Desmond geht zu "Black Lives Matter"-Demonstrationen. Kürzlich hielt er in Hannover vor über 1000 Menschen eine Rede. Hier berichtet er von Rassismus im Bildungswesen, und er sagt, was sich ändern müsste.
Dein SPIEGEL: Kannst du erklären, was Rassismus ist?
Desmond: Das Wort Rassismus kannte ich vor ein paar Wochen noch gar nicht. In der Schule haben wir nie darüber gesprochen. Seit Kurzem gehe ich mit meiner älteren Schwester zu "Black Lives Matter"-Demonstrationen. Dort habe ich das Wort Rassismus zum ersten Mal gehört. Eine Frau auf der Bühne hat ein Experiment mit den Zuschauern gemacht. Wir sollten unsere Hände hochhalten. Dann hat sie gesagt: "Alle, die schon mal wegen ihrer Hautfarbe beschimpft wurden, nehmen einen Finger runter." Und: "Alle, denen schon mal gesagt wurde, sie sollen zurück in ihr Land gehen, nehmen einen Finger runter." Und: "Alle, die schon mal gefragt wurden, ob man ihre Haare anfassen kann, nehmen einen Finger runter." Das sind alles Beispiele für Rassismus. Sie hat zehn davon genannt. Ich hatte am Ende fünf Finger unten. Meine Schwester alle zehn.
In Hannover hast du selbst vor über 1000 Menschen eine Rede gehalten. Wie kam es dazu?
Meine Familie ist mit der Frau befreundet, die die Demonstrationen veranstaltet. Sie fragte mich, ob ich Lust habe, mitzumachen und auf der Bühne zu reden. Ich habe sofort zugesagt. Ich musste auch nicht lange überlegen, was ich erzählen will.
Worüber hast du gesprochen?Dass ich nicht als Affe bezeichnet werden möchte. Ich weiß nicht, wieso andere mich so nennen. Ältere Kinder haben mich schon oft so genannt. Sie sagen Affe zu mir, aber ich heiße Desmond. Ich werde auch Schoko genannt. Das macht mich wütend. Ich habe gemerkt, dass Leute mit einer anderen Hautfarbe manchmal besser behandelt werden. Das fing schon im Kindergarten an. Mir haben die Erzieher nie geglaubt, wenn ich Streit mit anderen Kindern hatte.
Was muss sich deiner Meinung nach ändern?In der Schule sollte mehr gegen Rassismus gemacht werden. Meine Lehrer sollten fair bleiben, wenn wir Kinder uns streiten. Ich wünsche mir, dass es eine Stelle gibt, zu der wir gehen können, wenn wir Probleme haben. Die Lehrer und Eltern könnten dort mehr über Rassismus lernen.
Hast du denn auf den Demonstrationen auch andere Kinder getroffen?Nein, da waren fast gar keine anderen Kinder. Das finde ich schade. Es macht Spaß, mit so vielen Menschen durch die Stadt zu laufen. Und es ist wichtig. Wir wollen Rassismus stoppen.
Dieses Interview erschien in "Dein SPIEGEL" 08/2020. Rétablir l'original