8 abonnements et 2 abonnés
Article

Italienischer Fußball: Nǐ hǎo, Milano!

Zhang Jindong, Boss der Suning Holding, im San Siro © Claudio Villa/Getty Images

Lange gehörten Inter und der AC Mailand zu den glorreichsten Fußballclubs Europas. Dann ging Eigentümern wie Berlusconi das Geld aus. Nun sollen es Chinesen richten. Von Thomas Hürner

Mailand war einmal die Fußballhauptstadt Europas. Insgesamt zehnmal haben die beiden großen Clubs der Stadt, Inter und AC, die Champions League gewonnen, sechzehnmal standen sie im Endspiel. Doch in den vergangenen Jahren schafften es die Clubs nicht einmal, sich für die Gruppenphase zu qualifizieren. Seit Mai ist die spanische Hauptstadt Madrid vorne. Real und Atlético spielten ihr Champions-League-Finale ausgerechnet im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion.

Mailand war auch die Stadt der Gönner und Mäzenen. Massimo Moratti bei Inter und Silvio Berlusconi beim Stadtrivalen AC Mailand öffneten über Jahre ihren eigenen Geldbeutel, um Club und Fans eben jene Erfolge zu garantieren. Im Hause Moratti war das Familientradition, schon Massimos Vater Angelo führte Inter in den Sechziger Jahren zu zahlreichen Triumphen. Berlusconi unterstellten viele dagegen politisches Kalkül. Im Wahlkampf posierte der ehemalige italienische Premierminister nur zu gerne mit Pokalen zur Schau. Doch das klassisch-italienische Mäzenatentum ist überholt. Zwar mussten weder Moratti noch Berlusconi jemals Hungersnöte leiden, ihnen machten die Finanzkrise sowie die schwache italienische Konjunktur aber spürbar zu schaffen.

Beide Vereine haben künftig neue Eigentümer aus China, die Ära der Patriarchen ist zu Ende. Ein notwendiger Schritt, um wieder bei den ganz Großen mitspielen zu können. Der ehemalige Inter-Präsident Moratti hatte diese Einsicht bereits vor drei Jahren, damals verkaufte er die Mehrheit seiner Anteile am Club an den indonesischen Investor Erick Thohir. In den Jahren zuvor, jenen nach dem Triple-Sieg von 2010, nahmen Morattis Investitionen in Spielertransfers deutlich ab. Mit dem neuerlichen Einstieg der Chinesen besitzt der Öl-Tycoon zum ersten Mal seit 1995 keinerlei Beteiligung mehr an seinem liebsten Familienerbstück.

Alles aus Liebe

Auch Berlusconi gab Anfang August bekannt, dass er beim AC Milan bald vollständig abtreten wird. Nach 30 Jahren und 28 Trophäen verkauft er den Club an eine chinesische Investorengruppe um den Geschäftsmann Yonghong Li, bis Ende des Jahres müssen die italienischen und chinesischen Behörden noch ihre Zustimmung geben. Das Konsortium übernimmt laut Mitteilungen 99,93 Prozent am Traditionsverein. Die Übereinkunft werde mit 740 Millionen Euro bewertet, mit geschätzten Schulden von rund 220 Millionen Euro.

Via Facebook teilte Berlusconi die Notwendigkeit des Verkaufs mit: "Vor 30 Jahren kaufte ich den AC Milan aus Liebe, nun verkaufe ich ihn in einem Akt noch größerer Liebe." Er vertraue den Verein einer Gruppe mit den erforderlichen Ressourcen an, die bereit sei, diese zu investieren, um wieder mit den großen internationalen Clubs konkurrieren zu können. Das ließ sich der 79-Jährige in einem Vorvertrag zusichern. Die neuen Eigentümer verpflichten sich demnach, in den ersten drei Jahren insgesamt 350 Millionen Euro in die Mannschaft zu investieren. Hundert Millionen werden zum Zeitpunkt des Kaufs fällig.

