Zweitliga-Meisterschaft mit sieben Toren und 23 Vorlagen, Ingolstadts Top-Vorbereiter beim souveränen Klassenerhalt - die letzten Spielzeiten liefen für FCI-Profi Pascal Groß (25, Foto) nach Plan. Nun geht es für den Mittelfeld-Allrounder mit Ingolstadt erstmals gegen den Abstieg. Im Transfermarkt-Interview spricht Groß vor dem Rückrundenstart über neues Selbstvertrauen, seine Führungsrolle beim Tabellen-17. und die Vorteile eines Winter-Trainingslagers in der Heimat.
Transfermarkt: Herr Groß, mittlerweile spielen Sie die fünfte Saison für den FC Ingolstadt. Hätten Sie bei Ihrem Wechsel im Jahre 2012 daran geglaubt, dass diese Liaison so lange halten würde?
Marktwert
Pascal Groß: Wenn man neu zu einem Verein kommt, dann glaubt man schon daran, dass das etwas längerfristiges sein könnte. Nicht umsonst unterschreibt man Verträge. Aber natürlich ist das Fußballgeschäft schnelllebig geworden. Nach Ingolstadt kam ich aber mit einem positiven Gefühl und letztendlich war es hier auch eine sehr erfolgreiche Zeit, wir haben uns gemeinsam weiterentwickelt.
Transfermarkt: Der Verein schenkte Ihnen schon als junger Neuzugang das Vertrauen. Wussten die FCI-Verantwortlichen damals, dass Sie gerade einen der Schlüsselspieler der kommenden Jahre verpflichtet hatten?
Groß: Das weiß ich nicht (lacht). Nach dem Abstieg mit dem Karlsruher SC wollte ich weiter in der zweiten Liga bleiben, unter Thomas Oral habe ich mich dann hier in Ingolstadt durchgesetzt. Stück für Stück habe ich mich dann zum Führungsspieler weiterentwickelt. Als Verein hofft man natürlich immer darauf, dass sich der Transfer langfristig auszahlt. Das Vertrauen der FCI-Verantwortlichen war für mich damals jedenfalls sehr wichtig und ein ausschlaggebender Grund dafür, nach Oberbayern zu gehen.
Transfermarkt: Nach dem Bundesliga-Aufstieg 2015 sicherten Sie sich mit den „Schanzern" den souveränen Klassenerhalt. Was war rückblickend betrachtet das schönere Erlebnis?
Groß: Es sind auf jeden Fall zwei überragende Erlebnisse. Der Aufstieg war natürlich etwas Besonderes, weil wir Meister wurden. Das ist beim Niveau der zweiten Liga keine Selbstverständlichkeit gewesen, vor allem nicht als FC Ingolstadt. Wir waren eigentlich Außenseiter zu Beginn, haben aber eine fantastische Saison gespielt. Definitiv ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Dass das in der ersten Liga dann nahtlos so erfolgreich weitergeht und wir nie wirklich im Abstiegskampf waren, war fast genauso schön. Es ist schwer zu vergleichen, mehr gefeiert wird aber natürlich bei einer Meisterfeier.
Transfermarkt: Jetzt befinden Sie sich mit dem FCI im „verflixten zweiten Jahr", in dem angeblich alles schwerer wird...
Groß: Das liegt vielleicht daran, dass man in der Debütsaison hier und da unterschätzt wird. Nach der guten letzten Spielzeit ist das jetzt aber vorbei, jeder weiß, wie schwierig Ingolstadt zu bespielen ist und dass man gegen uns verliert, wenn man nicht mit der richtigen Einstellung reingeht. Nach unserem schlechten Start haben wir jetzt auch Teams geschlagen, die über uns stehen. In der Bundesliga gibt es eigentlich nur enge Spiele, die Leistungsdichte ist groß und Kleinigkeiten entscheiden. Ich sehe unsere Chance vor allem darin, immer auf den Punkt da zu sein. Das werden wir bis zum Ende der Saison auch versuchen umzusetzen.
Transfermarkt: Letzte Saison spielte der FC Ingolstadt fast jede Partie mit einem 4-3-3-System. In dieser Spielzeit wurde, auch aufgrund des Trainerwechsels, viel probiert. Der Grund für die sportliche Negativserie?
Groß: Natürlich hat uns die Jahre zuvor unter Hasenhüttl ein System geprägt. Zu Beginn der Saison stand nun jedoch ein Umbruch an und da ist es normal, dass Dinge ausprobiert werden. Außerdem ist es nicht verkehrt, als Mannschaft flexibel spielen zu können. Dennoch haben wir noch unsere grundsätzliche Spielanlage, in der uns viele Abläufe vertraut sind. Die Systemfrage würde ich aber nicht allzu hoch hängen.
Transfermarkt: Auch Sie wurden ein wenig zum Versuchskaninchen, spielten mal zentral, mal links, mal offensiver als gewohnt und zuletzt im rechten Mittelfeld. Unter Ralph Hasenhüttl waren Sie der Fixpunkt und für den Spielaufbau zuständig. Liegt Ihnen diese Rolle nicht am besten?
