Die staatliche Ordnung ist zusammengebrochen. Auf den Strassen tobt der Mob. Es wird geplündert, geraubt und gemordet. Polizisten trauen sich schon lange nicht mehr vor die Tür. Sie bleiben zu Hause, um die eigene Familie zu beschützen - oder plündern sogar selbst. Der Kampf ums Überleben: Die Frage ist nicht, ob er kommt, sondern wann. Das glauben zumindest Prepper. Der Begriff kommt vom englischen Wort "to prepare" (sich vorbereiten) und beschreibt Menschen, die für Katastrophen gerüstet sein wollen. Denn sie sind überzeugt: Wenn es losgeht, überleben nicht die Stärksten, sondern diejenigen, die am besten vorbereitet sind. Die Frage ist nur: worauf? Ob nun der Euro kollabiert, ein Atomkraftwerk explodiert, die Erde bebt oder ein Seuche ausbricht, das weiss auch der gründlichste Prepper nicht.
Suppen und LandkartenJörg Pospiech ist es auch egal. "Ich bin auf alles vorbereitet", sagt der 44-Jährige, der extra nach Brandenburg gezogen ist - aufs Land, weit weg von den Grossstädten, in denen es im Ernstfall "schnell ungemütlich werden könnte". Pospiech trägt einen Fleecepulli, Outdoor-Jacke und kakifarbene Schirmmütze. An seiner Allzweckhose stecken ein Funkgerät und ein Taschenmesser. "Vorausschauend zu leben, ist nicht schwer", sagt Pospiech. "Jeder kann ein Prepper sein."
Der Unterschied zwischen Leben und Tod - für Pospiech passt er in einen Pappkarton. Darin enthalten: Vierzig Dosen Suppe, vier Päckchen Teelichter, Landkarten, Wasserfilter und ein Solarradio. "Das ist nicht viel, reicht aber, um für eine ganze Weile eine warme Mahlzeit und sauberes Wasser zu haben", sagt der Fachmann, der auch beruflich Überlebenskurse gibt. Natürlich sei das nur der Anfang.
Schon vor Jahren hat Pospiech seinen Lebensstil umgestellt. Zusammen mit seiner Frau, seinen Kindern und mehreren Gleichgesinnten lebt er auf einem Bauernhof, der sich im Ernstfall komplett selbst versorgen könnte. Sie bauen Gemüse an, halten Schweine, Ziegen, Hühner, Gänse und Enten. Ein Brunnen sorgt für sauberes Trinkwasser. Wo genau das Gehöft liegt, möchte der Prepper nicht verraten: "Es gibt viele, die nur darauf warten, fremde Vorräte zu plündern."
Altbekanntes PrinzipVerrückt seien er und seine Mitstreiter wegen ihrer ungewöhnlichen Lebensweise nicht. "Wir haben ganz normale Jobs; für uns ist das ein Hobby, und zwar eines, das uns im Notfall rettet." Tatsächlich ist das Prinzip der Vorratshaltung nicht neu. Schon die Nachkriegsgeneration, krisenerprobt nach diversen Hungersnöten, hortete Vorräte. Man sprach nicht vom Preppen, sondern schlicht vom Einkochen. Auch heute noch kann ein gewisser Grundstock an Lebensmitteln und anderen Waren durchaus sinnvoll sein.
So kommt es zum Beispiel in den USA, in denen es besonders viele Prepper gibt, häufig zu Naturkatastrophen. Zwar war dadurch noch nie ernsthaft die Zivilisation in Gefahr, Versorgungsengpässe gab und gibt es aber immer wieder.
Zum Beispiel 2005 in New Orleans. Nachdem Hurrikan "Katrina" die Südstaaten-Metropole verwüstet hatte, dauerte es Tage, bis die Nationalgarde eintraf. Auch der Strom blieb tagelang aus. Bürgerwehren erschossen Passanten, die sich in wohlhabenden Vierteln in Sicherheit bringen wollten. Die Polizei, die schon mit der Katastrophenhilfe heillos überfordert war, konnte ihrer eigentlichen Aufgabe kaum noch nachkommen. Leerstehende Wohnhäuser und Geschäfte wurden zum leichten Ziel von Plünderern.
