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Auch Väter haben Baby Blues

Junge Familien sind oft auf sich allein gestellt, wenn ein Elternteil nach der Geburt depressiv wird. Bei der postpartalen Depression fehlen gute Studien, Früherkennung und Behandlungsplätze.

Es sollte eine schöne Zeit in der Familie sein - aber für manche ist die Geburt eines Kindes eine große psychische Belastung. Tatsächlich kommt eine Depression in den ersten drei Monaten nach der Entbindung gar nicht so selten vor: Bis zu 15 Prozent der Frauen sind betroffen. Bei etwa der Hälfte sind es milde oder moderate Symptome, die anderen entwickeln eine stärkere Wochenbettdepression. Auch Männer können eine postpartale Depression (PPD) bekommen - bis zu 10 Prozent der Väter leiden darunter.

Oft unerkannt

Die Dunkelziffer dürfte bei beiden Elternteilen deutlich höher sein: Möglicherweise fallen mehr als die Hälfte der Fälle durch das Raster, schätzen US-Studien. Auch in Deutschland wird vermutlich nur ein geringer Teil der Betroffenen adäquat behandelt, sagt Prof. Sarah Kittel-Schneider, stellvertretende Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Uniklinikum Würzburg. Ein Grund: „Es wird nicht flächendeckend gescreent und auch Hebammen, Frauen- und Kinderärzte fragen nicht immer nach." Außerdem versuchten noch immer viele Betroffene, ihre Symptome zu verbergen - aus Angst vor dem Stigma. „Mit ‚Wie geht es dir?' kommen wir da nicht weiter, es braucht den längeren Kontakt oder eine informierte ärztliche Untersuchung."

Biomarker zur Früherkennung?

Einen Fragebogen, den EPDS (Edinburgh Postnatale Depression Skala), gibt es dafür bereits, doch noch ist er nicht einmal in der Geburtsvorsorge verpflichtend. Zudem wäre es hilfreich, neben den sozialen und psychischen Risikofaktoren auch biologische zu kennen. Einige Studien versuchen, die Wissenslücken zu schließen. So untersuchte etwa ein Team um Dr. Sarven Sabunciyan von der Johns Hopkins University School of Medicine den körpereigenen Aufräummechanismus. Die Forscher sahen sich zu verschiedenen Zeitpunkten die Kommunikation der mRNA außerhalb der Zellen an. Dabei beobachteten sie, dass bei Frauen, die eine Wochenbettdepression entwickelten, bereits vor der Geburt die Menge an extrazellulärer mRNA verändert war und die Wiederverwertung von totem Zellmaterial nicht mehr so effizient funktionierte.

Eine spannende Entdeckung, findet Kittel-Schneider, allerdings mit einigen Einschränkungen: „Es waren sehr wenige Daten, nur 7 Frauen mit und 7 ohne PPD wurden untersucht. Außerdem ist es natürlich nur ein sehr winziges Puzzleteil im komplexen Zusammenhang einer solchen Erkrankung." Selbst als möglicher Biomarker, der das Depressionsrisiko vorhersagen könnte, ist die extrazelluläre mRNA vermutlich ungeeignet. Außerdem ist die Methodik aufwendig und teuer. Und: Um bei Einzelpersonen eine Aussage treffen zu können, müsste man zuerst einen definitiven Wert bestimmen, ab dem es brenzlig wird. Andere Untersuchungen, die nach möglichen Biomarkern suchten, konnten bisher ebenfalls keine eindeutigen Kandidaten erkennen.

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„Niemand glaubt ernsthaft daran, dass wir einen Marker finden, mit dem wir eine Vorhersage oder Diagnostik machen können", so Kittel-Schneider. „Wenn überhaupt, wird es ein Zusammenspiel aus psychosozialen Risikofaktoren und verschiedenen Blutuntersuchungen sein, mit denen wir bestimmen, ob eine Frau besonders gefährdet ist."

Ethisch und praktisch kompliziert

Insgesamt wäre noch viel Forschung nötig. Die gestaltet sich allerdings schwierig, zumal Interventionsstudien bei Schwangeren ethische Fragen aufwerfen. Die Ärztin weist zudem auf weitere Bedenken hin: Falsche Vorhersagen könnten bei den Frauen unnötige Sorgen und Stress verursachen, worauf auch Studien verweisen. „Wenn wir flächendeckend auf Biomarker screenen wollen, müssen die entsprechenden Tests sehr spezifisch und sensitiv sein - und das sehe ich bisher nicht." Noch problematischer wäre es, wenn präventiv behandelt werden soll, bevor überhaupt Symptome auftreten.

Stichwort Behandlung: Die ist nicht einfach zu bekommen. Bei leichter Depression hilft möglicherweise der Gang zum Hausarzt, aber wer psychotherapeutische Betreuung benötigt, muss mitunter monatelang auf einen Termin warten. Anders ist es, wenn es in der Nähe eine Spezialambulanz wie die von Kittel-Schneider gibt: „Wir versuchen, einen Termin innerhalb einer Woche zu finden, wenn es jemandem akut schlecht geht." Für Notfälle empfiehlt sie die nächstgelegene psychiatrische Klinik. Häufig wüssten die Betroffenen jedoch gar nicht, an wen sie sich wenden sollen - auch hier wäre vor der Geburt eine Information durch Frauenärzte hilfreich.

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