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Mit Libra stellt Facebook die ultimative Machtfrage

Facebook plant eine neue Währung: die Libra. Sie wäre für viele Menschen wohl sehr attraktiv. Genau das macht das Projekt für die Staaten so gefährlich.

Eine Gruppe rund um den US-Konzern Facebook plant die Schaffung eines neuen Zahlungsmittels: die Libra. Mit ihr soll ab kommendem Jahr elektronisch gekauft, bezahlt und gespart werden können. Die Politik ist alarmiert: „Die Herausgabe einer Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens, denn sie ist ein Kernelement staatlicher Souveränität", warnt Finanzminister Olaf Scholz. Noch ist nicht sicher, was die Libra überhaupt sein wird. Sicher ist aber: Im Streit um die „Facebook-Währung" verläuft die Front nicht bloß zwischen Privatkonzernen und Staaten. Sondern ebenfalls zwischen den Staaten um die Frage, wer von dem neuen Geld profitieren wird.

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Laut Facebook-Manager David Marcus soll die Libra ein elektronisches Zahlungsmittel werden, das parallel zu heimischen Währungen wie Euro oder Dollar verwendet werden kann. Marcus wirbt insbesondere um die 1,7 Milliarden Menschen auf dem Globus, die über kein Bankkonto verfügen und die per Libra Geld einfach und billig überweisen könnten - schlicht mit einer App auf ihrem Handy.

Firmenkonsortium soll Verwaltung übernehmen

Über die nötige Technologie scheint Facebook zu verfügen und über eine potenzielle Kundenbasis für die Libra auch: Der Konzern hat weltweit 2,3 Milliarden Nutzer, weit mehr als jede Bank. Die Verwaltung der Libra soll ein Firmenkonsortium übernehmen, die Libra-Association mit Sitz in der Schweiz. Ihr gehören derzeit 28 Konzerne an, darunter Facebook, Visa, Mastercard, Paypal, Ebay und Uber. Mit der Zeit sollen es mehr werden.

Die Unternehmen versprechen, dass die Libra stabil sein wird, anders als Kryptowährungen wie der Bitcoin, deren Wert stark schwankt und die daher als Zahlungsmittel ungeeignet sind. Damit der Libra dieses Schicksal erspart bleibt, soll sie zu 100 Prozent gedeckt werden durch einen Korb anerkannter Weltwährungen wie Dollar, Euro und Yen. Hinter jeder Libra stünde damit eine Einheit dieses Währungskorbes. Für Nutzer hieße das: Nur wenn sie beispielsweise einen Dollar an die Libra-Association überweisen, erhalten sie dafür eine Libra. Für die Libra-Macher hieße das: Sie können nur so viele Libra herausgeben, wie sie Dollar oder Euro dafür erhalten.

Stabile Alternative für volatile Währungen

Politiker aus Europa und den USA warnen zwar davor, dass das Konzerngeld damit zu einer Gefahr für ihre staatlichen Gelder werden könnte. Zunächst jedoch würde die Libra zu einer Konkurrenz für zahlreiche Währungen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Den Menschen dort böte sie sich als stabile Alternative an, mit der weltweit gezahlt werden kann. Die Nachfrage nach den inflations- und abwertungsgefährdeten Weichwährungen würde wohl sinken. Eine Konkurrenz zu Dollar und Euro wäre die Libra hingegen zunächst nicht. Denn da sie zu 100 Prozent durch Dollar und Euro gedeckt wäre und an dieser Deckung das Nutzervertrauen hinge, fungierte sie lediglich als deren Stellvertreter.

Denkbar wäre allerdings, dass die Libra sich mit der Zeit vom Währungskorb emanzipiert und als „eigenes" Geld anerkannt würde. Dies könnte es der Libra-Association erlauben, die Deckung herunterzufahren, beispielsweise von 100 auf 50 Prozent. 50 von 100 Libra wären dann mit Dollar, Euro oder Yen unterlegt. Die anderen 50 hätten die Konzerne frei geschöpft: neue Zahlungsfähigkeit aus dem Hause Facebook & Co. Sie täten damit das, was sonst nur Banken erlaubt ist - nämlich Zahlungsfähigkeit aus eigener Kraft schaffen - allerdings in eigener Währung.

