Andreas Jacobs, Oberhaupt der milliardenschweren Unternehmerdynastie, über sein Leben als Sohn und Vater (von vier Kindern), über Erziehung und Achtsamkeit und das Beste, was man sich für Geld kaufen kann.
B Herr Jacobs, wann haben Sie zum ersten Mal im Leben eine Verpflichtung gegenüber Ihrem Milliardenerbe empfunden?
Oh, daran erinnere ich mich sehr gut: Es war im Jahr 2000. Damals hatte mein Vater mich gebeten, ihm beim Nordamerika-Geschäft unserer Beteiligung Brach’s Candies zu helfen. Der Vater fragte den Sohn ... und hinter dieser Frage steckte Vertrauen, Respekt vor dem, was ich machte oder noch machen könnte. Als Sohn fühlst du dich da natürlich enorm aufgewertet und bist stolz. Als er mich 2003 dann fragte, ob ich die Führung unserer Familien-Investmentholding übernehmen wollte, war mein erster Gedanke: Kann ich das denn? Und als ich dachte, ich kann das: Will ich mein Leben so verändern, dass ich mich dem widme und unterordne, was das große familiäre Ziel ist?
B Was hat Sie bewogen, die Führung der Jacobs-Holding zu übernehmen: War es Pflichtgefühl, war es Berufung?
Sagen wir so: In jungen Jahren war ich eigentlich nie davon ausgegangen, eine führende Rolle in Holding oder Stiftung zu übernehmen. Als ich es dann tat, spielte sicherlich auch ein gewisser sportlicher und unternehmerischer Ehrgeiz mit. Damals war mein Vater aber auch noch fit und konnte mir sehr helfen.
B 2007 stellte man bei ihm einen Hirntumor fest. Sie waren mehr und mehr auf sich allein gestellt.
Ja, das war dann natürlich noch mal eine Runde schwieriger, weil ich sonntagnachmittags niemanden mehr fragen konnte: „Hör’ mal, was würdest du machen?“ Vor allem in der Rezession 2008 und 2009. Das war ein Drama: Unsere Umsätze gingen teilweise um 30 Prozent zurück, besonders bei Adecco lief es schlecht ...
B ... der Zeitarbeitsfirma, deren Hauptaktionär Sie bis 2014 waren.
Ich konnte so manche Nacht nicht schlafen. In der letzten Phase meiner Arbeit für die Holding war für mich deshalb wichtig, dass ich das Haus in Ordnung bringe. Als das geglückt war, habe ich gesagt: Fein, die Berufung ist vorbei. Next one.
B Im vergangenen Jahr haben Sie die Holding-Leitung an Ihre Halbbrüder Nicolas und Philippe übergeben. Dem Familienrat gehören Sie weiter an, er lenkt die unternehmerischen Geschicke Ihrer Familie. Wie empfinden Sie die Pflicht zur Gemeinsamkeit mit Geschwistern und Stiefmutter?
Eine Erbschaft bringt eben die Notwendigkeit mit sich, unter Geschwistern auszukommen. Dass dies gelingt, ist elementar wichtig. Deine Geschwister wirst du bis an dein Lebensende nie los – wenn ich es einmal flapsig formulieren darf –, auch wenn du sie mal loswerden willst. Bei uns gibt es keinen, der alleine das Sagen hat. Unsere Struktur ist so aufgebaut, dass das wesentliche Kapital nicht uns selbst gehört, sondern unserer Stiftung. Wir arbeiten also nicht für unser eigenes Portemonnaie und unser eigenes Ego. Wir sind Sachwalter, die eine Zeit lang zum Gelingen der Geschäfte beitragen und ihre Aufgabe dann an den nächsten übergeben. Das begrenzt den eigenen Drang, Macht zu übernehmen, doch sehr.
B Lässt sich Verpflichtung denn so einfach weiterreichen wie ein Posten?
Jeder Mensch in der Gesellschaft hat ja eine Verpflichtung, nämlich die, einen Beitrag zu leisten. Das Leben kann nicht daraus bestehen, dass du 40 Stunden lang arbeitest, Steuern zahlst und danach sagst: Der Rest der Welt interessiert mich nicht. Etwas an die Gesellschaft zurückzugeben ist für mich deshalb sehr wichtig. Und ich finde es auch ganz selbstverständlich, dass man einen Beitrag leistet. Als ich die Leitung der Holding abgegeben hatte, da habe ich mich gefragt: Was waren eigentlich die wichtigsten Momente in meinem Leben? Wem sollte ich etwas zurückgeben?
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