Backstage-Tickets, VIP-Upgrades und Übernachtungskosten zusammengerechnet, habe ich für Tokio-Hotel-Konzerte bis heute bestimmt um die 30.000 Euro ausgegeben. Ich war bei mehr als 70 Auftritten dabei. Als Versicherungsangestellte kann ich mir inzwischen ein Hotel oder Fahrkarten für den ICE leisten, als Teenager war das schwieriger. Ich hatte wenig Kohle, finanziert habe ich die Fahrten und Konzerttickets mit meinem Taschengeld und mit dem, was mir meine Oma zugesteckt hat.
Vanessa Zill30, ist Versicherungskauffrau und lebt in Mannheim.
Weil ich in der ersten Reihe stehen wollte, bin ich oft einen Tag früher losgefahren, aber irgendwann hat das nicht mehr gereicht, deswegen habe ich drei Wochen vor der Konzerthalle in Dortmund gecampt. Ich fing an, Listen zu führen, wann die anderen Fans angereist sind, damit es fair bleibt und die vorne stehen können, die so früh wie ich gekommen waren. Es gab ein paar, die sich vorgedrängelt haben, aber die meisten haben meine Regeln akzeptiert. Das Konzert in Dortmund wurde dann abgesagt. Als es nachgeholt wurde, war ich wieder zweieinhalb Wochen früher da und musste wieder die Schule sausen lassen.
Für die Fehltage hatte mein Direktor genauso wenig Verständnis wie meine Eltern. Auch meine Mitschüler verstanden mich nicht, die fanden die Band blöd und mich als Fan auch. Das war mir egal. Die Musik von Tokio Hotel war für mich eine Flucht aus der Realität, Konzertbesuche waren mein Lebensinhalt, die Schule nur Nebensache.
Einmal habe ich bei einem gekauften Meet-and-Greet ein Selfie mit Bill gemacht, der meinte, dass er mich schon kennt. Er wusste sogar meinen Namen. Darauf bin ich stolz! Mein größter Traum wäre, wenn wir mal einen Abend zusammen feiern gehen würden, die Band und ich, ganz entspannt. Eine Freundschaft wird sich wohl nie entwickeln, das passt nicht so gut zwischen Star und Fan, aber eine Clubnacht würde mir schon reichen.
2005 habe ich die Band zum ersten Mal live gesehen, damals hatten sie mit Durch den Monsun ihren Durchbruch. Die Tickets hatten meine Eltern besorgt. Ein Jahr später verbot meine Mutter mir dann, auf die Konzerte zu gehen. Daheim gab es ständig Stress - wegen Tokio Hotel, wegen dem Schulschwänzen und weil ich keine anderen Interessen mehr hatte, wichtig waren mir nur Bill, Tom, Gustav und Georg. Es war so heftig, dass ich von zu Hause abgehauen und mit 17 schließlich ausgezogen bin. Heute meiden wir das Thema.
Wenn eine Tour war, dann war ich quasi auf allen Terminen. So bin ich auch viel rumgekommen: Ich war in Prag, in Paris und in Russland. Durch Tokio Hotel habe ich die Welt kennengelernt! Bei ihrer Tour dieses Jahr bin ich nur bei vier Konzerten dabei. Ich wünschte, es wären mehr - leider kollidiert es mit meiner Hochzeitsreise, die wegen Corona ausgerechnet auf die Tourdaten verschoben wurde.
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