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Impfung gegen Blasenentzündung: Wie sie Lena geholfen hat

Lena (Name geändert) aus Essen litt Jahre lang an immer wiederkehrenden Blasenentzündungen. Eine Impfung hat ihr geholfen. Wie die Methode funktioniert – und warum sie umstritten ist. Foto: New Africa / Shutterstock / New Africa

Essen. Viele Frauen leiden unter wiederkehrenden Blasenentzündungen. Eine Impfung verspricht Abhilfe - doch die Methode ist umstritten.

Die Schmerzen kamen immer am Abend. Wenn Lena (Name geändert) kurz vor dem Schlafen gehen noch einmal auf die Toilette ging, waren sie auf einmal da. Brennen beim Wasserlassen; das Gefühl, ständig auf Toilette zu müssen, Bauchkrämpfe und blutiger Urin: Lena litt jahrelang an Blasenentzündungen. „Ich kann gar nicht mehr sagen, wie oft ich nachts um zwei Uhr beim ärztlichen Notdienst gehockt habe ", sagt sie.

Die Hälfte aller Frauen hatte Studien zufolge in ihrem Leben bereits einmal eine Blasenentzündung. Jede Dritte von ihnen erkrankt mindestens ein zweites Mal. Viele Betroffene leiden sehr unter der Krankheit - vor allem, wenn sie immer wiederkehrt. Viel trinken, warmhalten, nach dem Sex direkt auf die Toilette gehen: Bei einigen helfen die typischen Tipps, um einer Blasenentzündung vorzubeugen, nicht.

Dann folgt ein Harnwegsinfekt auf den nächsten, trotz Antibiotika. Zu den körperlichen Schmerzen kommt der psychische Stress. Dabei gibt es seit Jahren eine Impfung gegen Blasenentzündung. Doch die kennen nur wenige - und sie ist umstritten.

Immer wiederkehrende Blasenentzündung: „Es wurde immer schlimmer"

Ihre erste Blasenentzündung hatte Lena, als sie gerade 14 Jahre alt war. Danach kam der Infekt alle paar Jahre wieder, erzählt die heute 27-Jährige: „Ich erinnere mich noch, dass ich an einem Samstagmorgen zum Notdienst musste, weil mein Urin so blutig war. Aber es war dann nur einen Tag so schlimm und ging direkt wieder weg. Ich hatte nie wirklich große Probleme."

Bis sie vor sechs Jahren ihren Freund kennenlernte. Anfangs dachte sie noch, ihr Körper müsse sich einfach auf den neuen Sexualpartner einstellen. Doch die Abstände zwischen den Erkrankungen wurden immer kürzer, alle paar Wochen saß Lena im Wartezimmer. „Erst hatte ich nur jedes halbe Jahr eine Blasenentzündung. Ich dachte, es dauert einen Moment und wird dann wieder besser. Aber es wurde immer schlimmer."

Geschlechtsverkehr sei einer der möglichen Auslöser für eine Blasenentzündung, sagt Sulafah El-Khadra vom Berufsverband der Deutschen Urologie. „Generell werden Blasenentzündungen auch durch Unterkühlung, ein nicht ausgewogenes Trinkverhalten mit einer Urinmenge von weniger als 1,5 Litern pro Tag, übertriebene Intimhygiene, den Gebrauch von Spermiziden oder einen BMI von über 30 begünstigt", so die Expertin.

Dass Frauen häufiger als Männer eine Blasenentzündung bekommen, hat anatomische Gründe. Auslöser einer Blasenentzündung sind zu 95 Prozent Bakterien der natürlichen Darmflora. Die sogenannten Escherichia-coli-Bakterien zählen zu den häufigsten Erregern. Das Problem: Harnröhren- und Darmausgang liegen bei Frauen von Natur aus näher zusammen als bei Männern. Außerdem ist ihre Harnröhre kürzer, sodass die Bakterien schneller in die Blase gelangen.

In 30 bis 50 Prozent der Fälle heilen Harnwegsinfekte innerhalb einer Woche von selbst aus. Antibiotika können die Beschwerden lindern, sind meist aber nicht zwingend notwendig. Bei Lena allerdings schon.

Etliche Liter Tee, pflanzliche Tabletten, Schmerzmittel: Klassische Hilfsmittel zeigten bei ihr keine Wirkung. Nur mit Antibiotikum, das sie teilweise wochenlang einnahm, ließ sich der Harnwegsinfekt bekämpfen. „Der Arzt hat mir immer sofort Antibiotikum verschrieben, weil er meinte: ,Es ist so schlimm bei Ihnen, das geht anders nicht weg.' Aber ich wusste, dass ich meinen Körper nicht weiter mit Antibiotikum vollstopfen konnte."

