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Gender Reveal Party: Das steckt hinter dem Trend aus den USA

Rauchbomben, Konfetti oder passend gefärbte Torten: Um das Geschlecht ihres Babys bei einer Gender Reveal Party zu verkünden, werden viele werdende Eltern kreativ. Foto: Jacob Lund / Shutterstock

Bochum/Velbert. Bei Gender-Reveal-Partys erfahren Eltern das Geschlecht ihres Babys. Was hinter dem Trend steckt und was eine Bochumer Gender-Expertin dazu sagt.

Als der große Ballon platzte und hellblaues Konfetti durch den Raum flog, fingen ihre Freunde und Verwandte „laut an zu schreien", erinnert sich Anne. Sie alle waren davon ausgegangen, dass sich die Luft rosa färben würde. Schließlich verlief Annes Schwangerschaft so anders als bei ihrem ersten Sohn.

„Und, was wird es denn?" Diese Frage lassen sich viele werdende Eltern nicht mehr zu zweit beim Frauenarzt beantworten, sondern bei einer großen Feier - einer sogenannten Gender Reveal Party. Ausgelöst hat den Trend die US-amerikanische Bloggerin Jenna Karvunidis. Vor 15 Jahren kam sie auf die Idee, das Geschlecht ihres Babys durch einen mit rosa Zuckerguss gefüllten Kuchen zu verkünden.

Seitdem sind Gender Reveal Partys (Geschlechts-Bekanntgabe-Feier) in den USA weit verbreitet, im Internet gibt es haufenweise Videos von spektakulären Enthüllungen. Ein Influencer-Paar ließ etwa den Burj Khalifa, den höchsten Wolkenkratzer Dubais, blau erleuchten. Ein anderes ließ einen Hubschrauber über die Party fliegen, der blauen Rauch abschoss.

„Ich habe immer diese ganzen Videos aus den USA auf TikTok und Instagram gesehen und habe gedacht: So groß ist es übertrieben, aber so im kleinen Kreis fände ich es schön", erzählt Anne. Damit sie und ihr Mann erst auf der Feier erfahren konnten, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, weihte die heute 30-jährige Velberterin eine Freundin ein. Diese ließ sich anstelle von Anne am Telefon das Geschlecht des Babys verraten, um dann die Party zu organisieren.

Dass sich immer mehr werdende Eltern bei einer Feier überraschen lassen und das Geschlecht des Babys nicht beim Frauenarztbesuch mitgeteilt bekommen wollen, stellt auch Patricia Nentwich vom Landesverband der Frauenärzte in NRW fest. „Die ersten Anfragen, dass ich das Geschlecht zum Beispiel auf einem Zettel notieren soll, den die Mutter dann einer Freundin geben kann, kamen schon vor vier oder fünf Jahren", erzählt sie.

Mittlerweile komme das immer häufiger vor, viele Eltern wollen das Geschlecht außerdem so früh wie möglich erfahren, sagt Nentwich: „Teilweise wollen sie es schon vor der 14. Woche wissen. Das ist gesetzlich aber untersagt und oft unsicher. Ich habe schon enttäuschte Mütter erlebt, ,weil doch meine Schwester schon alles organisiert hat'. Ich teile es aber grundsätzlich erst dann mit, wenn ich mir sicher bin. Die Party muss warten."

Als bei Anne der Tag der Feier endlich gekommen war, war sie in der 16. Schwangerschaftswoche - und „total aufgeregt". Dabei sei es ihr eigentlich „voll egal" gewesen, welches Geschlecht das Baby hat: „Das hatte für mich überhaupt keine große Bedeutung. Es ging mir darum, alle Lieben dabei zu haben und dann im engsten Kreis zu verkünden, was es wird."

So geht es vielen Eltern, sagt Susanne Stark. Für die Gendermarketingforscherin der Hochschule Bochum fügt sich der Trend der Gender Reveal Partys in eine Reihe von Phänomenen, die sie schon länger beobachtet. „Wir leben in einer sehr hedonistisch orientierten Zeit. Das meint das Streben nach Erleben, nach Emotionalen, nach Spaß, nach einer Gemeinschaft. Das führt dazu, dass solche Ereignisse in dieser Form gefeiert und inszeniert werden ", so die Expertin.

Gleichzeitig laufen Gender Reveal Partys - zumindest auf den ersten Blick - entgegen einem anderen Trend: der Genderneutralität. Viele Eltern versuchen heutzutage, ihre Kinder nicht in klassische Geschlechterrollen zu drängen, kleiden sie zum Beispiel nicht in blau und rosa, sondern beige.

Stehen die Gender Reveal Partys mit ihrer Trennung in Pink und Blau damit nicht für Stereotype, die wir längst überwunden haben? „Die Zuweisung von Pink und Blau ist zunächst nur rein informativ", sagt Stark. Vor ein paar 100 Jahren war es noch umgekehrt, so Stark: Rot stand für Männlichkeit, also trugen Jungs rosa. Und Hellblau stand für Mädchen, ausgehend von dem blauen Mantel der Jungfrau Maria.

„Die Farben sind nur ein Signal, auf das wir uns als Gesellschaft geeinigt haben. Also ist es auch logisch, dass Eltern blaues oder rosafarbenes Konfetti wählen." Allerdings sei es wichtig, dass Eltern bei der weiteren Dekoration der Feier darauf achten, „nicht nur pinke Prinzessinnen mit Einhörnern und blaue, mutige Piraten zu zeigen, denn dann werden nur alte Rollenklischees verfestigt".

Wenn die Farbbomben verpufft sind, die Torte gegessen wurde und das Konfetti im Müll gelandet ist, sollten sich werdende Eltern klarmachen, dass das Geschlecht zwar eine wichtige Rolle spiele, „aber längst nicht alles ist, was einen Menschen und seine Persönlichkeit ausmacht ".

So sieht es auch Anne. Sie lässt ihre Söhne daher auch mit Puppen spielen oder sich als die weiblichen Hauptfiguren aus ihrem Lieblingsfilm „Die Eiskönigin" verkleiden. „Eine Gender Reveal Party würde ich aber immer wieder machen", sagt Anne. „Das war richtig, richtig cool. Ich gucke mir auch heute noch total gerne die Videos an, da kommen so viele Emotionen hoch."

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