Betrüger am Werk

Damit verlören die Zentralbanken der USA, der Euro-Zone und Japans nicht nur ihre - ohnehin beschränkte - Kontrolle über die Geldmenge. Gleichzeitig würde die Libra in die Rolle einer echten Konkurrentin für ihre Währungen hineinwachsen. Denn wer Libra hielte, hielte damit nicht mehr automatisch Dollar, Euro und Yen, sondern von der Libra-Association selbst produziertes Geld, das den staatlichen Geldern als Alternative gegenüberträte.

Spätestens dann dürften die Herren der Weltgelder gegen die Libra vorgehen. Denn eine Relativierung ihrer Währungen können sie nicht dulden, schließlich ziehen sie enorme Vorteile aus dem Status ihrer Gelder: Die Zentral- und Geschäftsbanken der Euro-Zone und der USA können Euro und Dollar aus eigener Kraft schöpfen und ihre Unternehmen dadurch mit weltweit gültiger Zahlungskraft versorgen. Mit Euro und Dollar kann man rund um den Globus kaufen, investieren, bezahlen und verleihen. Sie eröffnen ihren Besitzern die ganze Welt als Verdienstquelle. Nach diesen Weltgeldern besteht daher immer große Nachfrage, weswegen Staaten und Unternehmen aus dem Euro- und Dollar-Raum stets Finanziers finden, die ihnen zu relativ geringen Zinsen Kredit geben, also ihre Euro- und Dollar-Anleihen abnehmen. Ganz anders als Staaten wie zum Beispiel die Türkei, die ständig darum fürchten muss, dass das Kapital aus ihrer Währung flieht. Euro und Dollar dagegen sind die Zufluchtsorte des Weltkapitals, quasi sein zu Hause.

Diese unschätzbaren Vorteile in der globalen Konkurrenz werden sich Europa und die USA nicht durch ein Konzernkonsortium streitig machen lassen. „Wir können kein Zahlungsmittel akzeptieren, das die gleiche Macht und die gleiche Stellung wie eine staatliche Währung hat", drohte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Als echtes Weltgeld scheint die Libra daher keine Chance zu haben.

Allerdings: Bemerkenswerterweise hält sich die US-Regierung in Sachen Libra-Verbot derzeit zurück und fordert lediglich ihre strenge Regulierung. Das ist kein Wunder. Denn erstens wäre der US-Dollar als dominante Weltwährung am geringsten von einer eventuellen Konkurrenz durch die Libra betroffen. Zweitens stehen hinter der Libra vor allem US-Konzerne, die letztlich den Weisungen Washingtons unterworfen sind. Die US-Regierung könnte in der Libra daher weniger eine Dollar-Konkurrentin sehen, sondern eher einen verlängerten, quasi privaten Arm der Finanzmacht der USA.

Chinesen arbeiten seit 2014 an digitaler Währung

Diese Chance müssten die Vereinigten Staaten nutzen, mahnte Facebook-Manager David Marcus. Dem US-Kongress machte er sein Libra-Projekt schmackhaft mit den Worten: „Wenn Amerika bei Innovationen auf dem Gebiet digitaler Währungen und Bezahlsysteme nicht führend ist, werden es andere sein. Wenn wir nicht handeln, könnten wir bald eine Digitalwährung sehen, die von anderen mit dramatisch anderen Werten kontrolliert wird." Klar ist, wen Marcus hier meint: China, wo Unternehmen auf dem Gebiet digitaler Bezahlsysteme derzeit noch führend sind und wo man seit 2014 an einer eigenen digitalen Währung arbeitet.

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Pekings Pläne, in eigener Regie ein globales digitales Zahlungssystem zu schaffen, werden durch die Facebook-Pläne unterlaufen. Daher „erkennen chinesische Politiker die Libra als wirtschaftliche und geopolitische Bedrohung", erklärte das Peterson Institute (PIE) in Washington. Peking sei schon lange unzufrieden mit der globalen Dominanz des Dollar und fordere eine multipolare Weltwährungsordnung. „Nun fürchtet man die Aussicht auf einen US-Konzern, der die Zukunft des digitalen Geldes dominiert", so das PIE.

Wang Xin, Chef der Forschungsabteilung der chinesischen Zentralbank, plädiert daher dafür, eine eigene chinesische Digitalwährung zu schaffen, „deren Aufgabe es vor allem wäre, mit der Libra zu konkurrieren". Denn werde das Facebook-Geld zu mächtig, dann drohe eine Welt „mit einem Boss, dem Dollar, Amerika". Exakt dieses Ziel dürfte die Regierung in Washington im Blick haben, wenn sie an die Regulierung der Libra geht.

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