Bereits seit Mitte Juli gehört der Stadtrivale Inter der Suning Holdings Group. Der Einzelhandelsriese zahlte Mitte Juni 270 Millionen Euro für 69 Prozent der Anteile, 31 Prozent verbleiben bei Erick Thohir, der künftig auch Präsident sein wird. Aufmerksamkeit erregte der Konzern bereits bei der chinesischen Transferoffensive im vergangenen Winter. Mit Jiangsu Suning F.C. unterhalten die Neuen bei Inter auch eine Mannschaft in der chinesischen Super League. Für den Hausclub gaben sie über 100 Millionen Euro für internationale Topspieler wie die Brasilianer Alex Teixeira von Shakhtar Donezk oder Ramires vom FC Chelsea aus.

Ein Traditionsclub als Marketinginstrument

Kopf der Suning-Investitionen in den Fußballsport ist Zhang Jindong. Nach Abschluss der Verhandlungen sprach er gegenüber Bejing News über die Gründe des Konzerns, bei einem italienischen Verein einzusteigen: "Der Kauf wurde anhand von zwei Überlegungen getätigt. Zum einen hat der Fußball viele Fans und Suning möchte eine Beziehung zu potenziellen Konsumenten aufbauen. Zum anderen kann sich unsere Marke auf dem europäischen Markt etablieren, sobald wir hier Beziehungen zu Clubs und Spielern aufgebaut haben."

Inter dient den Chinesen also vor allem als Marketinginstrument. Vor dem ersten Heimspiel der Saison stellte sich Suning mit einem minutenlangen Video im Stadion vor, auf den Werbebanden leuchteten hauptsächlich das Logo der neuen Eigentümer und chinesische Schriftzeichen auf. Kein Platz mehr für Romantik, die langjährige Tradition der Familie Moratti musste der Konkurrenzfähigkeit weichen. Das spürt man aber auch auf dem Transfermarkt: Für über 100 Millionen Euro verpflichtete Inter Mailand neue Spieler, unter anderem den portugiesischen Europameister João Mário (45 Millionen), Olympiasieger Gabriel Barbosa (28 Millionen) oder den italienischen Nationalspieler Antonio Candreva (22 Millionen).

Alle drei waren auch bei anderen europäischen Topclubs begehrt, entschieden sich dann aber bewusst für das neue Projekt in der Lombardei. Nach Jahren der Enttäuschungen ist auch bei den Fans die Euphorie zurückgekehrt, derartige Ablösesummen waren eigentlich ein Relikt aus glorreichen Moratti-Jahren. Für Zhang Jindong ist das lediglich der Anfang, noch ist der Verein den Restriktionen des Financial Fairplay unterworfen. Alle Transfers wurden in Absprache mit der Uefa getätigt, die Inter eigentlich einen Sparkurs vorgeschrieben hatte. Zum Ende des Geschäftsjahres 2016 ist den Nerazzurri ein maximales Bilanz-Minus von 30 Millionen Euro gestattet, nächstes Jahr erwartet der europäische Fußballverband die schwarze Null. Wird dieses Ziel nicht erreicht, drohen Sanktionen wie Geldstrafen bis zu einem Ausschluss aus dem Europapokal.

"Wir werden uns mit der Uefa unterhalten"

Um das zu umgehen und trotzdem Geld in Spieler zu investieren, möchte Suning höhere Einnahmen durch neue Sponsoring-Verträge von Seiten der Investoren. Eine Methode, die bereits Vereine wie Manchester City oder Paris Saint-Germain so praktizieren. "Wir werden uns mit der Uefa unterhalten und eine Lösung für das Problem finden", kündigte Zhang Jindong bei der Übernahme an und fügte hinzu: "Wenn das geschafft ist, machen wir Inter wieder groß wie einst."