Drohbild WirtschaftskollapsDoch neben der sinnvollen Vorbereitung auf Katastrophen gibt es auch eine negative Seite der Prepper-Bewegung. Besonders in den USA ist die Szene durchsetzt von Waffennarren und Radikalen, die sich vor "dem System" - also der Regierung - schützen wollen. Immer wieder nutzen auch Sekten die Ängste der Menschen aus, um sie in den Selbstmord zu treiben - so geschehen 1978 in Guyana (923 Tote) oder in den 1990er Jahren, als sich 74 Anhänger der "Sonnentempler" das Leben nahmen.
Für solche Exzesse gibt es in Deutschland keine Anhaltspunkte. Hierzulande fürchtet man sich eher vor dem Wirtschaftskollaps. Viele haben die griechische Staatspleite noch vor Augen: Geldautomaten, die kein Geld mehr ausspucken. Apotheken ohne Medikamente. Einwanderer, die in den Strassen von Rechtsradikalen gejagt werden. Solche Bilder - auch wenn nur Momentaufnahmen - vergrössern die Prepper-Gemeinde.
Wie viele Prepper es tatsächlich in Deutschland gibt, ist indessen unklar. Die meisten agieren im Verborgenen, weil sie entweder befürchten, für verrückt erklärt zu werden, oder den Ort ihrer Vorratskammern nicht preisgeben möchten. Schliesslich könnten sie so zum leichten Ziel von Plünderern werden, wenn der Ernstfall erst einmal eintritt. Mit der diffusen Angst lässt sich, wie so oft, auch jede Menge Geld verdienen. Zum Beispiel beim in Rottenburg am Neckar ansässigen Kopp-Verlag, der sich auf Verschwörungstheorien und Krisen aller Art spezialisiert hat. Das Unternehmen bewirbt seine Bücher mit ganzseitiger Werbung in Europas grösster Zeitschrift, der "Adac Motorwelt". Mehr als 100 000 Euro kostet eine solche Anzeige. Zudem verkaufen windige Versandhändler alles, was das Prepper-Herz begehrt: Atombrot, Allzweckmesser, witterungsfeste Konserven. Auch im Alltag schlägt sich der Trend nieder. Weltuntergangsfilme, die früher allenfalls als Sparte galten, sind plötzlich massentauglich. Das Videoportal Watchever nahm unlängst die Zombie-Serie "The Walking Dead" ins Programm auf.
Sogar die internationale Staatengemeinschaft hat sich das Motto "Seien Sie auf alles vorbereitet", wie es Brad Pitt in dem Blockbuster "World War Z" ausspricht, gewissermassen zu Herzen genommen. Im norwegischen Spitzbergen werden unter Beteiligung der Vereinten Nationen derzeit mehrere hunderttausend Pflanzensamen in einem Bunker gelagert. Sollte es zu einer globalen Katastrophe kommen, könnten die Überlebenden auf diese "Arche Noah" zurückgreifen, um die Zivilisation im Anschluss wieder aufzubauen.
Auch der Staat sorgt vorAuch der deutsche Staat ist in gewisser Hinsicht ein Prepper: In mehr als 100 geheimen Lagern, die sich quer über das Land verteilen, hortet die Bundesregierung die "zivile Notfallreserve". Dazu gehören 640 000 Tonnen Getreide, ausserdem Reis, Erbsen, Linsen, Kondensmilch und Milchpulver. Der Anfang dieser Vorratskammern geht auf das "Ernährungssicherstellungsgesetz" aus dem Jahr 1965 zurück, als ein Atomkrieg zwischen dem Westen und der Sowjetunion noch ein denkbares Szenario war. Auch Medikamente wie das Grippemittel Tamiflu werden gelagert, um im Falle einer länderübergreifenden Krankheitswelle immerhin 20 Prozent der Bevölkerung versorgen zu können.
Billig ist das staatliche Horten nicht, zumal spätestens alle zehn Jahre die Lebensmittel ausgetauscht werden müssen. 2013 kostete die zivile Notfallreserve nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung rund 13,1 Millionen Euro. Immer einmal wieder kritisieren Politiker und zuletzt auch der Bundesrechnungshof deshalb die hohen Kosten, zumal unklar ist, ob die Vorräte jemals gebraucht werden. Zur Abschaffung der Depots konnte sich der Bundestag bisher trotzdem nicht