Herr Adam, bundesweit liegt die SPD in aktuellen Umfragen bei rund 22 Prozent. Wie ist die Situation in Ihrem Ortsverein?
Dieter Adam: Die Mitgliederzahlen haben sich mehr als halbiert. Von einst über 500 Mitgliedern zählen wir derzeit unter 200. Das liegt auch daran, dass die Parteienlandschaft heute vielfältiger geworden ist und einige Mitglieder abgewandert sind, weil wir nicht „links" oder nicht „grün" genug waren.
Bei der Bürgerschaftswahl 2015 haben nur die Grünen mehr Stimmen verloren als die SPD. Was glauben Sie, warum das so ist?
Ich kämpfe selbst mit meiner Partei um die Kerngebiete. Vor allem der Bereich Bildung und Soziales ist für Gröpelingen das zentrale Thema, das vernachlässigt worden ist. Hier leben Menschen aus vielen Nationen und Schichten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen mehr Perspektiven haben und durch gute Bildung die Chance haben, für sich selbst zu sorgen. Dann wird sich auch das Interesse an der Politik wieder verstärken. Die Perspektivlosigkeit ist über viele Jahre vor allem in Gröpelingen durch den Fortfall von einfachen Jobs in der Industrie gewachsen. Diese emotionale Haltung lässt sich nicht so leicht umkehren. Wir müssen uns dem stellen, darauf reagieren und aktiv werden. Ich würde mir etwa wünschen, dass es Programme gibt, die Menschen eine Perspektive bieten, ihr Selbstwertgefühl durch Tätigkeiten stabilisiert, oder auch kleinere Klassen in den Schulen, in denen viele Kinder und Jugendliche mit zu geringen Sprachkenntnissen lernen sollen, damit wir so viele junge Menschen wie möglich in eine Ausbildung bekommen.
Was machen andere Parteien ihrer Meinung nach besser als die SPD?
Ich glaube, die Menschen zeigen mit der Wahl mancher Parteien ihre Unzufriedenheit. Doch die Programme haben bei genauer Betrachtung keine Aussage. Ich kann mir nur vorstellen, dass dies Protestwahlen sind.
Welche Themen tragen die Menschen an Sie heran?
Meist Alltägliches: zu wenige Kitaplätze, Kleingärtner finden keine neuen Mieter für ihre Parzellen, oder es gibt Ärger um kaputte Straßen. Aber ich rede auch mit Menschen, die Ressentiments gegenüber anderen Kulturen haben und versuche Verständnis aufzubauen, damit keine Vorurteile entstehen.
Ist Ihre Arbeit schwieriger geworden?
Der Glaube an die Politik hat erhebliche Dellen bekommen. Die Menschen müssen oft zu lange warten, bis Dinge wie Bauanträge oder Sanierungen von Straßen oder Kitas geregelt werden. Und die Gelder im sozialen Bereich werden immer knapper. Das frustriert manche. Ich persönlich bin noch nicht angefeindet worden, aber das Gefühl, nicht mehr ernst genommen zu werden, kenne ich.
Was können die Bürger in Ihrem Stadtteil Gröpelingen zukünftig von der SPD erwarten?
Dass sich die SPD auf ihre Kernthemen konzentriert und mit mehr Druck auch Vorhaben anderen Parteien gegenüber durchsetzt. Und dass wir klarer Stellung beziehen, denn eines haben wir bisher nie getan: Wir haben nie etwas versprochen, was wir nicht halten können.
Das Gespräch führte Stefanie Heitmann.
Zur PersonDieter Adam ist seit 1988 Mitglied der SPD und seit 1996 Sprecher des Stadtteilbeirats Gröpelingen.