg gegen Dortmund


Leverkusen hat erstmals in dieser Saison eine Partie gedreht. Entscheidend dafür war auch Nadiem Amiri, der in ungewohnter Rolle agierte. Trainer Bosz war vom Willen seines Teams begeistert.


Aus Leverkusen berichtet Tim Beyer


Ganz am Ende eines langen Bundesligaspieltags erzählte Leverkusens Trainer Peter Bosz eine Geschichte, die davon handelte, wie der Wille in der Partie gegen Dortmund eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Weil Kapitän Lars Bender bei einem Foulspiel von Axel Witsel einen Schlag aufs Knie abbekommen hatte, rechnete Bosz damit, dass er wechseln müsse. Doch dann, sagt Bosz, sei Bender auf ihn zugekommen und habe gesagt: "Trainer, gib mir noch eine Minute." Bosz gab ihm noch eine Minute, Bender blieb auf dem Platz und köpfte den Siegtreffer.


Das 4:3 (2:2) von Bayer Leverkusen gegen Borussia Dortmund war ein denkwürdiges Spiel, vielleicht das aufregendste dieser Bundesligasaison. Eines, das viele Geschichten schrieb. Etwa die von Lars Bender, der traf, als er eigentlich gar nicht mehr mitspielen sollte. Die von Kevin Volland, der wieder zwei Tore erzielte. Oder die von Verteidiger Edmond Tapsoba, der bei seinem Bundesligadebüt mitverantwortlich dafür war, dass Erling Håland erstmals in einem Pflichtspiel für den BVB kein Tor erzielte. Doch eine Geschichte stach heraus, die von Nadiem Amiri.


"Ich hatte Gänsehaut", sagte Amiri, als er gefragt wurde, wie er denn jene 82 Sekunden miterlebt habe, in denen Leverkusen das Spiel mit zwei Toren gedreht hatte. Es war ein Auftritt, wie ihn Amiri länger nicht erlebt hat. Gegen Dortmund machte er wohl sein bestes Spiel für Leverkusen, die Vorlage für Kevin Vollands Führungstreffer war wunderbar. Es könnte das Ende einer langen Suche sein.


Vor der Saison hatte Leverkusen Amiri mit großen Erwartungen aus Hoffenheim verpflichtet, der Neue kam gleich als Vize-U21-Europameister. Seitdem ist einiges passiert im Leben von Amiri: Er hat mit seiner Freundin ein Haus in Düsseldorf gekauft. Im Herbst hat Bundestrainer Joachim Löw ihn erstmals berufen und seitdem auch dreimal eingesetzt. Aber im Verein hatten sie für Amiri noch nicht den richtigen Platz gefunden.


"Nadiem ist ein Spieler, der zwischen den Linien spielt, einen guten Schuss hat, aber auch ohne Ball die Läufe in die Tiefe macht", hat Bosz einmal über Amiri gesagt. Oft hat Bosz ihn im zentralen offensiven Mittelfeld eingesetzt, manchmal auch auf den Außenbahnen, in diesem Jahr hatte Amiri aber noch nicht in der Startelf gestanden.


Amiris Empfehlung

Weil Bosz gegen Dortmund jedoch auf Kerem Demirbay, Julian Baumgartlinger, Charles Aránguiz und kurzfristig auch auf Neuzugang Exequiel Palacios, also auf gleich vier Sechser verzichten musste, war das taktische Geschick des Niederländers gefragt. Am Ende entschied sich Bosz erstmals in dieser Saison für eine Dreierkette in der Abwehr und zwei Sechser davor: Lars Bender und Amiri. 


Von ihm sei eine "Last abgefallen" als er von seiner Startelfnominierung erfahren habe, sagte Amiri. Natürlich sei er kein klassischer Abräumer im Mittelfeld, aber schon sehr ballsicher und er habe keine Angst, Bälle auch "unter Druck abzuholen". Er dürfte sich mit seinem Auftritt für weitere Einsätze empfohlen haben.


Für Bosz mag es hingegen eine besondere Genugtuung gewesen sein, dass seine Umstellungen ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub Dortmund aufgegangen sind. Gesagt hat er das so nicht, dafür ist er zu höflich. Es war das dritte Mal, dass Bosz als Leverkusener Trainer auf den BVB traf, die ersten beiden Duelle hatte er verloren.


Dass diesmal alles anders war, dafür präsentierte Bosz einen Erklärungsansatz, der Dortmunds Trainer Lucien Favre gar nicht gefallen haben dürfte. "Das Wichtigste heute war der Wille der Spieler", sagte Bosz und meinte damit wohl auch, dass seine Mannschaft erstmals in dieser Saison nach einem Rückstand noch gewonnen hatte. Zweimal lag seine Mannschaft gegen den BVB zurück, nur Sekunden vor dem 2:3 hatte Kai Havertz den Pfosten getroffen. Er müsse seiner Mannschaft deshalb ein "riesengroßes Kompliment" machen, sagte Bosz.


Es war schon ziemlich leer geworden in den Katakomben des Stadions, als Bosz noch einmal über dieses spektakuläre Fußballspiel sprach. Und wahrscheinlich hätte er noch eine Weile geschwärmt, wenn nicht irgendwann Co-Trainer Hendrik Krüzen aufgetaucht wäre. Krüzen sagte: "Komm jetzt, Peter, wir müssen feiern."

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