Der St. Galler Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner ist nicht sehr optimistisch, wenn er an den Gang der Weltwirtschaft denkt. "Wir sind gerade dabei, den Karren an die Wand zu fahren", sagt der Co-Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen in einem Interview mit der "Aargauer Zeitung" (AZ). "Ohne radikalen Wandel werden wir das nicht verhindern können." Über das Wie gingen die Meinungen allerdings auseinander - auch in der Wirtschaftsethik, sagt Beschorner weiter.
Laut Beschorner glauben die einen, es genüge, Anreize zu schaffen. Andere verlangten neue Regeln, um die Firmenwelt stärker in die Pflicht zu nehmen. Der St. Galler Wirtschaftsethiker vertritt eine Zwischenposition: "Ökonomische Anreize werden ebenso wichtig sein wie politische Regeln." Daneben gebe es auch ermutigende Ansätze, auf freiwilliger Basis soziale oder ökologische Standards zu schaffen. Es brauche jedenfalls weltweit gültige Regeln. "Und da stecken wir noch ganz in den Anfängen."
Im Gespräch mit der UnternehmensweltBeschorner, der vor seiner Ankunft in der Schweiz an der McGill-Universität in Montreal lehrte, sagt im AZ-Interview auch, welche Schwerpunkte er an der Universität St. Gallen setzen möchte. Zunächst orientiere er sich an der integrativen Wirtschaftsethik des früheren Institutdirektors Peter Ulrich, "die eine Ökonomie fordert, die dem Menschen dient". Ausserdem will er einen Schritt weiter gehen und im Dialog die Unternehmenswelt studieren: "Was bewegt die Firmenverantwortlichen? Wie stehen Sie zum Thema Ethik und Verantwortung? Und wie setzen sie dies im praktischen Alltag um?"
Aber: Laut Beschorner richtet sich die Forderung nach einer neuen, nachhaltigen Wirtschaft nicht nur an die Kaderschmieden, sondern im selben Masse auch an Gesellschaft und Politik. "Gerade die Konsumenten könnten hier eine Schlüsselrolle spielen, indem sie etwa Produkte bevorzugen, die von nachhaltigen Unternehmen stammen", sagt Beschorner, der an der Uni St. Gallen die Nachfolge von Ulrich Thielemann übernommen hat.
Thielemann hatte sich in der Schweiz unbeliebt gemacht, weil er in einem Hearing im Deutschen Bundestag die Schweizer Banken und Steuerpolitik kritisiert hatte.