Groß: Unter Hasenhüttl agierte ich meist im 4-3-3 auf der rechten Halbposition im Mittelfeld. Da habe ich mich wohl gefühlt. Ich bin aber auch ein flexibel einsetzbarer Spieler, deswegen ist das auch okay für mich. Egal wo ich letztlich auflaufe, ich versuche mich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Sie haben aber natürlich Recht, am wohlsten fühle ich mich im Zentrum.
Transfermarkt: Auch in Ihrer Rolle als Allrounder sind Sie mit 1124 Ballkontakten wieder in der Ligaspitze vertreten - werden fast nur von Bayern- und Dortmund-Spielern übertroffen...
Groß: Wie gesagt, ich versuche der Mannschaft zu helfen, wo ich nur kann. Auch versuche ich mich nicht zu verstecken, egal wie schwierig die Situation auch ist, wie jetzt im Abstiegskampf. Da ist es wichtig, den Mitspielern unter Druck eine Anspielmöglichkeit zu geben. In diese Rolle bin ich nach und nach reingewachsen. Prägend war sicherlich mein Vater, der früher mein Trainer war. Er hat das sehr gefördert und mir immer wieder gesagt, dass man in engen Situationen den Ball fordern muss. Es ist mein Charakter, mich nicht zu verstecken.
Transfermarkt: Die Leistungskurve der Mannschaft geht seit dem Trainerwechsel nach oben. Unter Maik Walpurgis waren es zuletzt zehn Punkte in sechs Spielen - was wurde im Vergleich zu Markus Kauczinski geändert?
Groß: Das kann man im Fußball manchmal so genau nicht sagen. Ganz wichtig war unser Erfolg gegen Darmstadt. Es war ein Spiel auf Messers Schneide, den Sieg haben wir uns erkämpft. Dadurch hatten wir endlich wieder das Gefühl, gewinnen zu können und unser Selbstvertrauen zurück. Walpurgis ist jemand, der sehr akribisch arbeitet und auf Kleinigkeiten Wert legt. Vor allem haben wir defensive Abläufe und Standards trainiert, das hat sich später ausgezahlt. Es ist aber nicht unser Spiel, nur hinten drin zu stehen. Wir versuchen den Gegner früh unter Druck zu setzen, da sind Abläufe und Taktik ganz wichtig.
Transfermarkt: Was wird nun entscheidend sein, um in der ersten Liga zu bleiben? Abseits der üblichen Durchhalteparolen...
Groß: Ohne Floskeln kommt man hier nicht aus. Es ist in der Praxis einfach entscheidend, in schwierigen Phasen als Mannschaft zusammenzuhalten. Man darf sich von ihnen nicht verrückt machen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die mannschaftliche Geschlossenheit haben, um den Klassenerhalt zu schaffen. Für dieses Ziel haben wir in der Wintervorbereitung hart gearbeitet.
Transfermarkt: Neben dem 1.FC Köln und der TSG 1899 Hoffenheim ist der FC Ingolstadt der einzige Bundesligist, der seine Vorbereitung in vertrauter Umgebung macht und nicht in wärmere Gefilde gereist ist. Wo sehen Sie da Vorteile?
Groß: Wir sind in einer vertrauten Umgebung und haben durch die Rasenheizung beste Bedingungen auf den Trainingsplätzen. Außerdem kann man Zuhause schlafen und hat sein vertrautes Umfeld, eine Umstellung fällt hier weg, auch in Bezug auf die Witterungsverhältnisse. Das kann dann zum Rückrundenstart ein Vorteil sein, denn dann müssen alle bei Kälte gegeneinander spielen.
Transfermarkt: Denkt man als Profifußballer vor dem Rückrundenstart an das Worst-Case-Szenario des Abstiegs und damit auch an persönliche Konsequenzen, die daraus resultieren könnten?
Groß: Ich bin schon ein Spieler, der sich Tag und Nacht Gedanken um seinen Beruf macht. Sowohl für mich persönlich als auch für die Mannschaft. Da überlege ich viel, was man besser machen könnte. Dennoch ist es sehr wichtig, einen klaren Kopf und Ruhe zu bewahren. Meine persönliche Zukunft steht aber nicht zur Debatte, ich bin voll und ganz auf meine jetzige Aufgabe konzentriert und will den Klassenerhalt schaffen. Wenn wir so weitermachen wie zuletzt, dann haben wir eine gute Chance es zu schaffen.
Transfermarkt: Der Aufstiegs-Saison drückten Sie mit 30 Scorerpunkten den Stempel auf und auch in der vergangenen Spielzeit zählten zu den Besten beim FCI. Ihr Arbeitspapier läuft bis 2019 - können Sie in Ingolstadt zur Klubikone werden?
Groß: Natürlich schätzt man den Respekt, der einem als langjähriger Spieler entgegengebracht wird. Die Chance, eine Ikone zu werden, war aber sicher nicht mein Hintergedanke bei der Vertragsverlängerung vor der Saison. Für mich sind sportliche Gedanken entscheidend, ich will mich weiterentwickeln und besser werden. Außerdem bin ich ja auf der Liste der Dienstältesten nur auf Nummer drei (hinter Moritz Hartmann und Marvin Matip, Anm. d. Red.), vielleicht kämen die also noch vor mir dran.
Interview: Thomas Hürner (Interisti)