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U21-Nationalspieler Luca Waldschmidt: Zum Horst gemacht

Im Spiel der U21-EM gegen Serbien erzielte Luca Waldschmidt einen Hattrick - als zentraler Angreifer, der er eigentlich gar nicht ist. Trotzdem wird er jetzt mit einem bekannten ehemaligen Mittelstürmer verglichen.


Am Ende eines EM-Abends, der für die deutsche U21-Nationalmannschaft mit einer gut einstündigen Busfahrt zum Stadion in Triest begann und mit einem famosen 6:1 (3:0) gegen Serbien endete, sprach der Trainer Stefan Kuntz einen ebenso pragmatischen wie klugen Satz. "Einen Horst sehe ich bei uns nicht im Nachwuchs, und wenn man den nicht hat, dann muss man anders spielen", sagte er.


Der Horst, damit war natürlich Horst Hrubesch gemeint, der Nachfolger von Kuntz als Trainer der U21 und noch früher ein echter Mittelstürmer, großgewachsen und gefürchtet für seine wuchtigen Kopfbälle. Auch einfache Tore konnte Hrubesch gut.


Und natürlich stimmte das, was Kuntz den Journalisten da diktierte. Es steckte sogar eine ganze Menge drin in diesem Satz: Die Erkenntnis, dass es diesen Horst-Typ nicht mehr so oft gibt wie früher - und die Frage, ob das wirklich so schlimm ist? Auch die Andeutung, dass sie da beim DFB in ihrer U21 einen ausfindig gemacht hatten, der nun wirklich kein Horst-Typ ist, aber manchmal trotzdem Horst-Dinge tut: Luca Waldschmidt, 23 Jahre.


Drei Tore hatte Waldschmidt gegen Serbien erzielt. Eines davon war wunderschön, er schoss es nach einem feinen Solo über den halben Platz. Waldschmidt umkurvte drei serbische Verteidiger, so geschmeidig, dass es eine Freude war, ihm dabei zuzusehen. Dann zog er ab, wuchtig und platziert, es war sein zweiter Treffer. Tor eins und Tor drei hingegen erzielte Waldschmidt beinahe in Horst-Manier: Flanke antizipiert, Fuß hingehalten, gejubelt.


Nimmt man den Treffer aus dem Spiel gegen Dänemark hinzu, hat Waldschmidt nun vier Tore in zwei Spielen erzielt, mehr als jeder andere Spieler bei dieser Endrunde. Nicht schlecht für einen, für den die Rolle als zentraler Angreifer ungewohnt ist.


Einer wie Selke fehlt

Bei seinem Klub, dem SC Freiburg, spielt Waldschmidt oft etwas zurückgezogen und meist um den Mittelstürmer Nils Petersen herum. In der U21 jedoch setzt ihn Trainer Kuntz schon länger im Angriffszentrum ein. Das liegt womöglich daran, dass er schon lange geahnt hat, dass Waldschmidt auch etwas weiter vorne im Sturmzentrum sehr wichtig sein könnte. Es hat aber ganz sicher auch damit zu tun, dass die Alternativen rar sind.


Als die deutsche U21 vor zwei Jahren die Europameisterschaft in Polen gewonnen hat, hieß Kuntz' Mann im Angriff noch Davie Selke: großgewachsen, stark im Kopfball und mit viel Klasse vor dem gegnerischen Tor. Nach dem Turnier endete Selkes Zeit bei der U21, er war zu alt geworden. Und so sagte Kuntz, einst selbst Mittelstürmer, in den Wochen vor dieser EM oft, einen Typen wie Selke habe er derzeit nicht, also müsse er nach anderen Lösungen suchen.


Nun sieht es ganz danach aus, als habe er mit Waldschmidt eine Lösung gefunden, an die noch vor wenigen Wochen kaum einer geglaubt hat. Es könnte eine mit Zukunft sein.


Waldschmidt, der Raumdeuter

Wenn man beim DFB jemanden sucht, der einem etwas über die Entwicklungen in den Nachwuchsteams erklären kann, landet man schnell bei Meikel Schönweitz, dem Cheftrainer aller U-Mannschaften. Als der SPIEGEL ihn am Tag vor dem Spiel gegen Serbien in Triest fragt, ob er im Kader der U21 ähnlich wie Kuntz einen Angreifer wie Selke vermisse, sagte er: "Wenn du einen Kader zusammenstellst, möchtest du so flexibel sein, wie es nur irgendwie geht."


Allerdings habe sich der Fußball zuletzt sehr verändert, meint Schönweitz, und damit auch die Anforderungen an spezielle Rollen, gerade die des zentralen Angreifers. Man habe seit einigen Jahren eher nach anderen Spielertypen gesucht, Mittelstürmer seien deshalb vielleicht nicht mehr ganz so intensiv gefördert worden.


Dass es nun Waldschmidt sei, der bei der U21 im Angriffszentrum spiele, sei in dieser Konstellation ein "Gewinn". Auch weil er sehr gut im Torabschluss sei und Räume im Rücken des Gegners sehr effektiv besetze. "Das macht er sehr gut", sagte Schönweitz.


Am Sonntag spielt Deutschland im dritten und letzten Gruppenspiel gegen Österreich. Ein Unentschieden würde genügen, um den Gruppensieg und damit den Halbfinaleinzug und die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio zu sichern.

Für Luca Waldschmidt ist es die nächste Chance zu zeigen, dass das durchaus zusammengeht: Horst-Dinge tun, obwohl man kein Horst-Typ ist. Es könnte ein Erfolgskonzept werden für Deutschlands jungen Angreifer.


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