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Reportage

„Je suis Charlie“ und danach. Deutschsprachiger Muslimkreis Karlsruhe e.V.

Die Schlossfassade war in den Farben der Trikolore beleuchtet. Auf dem Platz der Grundrechte drängten sich etwa 1.500 Menschen. Viele hielten Kerzen in der Hand. Um an die Opfer des Terroranschlags von Paris zu gedenken, aber auch um ein Zeichen zu setzen, dass man für die Werte der Meinungs- und Pressefreiheit einsteht, wurde die Mahnwache vom 13. Januar 2015 organisiert. Eingeladen hatten neben der Stadt Karlsruhe und Amnesty international die Evangelische und Katholische Kirche, die Jüdische Kultusgemeinde sowie der DMK, der Deutschsprachige Muslimkreis Karlsruhe e.V. Man sprach zusammen ein Friedensgebet. Wie geht es nun weiter nach „Je suis Charlie“?


Der barbarische Anschlag von Paris auf die Redaktion des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ hat auch Karlsruhe entsetzt. Das Schändliche an dieser Form des Terrors war insbesondere die irrsinnige Lüge der Täter: Sie gaben vor, im Namen des Islam zu töten. Der Anschlag hat Karlsruher Muslime deshalb traurig und wütend zugleich gemacht. Ihre Sorge ist, dass Vorurteile gegen den Islam zunehmen werden. Und die Pegida-Demonstrationen in verschiedenen Städten im Januar zeigten auch, dass diese Sorge berechtigt ist. Obwohl Karlsruhe „Gott sei Dank“ von derartigen Pegida-Demonstrationen bislang verschont blieb, ist sicherlich auch in unserer Stadt „Islamophobie“ verbreitet. Etwa 12.000 Muslime hat Karlsruhe, davon ca. 2.000 mit deutscher Staatsangehörigkeit. Seit vielen Jahren wünschen sich Karlsruher Muslime einen repräsentativen Moscheebau mit Kuppel und Minarett. Dass noch keine der Gemeinden ein solches Gotteshaus in der Fächerstadt verwirklichen konnte, spricht für sich. Die unbestimmten Ängste, die bei uns gegen die Religion Islam geschürt werden, spielen hierbei sicherlich eine Rolle.


Muslime haben in Deutschland keine kirchliche Organisation. Die Gemeinden sind – von der Rechtsform her – meist als Moscheevereine organisiert. So auch der Deutschsprachige Muslimkreis Karlsruhe e.V. Vorsitzender ist Rüstü Aslandur. Dass man deutsch spricht, war beim DMK von Anfang an Programm. „Es geht uns nicht nur um die Sprache an sich“, sagt Aslandur: „Es würde nicht ausreichen, nur deutsch zu sprechen. Auch inhaltlich und kulturell wollten wir in Deutschland sein!“ Der 1989 gegründete DMK steht nicht für irgendeine ethnische Gruppe. Jeder, der in Karlsruhe eine Gemeinde sucht, ist willkommen. Momentan hat der DMK keine eigenen Moscheeräume. Man trifft sich im Wechsel bei den anderen muslimischen Gemeinden Karlsruhes. Für das Freitagsgebet, das meist zahlreich besucht wird, hat man am KIT auf dem Campus einen Saal.


Über Satire, Mohammed-Karikaturen, Bilderverbote und wie Muslime darüber denken, hat Rüstü Aslandur schon oft diskutiert. Innerhalb und außerhalb der Gemeinde. „Jeder hat die Freiheit, den Islam zu kritisieren“, sagt Aslandur überzeugt. Er nennt die Geschichte des Bilderverbots, das in früheren Jahrhunderten vor allem dem Götzendienst Einhalt gebieten wollte. Doch ausdrücklich rate der Koran, dass man diejenigen, die Götzendienst leisteten, nicht beleidigen dürfe. Genau das nämlich provoziere Reaktionen. Terroristen mögen sich zwar auf irgendwelche historische Kompendien der Rechtsprechung berufen. Das sei aber genauso falsch, wie wenn heute jemand Verbrechen mit der spätmittelalterlichen Inquisition rechtfertigen würde. Es lohnt sich, Rüstü Aslandur zuzuhören. Er kann hervorragend belegen, dass die Gewalt mit der Religion des Islam nicht nur unvereinbar ist, sondern ihr widerspricht.

Der DMK lädt jährlich zum Tag der Offenen Tür und sucht den Austausch, letzten Endes auch, um dem Vorurteil zu begegnen, Muslime würden sich abschotten und Parallelgesellschaften bilden. Das stimmt nicht. Die Karlsruhe Mahnwache war der beste Beweis.


Karlsruhe feiert dieses Jahr seinen 300. Stadtgeburtstag. 25 Jahre davon besteht in Karlsruhe der Deutschsprachige Muslimkreis, DMK. Er war eine der ersten muslimischen Gemeinden in Deutschland, die sich konsequent und beharrlich in Sachen Integration verdient gemacht haben. Ein Vierteljahrhundert unserer Stadtgeschichte hat der DMK ganz entscheidend muslimisches Leben in Karlsruhe geprägt. Aber die Fächerstadt zeigte sich dem DMK gegenüber keineswegs immer freundlich gesonnen und hilfsbereit. Widerliche Vorurteile gegen Muslime und gegen den Islam sind leider auch in unserer Stadt weit verbreitet. Sie werden mal mehr, mal weniger deutlich ausgesprochen. Derzeit sucht der DMK nach neuen Räumen. Seine vorherige Adresse musste er letzten Sommer aufgeben. Ihm wurde gekündigt. Erst im Nachhinein und über Umwege erfuhr die muslimische Gemeinde den Grund der Kündigung: Nachbarn hatten sich beschwert und Unterschriften gesammelt. (svs)


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