Sommer 1955. Wild schneidet ein vierjähriger Junge in Lederhosen Grimassen, die anderen beiden kleinen Protagonisten eifern ihm nach, verrenken ihre Mimik wie kleine Derwische und zeigen nicht nur Zunge, sondern auch ihre gute Laune. Am Ende der Straße an der die kleine Bande lauert, parkt ein VW Käfer, und Menschen fahren in aller Gemütlichkeit Fahrrad. Der Blick des Fotografen Bill Perlmutters auf das Europa der Nachkriegszeit ist unmittelbar und direkt. Die Fotografien zeigen eine wunderbar persönliche Perspektive auf die Nachkriegszeit und ihre Menschen darin.
Die Galerie Hilaneh von Kories präsentiert mit diesen Bildern die Werke des New Yorker Auftragsfotografen Bill Perlmutter der in den Fünfzigern GI der amerikanischen Armee war.
"Europe in the Fifties. Through a Soldier's Lens" zeigt eine Auswahl seiner Reisen quer durch Europa. Nur mit geringen Vorkenntnissen und mit eher filmisch vermittelten (Vor-) Urteilen startete der junge GI 1954 seine fotografischen Reportagen. In auffälliger Weise stehen von Anfang an die Menschen im Mittelpunkt Perlmutters Fotografien: Dorfbewohner die Panzerfahrern zuwinken, eine alternde Dame vor einem Postkartenstand in Paris, ein Italiener, der mit seiner dunklen Brille an die Blues Brothers erinnert oder ein vermeintliches Hitler-Double in der Münchner Innenstadt. Mit offenem Blick und sichtbarem Interesse für seine Zeitgenossen sieht und erlebt Perlmutter Europa knapp zehn Jahre nach Kriegsende und zeigt durch seine Momentaufnahmen die kulturellen Besonderheiten seiner europäischen Zeitgenossen auf.
Egal welches Bild man betrachtet, der klare Blick auf die Kulturen und das Lächeln, das die Protagonisten dem Fotografen schenkten, bleiben die einprägsamsten Merkmale dieser Momentaufnahmen. Geradezu poetisch sind die intimen Einblicke, in oft gelösten, vertrauten Situationen, an denen Perlmutter ohne zu stören als Beobachter teilnimmt.
Die auf den Bildern zu sehenden Menschen sind voller Lebensfreude und Humor und ihre Augen sprechen eine gemeinsame Sprache. Den alten Menschen steht das Erlebte ins Gesicht geschrieben, aber auch die Freude den Krieg überstanden zu haben und das Hier und Jetzt genießen zu können. Die Kinder strahlen Optimismus und Lebensfreude aus, sind sie doch alle in der Nachkriegszeit geboren und haben von dem Schrecken nichts mitbekommen.
Auf den Fotografien des GIs sind vor allem alltägliche Situationen zu sehen: Ein Metzger mittleren Alters, der vor seinem Laden frisch geschlachtete Hühner aufhängt, Ukulele spielende Senioren, lächelnde portugiesische Mädchen in Trachtenkleidern, die alle um sich herum vergessen und sich ganz auf das Kind-Sein konzentrieren.
Obgleich die Bilder schwarz-weiß sind, kommt doch das Gefühl auf, man sehe sie in Farbe, weil die Charaktere der Protagonisten mit Nähe bestechen und faszinieren. Rund sechzig Jahre nach ihrer Entstehung zeigen die Aufnahmen das Gespür des Fotografen für den besonderen Moment. So wird jedes einzelne Motiv ein lebendiges Mosaiksteinchen der Erinnerung, das sehr genau über die damalige Zeit, aber auch über sehr persönliche Begegnungen berichtet. Durch diese intuitive Fähigkeit des Fotografen wirken seine Bilder allerdings über den historischen Moment hinaus, lassen sein Werk bis heute als höchst lebendig und sehenswert erscheinen.
"Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.", sagte der französische Fotograf Henri Cartier-Bresson. So ist es auch bei den Bildern Bill Perlmutters: Absolut sehenswert!
Die Ausstellung "Europe in the 50s. Through a Soldier's Lens", ist in der Galerie Hilaneh von Kories (Stresemannstraße 384a im Hof) bis zum 15. August 2013 zu sehen.