Langzeitantibiotika sind in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Durch die Einnahme der Antibiotika können Expertinnen und Experten zufolge Resistenzen gegenüber den Bakterien auftreten. Wenn das Antibiotikum nicht mehr wirkt, müssen stärkere Medikamente eingenommen werden. Das kann dazu führen, dass die Darm- und Vaginalflora geschädigt wird. Ein Teufelskreis.

Seit 2017 empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Urologie daher in ihren Leitlinien eine Alternative zu Langzeitantibiotika: Mit einer Impfung soll die körpereigene Abwehr der Harnblase verbessert werden. Diese Immunstimulation, wie sie wissenschaftlich korrekt heißt, soll damit gegen wiederkehrende Blasenentzündungen helfen. Davon sprechen Ärztinnen und Ärzte, wenn man mehr als zwei Blasenentzündungen in sechs Monaten oder mehr als drei in zwölf Monaten hat.

Für die Impfung gibt es zwei Präparate: Eins in Spritzen- und eins in Kapselform. Den Impfstoff „UroVaxom" müssen Betroffene über drei Monate lang täglich einnehmen, „StroVac" wird hingegen mit insgesamt drei Injektionen mit einem Abstand von jeweils ein bis zwei Wochen in den Arm gespritzt, erklärt El-Khadra. Beide Impfungen sollten aufgefrischt werden, Strovac nach einem Jahr, UroVaxom nach drei Monaten.

Patientinnen zahlen Kosten für Impfung gegen Blasenentzündung

Die Immunisierung schlägt allerdings nicht bei allen Patientinnen an. Laut Studienlage senkt sich das Risiko einer erneuten Infektion beispielsweise bei der Immunisierung mit „StroVac" um 26 bis 93 Prozent, so El-Khadra. Eine große Spanne, die keine Gewissheit bietet. Die klinischen Ergebnisse sind laut Expertin allerdings sehr gut. Häufig könne durch die Immunisierung eine gute Prophylaxe gegen die Harnwegsinfekte erreicht werden.

Ein Problem: „Da die Impfung mit StroVac von der Ständigen Impfkommission nicht empfohlen wird, weil sie nur einen Teil der Bevölkerung betrifft, müssen die Patientinnen die Kosten für die Impfung selbst übernehmen", so El-Khadra.

Mehr als 100 Euro kostet eine Behandlung. Für Lena ein Grund, sich erst einmal gegen die Impfung zu entscheiden. „Vor drei oder vier Jahren hatte ein Urologe mir ein Rezept ausgestellt. Das habe ich dann aber verfallen lassen, weil es zu dem Zeitpunkt nicht so schlimm war und ich als Studentin nicht das Geld ausgeben wollte, ohne zu wissen, ob es überhaupt etwas bringt."

Doch Anfang des Jahres verschlimmerte sich ihr Zustand. Es verging kaum ein Monat ohne Blasenentzündung. Sie sei psychisch „total am Limit" gewesen. Selbst, wenn sie gesund war, fürchtete sie sich jeden Abend vor einer Infektion. „Fühlt sich meine Blase normal an? Oder ist da wieder ein leichtes Ziehen? Habe ich genug getrunken?" Fragen wie diese ließen sie oft nicht einschlafen. „Ich hatte pausenlos Angst, dass sie wiederkommt und konnte mich auch auf der Arbeit nicht mehr richtig konzentrieren."

Als sie innerhalb von drei Monaten drei Mal einen Infekt hatte, beschloss Lena: „So kann es nicht weitergehen." In Essen, wo sie eine Ausbildung begonnen hatte, suchte sie einen neuen Urologen auf. Auch er empfahl ihr die Immunisierung, die allerdings längst nicht bei allen Ärztinnen und Ärzten bekannt ist. „Er meinte, 70 Prozent seiner Patientinnen hatten danach weniger oder teilweise auch gar keine Beschwerden mehr. Das war mir dann den Versuch wert."

Lena erhielt die insgesamt drei Spritzen mit einem Abstand von jeweils zehn Tagen. Ihr Arm schmerzte nach den Impfungen so sehr, dass sie ihn kaum bewegen konnte. Nach der dritten Spritze bekam sie Schüttelfrost und Fieber - aber keine Blasenentzündung mehr. Seit nunmehr fünf Monaten ist Lena gesund. Sie hat zwar noch Sorge, dass es im Winter wieder schlimmer wird, da ihre Beschwerden im Sommer stets geringer waren, sagt sie. „Aber ich merke, dass ich nicht mehr jeden Tag Angst habe. Im Gegenteil. Manchmal liege ich abends im Bett und denke: Es ist so schön, keine Blasenentzündung zu haben. Und dann bin ich so richtig dankbar dafür, dass ich mich gerade so normal fühle."

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