Eine
niederösterreichische Schülerin soll sich im Internet als männlicher
Dschihadist ausgegeben und über Anschlagspläne geschrieben haben.
St. Pölten – Der Hinweis stammte von einem ausländischen Geheimdienst:
Am 16. Mai wurde dem Landesamt für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung (LVT) gemeldet, dass vonseiten einer
niederösterreichischen IP-Adresse konkrete Überlegungen für einen
Terroranschlag erfolgt wären. Lokalisiert wurde das entsprechende
Endgerät in einer kleinen Gemeinde im Mostviertel. Die Tatverdächtige:
eine 15-jährige Schülerin.
Die Ermittler reagierten prompt und nahmen die Jugendliche mithilfe
eines Einsatzkommandos im Elternhaus fest. Am 18. Mai wurde über sie die
Untersuchungshaft verhängt. Laut Haftbeschluss, der dem STANDARD
vorliegt, hatte der Teenager seit April in Chats des Kommunikationstools
Telegram Sympathien für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS)
bekundet. Dabei gab sie sich zum Teil als männlicher User namens
"Dawud" aus und sprach mit anderen IS-Anhängern in geheimen Chatgruppen
auch über etwaige Attentatspläne in Österreich.
Interesse an "Agent Orange"
Die Schülerin soll sich vor allem für einen Giftanschlag interessiert
haben – "an Orten, an denen Lebensmittel verkauft oder verarbeitet
werden", heißt es im Akt. Sie habe sich bei den anderen Sympathisanten
darüber informiert, woher man etwa Chemikalien wie das dioxinhaltige
"Agent Orange" bekommen könnte. Außerdem soll sie sich über eine "Hijra"
, also die Ausreise aus den "Ländern der Ungläubigen", erkundigt haben.
Ihr Anwalt Wolfgang Blaschitz wertet die Angelegenheit wiederum als
"jugendlichen Leichtsinn" und beurteilt die Postings als
"realitätsfremde Prahlereien."
In der niederösterreichischen Kleinstadt
gelte die Jugendliche als Außenseiterin und "einzige Kopftuchträgerin
weit und breit", wie Blaschitz erklärt.
In der Schule habe sie mit ihrem Auftreten immer wieder Anfeindungen
erlebt, so der Verteidiger. Daraufhin habe sie sich im Internet Freunde
gesucht und sei dort von Islamisten angestachelt worden. Bereits vor
ihrer Verhaftung habe sie jedoch schon von extremistischen Ideen Abstand
genommen und auch ihren Telegram-Account gelöscht, so der Anwalt.
Probleme in Schule und Familie
Auch innerhalb der Familie sei die 15-jährige österreichische
Staatsbürgerin mit ihrem Auftreten immer wieder angeeckt. Die Eltern,
die vor vielen Jahren aus dem Kosovo nach Niederösterreich gezogen
waren, gelten laut Anwalt als bestens integriert und unreligiös. Ihr
Verteidiger, der schon etliche Terrorverdächtige vertrat, klassifiziert
den Fall der jungen Frau deshalb als "die Sorte von ,Burka ist der neue
Punk'".
Mittlerweile haben sich die Bewährungshelfer von Neustart sowie die
Experten von Derad der jungen Frau angenommen. Die Zusammenarbeit nehme
die Schülerin gut an, habe nun nur mehr den Wunsch, das Gefängnis wieder
verlassen zu können. Am 30. Mai wurde die Untersuchungshaft jedoch
verlängert.
Verteidiger sieht "völlig falsche Richtung"
"Das ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung", so der
Verteidiger, da die Beschuldigte dadurch auch den Anschluss in der
Schule verliere. Für das Landesgericht St. Pölten sei eine engmaschige
Betreuung der bisher unbescholtenen Jugendlichen – vor allem auch
während der Sommerferien – aber noch nicht ausreichend gewährleistet.
Mit einem Handy- und Internetverbot habe sich die Beschuldigte
jedenfalls bereits einverstanden erklärt, was das Gericht goutiert.
Eine Beschwerde gegen die Untersuchungshaft wurde seitens des
Verteidigers eingebracht, eine Entscheidung dazu steht noch aus. Auch
das Handy der Schülerin wird noch weiter ausgewertet, da darauf auch
weiteres Propagandamaterial gefunden worden sein soll.
Der jüngste Fall zeigt aber auch, dass der heimische Nachrichtendienst
BVT aktuell weiterhin mit Hinweisen von ausländischen Partnerdiensten
versorgt wird. Zuletzt war rund um die Affäre des BVT ja immer wieder
das Gegenteil befürchtet worden. -
derstandard.at/2000081658116/15-Jaehrige-wegen-Terrorverdachts-seit-einem-Monat-in-U-Haft
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