Die Rechtsanwältin und ehemalige Taekwondo-Weltmeisterin Sunny Graff unterrichtet Frauen in der Kunst der Selbstverteidigung. Im FR-Interview spricht sie über Stärke und Selbstsicherheit.
Die Rechtsanwältin und ehemalige Taekwondo-Weltmeisterin Sunny Graff unterweist seit 40 Jahren Frauen und Mädchen in der Kunst der Selbstverteidigung. 1985 gründete sie in Frankfurt den Verein Frauen in Bewegung, 2014 erhielt sie den Ehrenbrief des Landes Hessen für Verdienste um die Gemeinschaft.
Frau Graff, seit den Silvestervorfällen in Köln ist der Diskurs über Gewalt gegen Frauen in den Medien allgegenwärtig. Sehen Sie ein gesteigertes Interesse von Frauen an ihrem Kursangebot? Ja, wir haben mehr Anmeldungen. Frauen sind verunsichert und möchten lernen, sich vor Übergriffen zu schützen. Aber viel zu oft verkommt der Diskurs über Gewalt gegen Frauen zu einer Hetzjagd gegen Flüchtlinge und Einwanderer, das ist falsch und hat bei uns keinen Platz.
Was erwartet interessierte Frauen bei Ihrem kostenlosen Schnupperkurs? Frauen möchten Abwehrtechniken gegen gewaltsame Übergriffe lernen. Das ist auch wichtig und wir zeigen natürlich auch Abwehrtechniken, aber die beste Lösung für Frauen ist, Angriffe erst gar nicht zuzulassen. Selbstverteidigung beginnt im Kopf. Deshalb zeigen wir den Frauen und Mädchen auch, wie sie mit ihrer Körperhaltung Stärke ausstrahlen können. Vertrauen auf das eigene Gefühl und die aufmerksame Wahrnehmung seiner Umwelt sind die wichtigsten Schritte, um gefährliche Situationen zu erkennen und bannen zu können.
Selbstsicherheit kann also Übergriffe verhindern? Ergebnisse aus der Forschung zeigen, dass Frauen, die sich zur Wehr setzen können, höhere Chancen haben, nicht angegriffen zu werden. Das Wissen, sich im Ernstfall wehren zu können, gibt vielen Frauen Mut und Selbstvertrauen. Sie lassen sich dadurch nicht mehr so einfach in die Opferrolle drängen. Angst macht schwach und kontrollierbar.
Was ist der Unterschied zwischen Selbstverteidigung und Kampfsport? Das sind völlig verschiedene Sachen. Kampfsport folgt festen Regeln. Selbstverteidigung ist an realistischere Bedingungen geknüpft. Ich muss eine Lösung haben, egal was kommt. Ich muss genauso wissen, wie ich verbalen Attacken in der Bahn entgegne wie auch körperlichen Übergriffen. Man muss seine Umwelt wahrnehmen lernen.
Bringt eine einzelne Stunde Selbstverteidigung überhaupt etwas? Egal ob nur eine Stunde oder regelmäßiges Training, jede Übung hilft Frauen, sich selbstsicherer zu fühlen und angstfrei durchs Leben gehen zu können.
Interview: Tanja Andres [ Wie wollen wir wohnen? Die neue FR-Serie - jetzt digital oder gedruckt vier Wochen lang ab 19,50 Euro lesen. Hier geht's zur Bestellung. ]