Ohne das Geld aus Fernost wäre ein Anschluss an die europäische Spitze für beide Mailänder Clubs nahezu hoffnungslos, finanziell sind sie mittlerweile abgeschlagen. Inter peilt für das neue Geschäftsjahr einen Umsatz von über 200 Millionen Euro an, der des AC Milan lag zuletzt bei 216 Millionen. Freilich fehlen beiden die hohen Einnahmen aus der Champions League, alleine dadurch ist die Lücke aber lange nicht zu kompensieren. Zum Vergleich: Der Branchenprimus Real Madrid machte in der Saison 14/15 einen Umsatz von 577 Millionen Euro, Tendenz steigend.

Finanziell abgeschlagen

Sowohl Silvio Berlusconi als auch Massimo Moratti agierten lange wenig weitsichtig, beide verpassten es, die glanzvollen Jahre ihrer Clubs wirtschaftlich zu nutzen und sie als Marken zu etablieren. Stattdessen verließen sie sich darauf, dass die eigene Geldbörse stets ausreichen würde, um mit den anderen Spitzenteams mitzuhalten. Ein Irrglaube, der kostete. Während sämtliche europäische Spitzenteams ihr eigenes Stadion besitzen, spielen Inter und der AC Milan im legendären Giuseppe-Meazza-Stadion immer noch zur Miete. Das Stadion gehört der Kommune, bei Renovierungsarbeiten werden aber stets die beiden Clubs zur Kasse gebeten.

Auch bei den Stadioneinnahmen ist der Unterschied zur europäischen Konkurrenz groß, es kommen einfach zu wenig Zuschauer. Inter verdiente laut Zahlen der Deloitte Football Money League vom Januar in der Saison 14/15 durch die Zuschauer etwa 22,2 Millionen Euro, Milan etwa 22,3 Millionen. Von Spitzenreiter Arsenal London, das mit seinem Emirates Stadium im gleichen Zeitraum 132 Millionen Euro generierte, sind die Mailänder weit weg. Durch den viel diskutierten TV-Vertrag, der Premier-League-Clubs von 2016 bis 2019 umgerechnet 6,9 Milliarden Euro einbringt, wird die Kluft umso dramatischer.

Auch bei anderen Einnahmequellen sieht es für die Mailänder mau aus. Im Falle Inters ist das auch ein Resultat der Vetternwirtschaft von Massimo Moratti. Den verbindet seit Jahren eine Freundschaft mit Marco Tronchetti Provera, dem Chef des Reifenhersteller Pirelli, dessen Unternehmen bereits seit 1995 die Brust der schwarz-blauen Trikots ziert. Seit dem Triple-Sieg von 2010 wurden die Konditionen dafür nicht erhöht, aufgrund mangelnder Nachfrage der Vertrag Ende vergangenen Jahres gar um fünf Jahre verlängert. Die sportliche Talfahrt wirkte sich auf die Attraktivität für potenzielle Sponsoren aus. Währenddessen macht die europäische Konkurrenz mit immer dickeren Deals Schlagzeilen. Inter hängt so noch an einem Kontrakt über 13 Millionen Euro pro Jahr, Chevrolet zahlt Manchester United seit 2012 insgesamt 451 Millionen über sieben Jahre.

Die chinesischen Investitionen sind für beide Mailänder Clubs unausweichlich, um wieder Anschluss an die Spitze zu finden. Ohne sie fehlen dem europäischen Fußball zwei seiner schillerndsten Bestandteile. "Ich wünsche mir, Inter und den AC Mailand bald wieder in der Champions League zu sehen. Diese beiden Traditionsclubs fehlen der Königsklasse einfach", sagte etwa Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern. Ende Juli traf Inter im Rahmen des International Champions Cup im US-amerikanischen Charlotte auf die Münchner, Inter tourte genau wie der AC in der Saisonvorbereitung durch Asien oder die Vereinigten Staaten, um auf dem internationalen Markt wieder Anschluss zu finden. Das Spiel in Charlotte war das Duell der beiden Champions-League-Finalisten von 2010, seither ist viel passiert. Die Münchner haben sich in der Riege der internationalen Topteams etabliert, Inter ist aus ihr herausgefallen. Bayern gewann 4:0, es war ein Spaziergang.
Rétablir l'original