Klara Geywitz war bisher keine Frau der ersten Reihe. Zumindest nicht im oft so aufgeregten Berliner Politikbetrieb. Doch in ihre neue Rolle als Kandidatin für den SPD-Vorsitz scheint sie sich rasch eingefunden zu haben: Den Trubel, der sie erwartet, als sie mit Finanzminister Olaf Scholz im Haus der Bundespressekonferenz eintrifft, nimmt sie gelassen hin.
Bis am Dienstag bekannt wurde, dass sich die beiden im Duo um die künftige SPD-Führung bewerben, war der Name Geywitz den meisten Menschen außerhalb Brandenburgs kein Begriff. Umso größer ist daher nun die Neugier: Wer ist die Frau, die plötzlich aus dem Hintergrund nach vorne tritt, um gemeinsam mit Vizekanzler Scholz die SPD wieder aufzurichten?
Beim ersten gemeinsamen Auftritt sind Scholz und Geywitz sichtlich bemüht, ein ausgewogenes Polit-Paar abzugeben. Der bekannte Scholz soll seine Kollegin nicht überstrahlen, Geywitz nicht nur das "dekorative Salatblatt an seiner Seite sein", wie sie es formuliert.
"Eine einfache Person aus dem Volk"
Das Verkaufsversprechen des Bewerberduos wird schnell klar: Olaf Scholz, 61 Jahre alt, ist der große Name, der Mann mit Regierungserfahrung, seit fast 20 Jahren in der Bundespolitik präsent. Geywitz soll dagegen das Bodenständige verkörpern: eine junge Ostdeutsche, Mutter dreier Kinder, lokal verankert. Oder wie sie sich selbst beschreibt: "Eine einfache Person aus dem Volk."
Das bedeutet allerdings nicht, dass die 43-Jährige keine politische Erfahrung hat. Im Gegenteil: Auch sie ist schon lange im Geschäft, seit 15 Jahren sitzt sie im Landtag von Brandenburg, gewann drei Mal das Direktmandat in ihrem Potsdamer Wahlkreis.
Sie leitete eine Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und einen Sonderausschuss zum Flughafen Berlin-Brandenburg, arbeitete als parlamentarische Geschäftsführerin und später als Generalsekretärin der Landes-SPD. Von diesem Amt trat sie 2017 zurück, weil Dietmar Woidke ohne Rücksprache die von ihr befürwortete Kreisreform absagte. Klara Geywitz wollte sich nicht so einfach beugen - allerdings kam ihr Schritt nicht überall in der Partei gut an. Manche Sozialdemokraten wollen darin bis heute eine gewisse Illoyalität gegenüber ihrem Chef erkennen.
Scholz und Geywitz sind sich in vielem ähnlich
Eine Unbekannte ist Geywitz daher - in Brandenburg - nicht. Wann immer die dortige SPD in den vergangenen Jahren einen wichtigen Posten zu vergeben hatte, fiel auch Geywitz' Name. Sie wurde als mögliche Nachfolgerin des Potsdamer Oberbürgermeisters gehandelt, war mehrfach für Ministerposten im Gespräch und galt als mögliche Nachfolgerin des Brandenburger SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. Im Frühjahr machte die Politikerin bundespolitisch auf sich aufmerksam, als sie sich für das Paritätsgesetz in Brandenburg einsetzte und dieses auch zum Modell für andere Bundesländer erklärte.
In der SPD wird sie als politisches und taktisch kluges Talent gehandelt. Nicht umsonst verhandelte Geywitz auch mit, als sich Union und SPD im vergangenen Jahr auf Bundesebene erneut zur Großen Koalition zusammenrauften. Als "gute Strategin" beschreibt sie auch ihr Parteikollege Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, der schon Mitte der Neunzigerjahre mit ihr bei den Jusos zusammengearbeitet hat. "Sie ist eine der klügsten und stärksten Frauen, die wir in der SPD haben", sagt Schneider.
Scholz und Geywitz legen Wert darauf, ihre verschiedenen Biografien zu betonen. Er soll die Fakten bringen, sie das Leben, er den Namen und sie das Nahbare. Doch die beiden eint mehr als der trockene Humor und dass sie beide "gerne Bücher lesen", wie Geywitz es beschreibt. Beide bewegen sich in der Parteimitte, beide sind tief in der SPD verwurzelt. Wie Scholz ist auch die Brandenburgerin seit ihrer Jugend dort aktiv. Sie ist in einer Partnerschaft mit dem Journalisten Ulrich Deupmann, der unter anderem für den damaligen SPD-Außenminister Frank Walter-Steinmeier Reden schrieb.
Gut vernetzt - Vorteil oder Nachteil?
Geywitz kennt die Partei also gut, sie gilt als bestens in der SPD vernetzt. Es wird interessant sein zu beobachten, ob ihr das im Rennen um den Vorsitz eher hilft oder eher schadet. Es gibt viele in der SPD, die meinen, jetzt sei eigentlich die Zeit gekommen für Sozialdemokraten, die eben nicht aus dem Apparat kommen. Scholz und Geywitz sind beide Insider.
Für Geywitz aber ist offenbar für sie der richtige Zeitpunkt gekommen, um nach vorn zu streben. Gemeinsam mit Scholz will sie an die Spitze und die schwer kriselnde SPD wieder stark machen. Die erste Hürde hat das Duo bereits genommen. Die SPD in Hamburg hat sich hinter die beiden Kandidaten gestellt. Damit sind Scholz und Geywitz offiziell im Rennen für den Parteivorsitz.
Und wenn sie für so etwas kandidiere, sagt Geywitz, "dann möchte ich auch gewinnen".
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Geywitz sei mit dem Journalisten Ulrich Deupmann verheiratet. Tatsächlich sind die beiden in einer Partnerschaft.