Der Über-Manager und Super-Agent Shep Gordon ist eine Sagengestalt der Unterhaltungsindustrie und ein durch und durch netter Kerl. Wir haben ihn auf Hawaii besucht und dem Sagengestalt-Test unterzogen.
Er ist ein lieber Freund. Ein außergewöhnlicher Kerl. Er hat eine erstaunliche Karriere hingelegt.“ Michael Douglas (70) setzt eine Miene auf, die er wohl verschwörerisch nennen würde: „Ich habe ihm Dinge anvertraut, die ich niemandem sonst erzählt habe. Nicht mal meiner Frau.“
„Er ist ein Beschützer. Er sorgt dafür, dass es dir an nichts fehlt “, sagt Sylvester Stallone (68). Alice Cooper (67) sagt: „Hätte ich ihn nicht gehabt, ich hätte zwei Jahre durchgehalten, vielleicht drei. Dann wäre es zu Ende gewesen.“
Die Persönlichkeit, die Douglas, Stallone und Cooper so entzückt, ihr Lob und ihren Preis erregt, ist der angesehenste Agent Amerikas, der unglaubliche, der fantastische, der große Shep Gordon (69), ein Wunderagent, ein Berühmtheitenerschaffer, ein Wohlstandsbringer und sogar Held eines Dokumentarfilms mit dem sinnigen Titel Supermensch: The Legend of Shep Gordon.
Stallone, Douglas und Cooper – man kennt die drei –, aber Shep Gordon? Wer ist dieser Mann, den der Musikproduzent Bob Ezrin (66) als den „Inbegriff eines Managers“ bezeichnet und von dem er sagt, er habe die Regeln aufgestellt, die alle anderen zu befolgen versuchen, und von dem der Rocksänger Steven Tyler (67) meint: „Wenn dieser Typ sauer wird, dann kocht er für den Dalai Lama.“?
Der beliebteste Manager der Musikindustrie lebt in einem einstöckigen, weitläufigen und cremefarben getünchten Haus in Kihei im Westen Mauis, der zweitgrößten Insel des Archipels Hawaii. Es liegt unauffällig am Ende einer Küstenstraße, verdeckt von Büschen und Palmen und vom Strand aus geschützt hinter der übermannshohen Böschung.
Klatschfotografen schätzen das Anwesen als Außenstelle Hollywoods: Bei Gordon treffen sich die Leute, deren Fotos Prominentenmagazine mit Vorliebe kaufen. Vor ein paar Tagen erst hat ihn Caleb Followill (37) besucht, der Sänger der US-Rockband Kings of Leon.
Vor der Schwelle stehen drei Paar Slipper (schwarz, dunkelbraun, beigefarben) und zwei Paar Turnschuhe (weiß, mit Schnürsenkeln, mit Klettverschluss). Über der Tür hängen Gebetsfahnen aus Tibet: in Blau, Weiß, Rot, Grün, Gelb. Das Gebäude erstreckt sich über drei Flügel. Es gibt bodentiefe Fenster, eine Küche, auf deren Tresen Plastikflaschen und Tüten stehen, viel schweres Holzmobiliar sowie eine Menge Fotos, Figuren, Vasen, Trophäen, Goldene und Platinschallplatten, „presented to Shep Gordon“.
Man kann sich Shep Gordon vorstellen als den Schöpfer eines Wirtschaftskosmos, in dem es immerzu jemandes bedarf, der eine Nische zu einem Milliardengeschäft ausdehnt. Er ist dazu von einer Gelassenheit, wie man sie erlangt, wenn man allen Versuchungen des Lebens schon einmal nachgegeben hat.
Von 1968 bis 2000 verhalf er Musikern und Schauspielern, Künstlern und Köchen zu Ruhm und Reichtum: Alice Cooper, Blondie, die Calloways, George Clinton, die Gipsy Kings, Teddy Pendergrass, die Pointer Sisters, Jean-Luc Ponty, Rick James, Luther Vandross, Groucho Marx, Raquel Welch, Daniel Boulud, Wolfgang Puck und andere mehr.
Seine Wunder vollbrachte Gordon, indem er Geschichten erzählte, für und über seine Künstler, auch Aufmerksamkeit erregte, die sie in den USA promotion nennen und die oft wirksamer und wichtiger ist als Talent.
Mit allerlei Kniffen, die so vorausschauend wie neuartig und anstoßerregend waren, vermittelte er eine Idee davon, dass ein Wirtschaftsstudium und ein gut sitzender Anzug nicht ausreichen, um sich in der Szene durchzusetzen. Gordon erbrachte den Nachweis, dass es stattdessen echter Beherztheit bedarf – und dass diese Beherztheit, trotz oder wegen all der bad guys, auch Mitgefühl einschließen kann.
Weil er auch noch die schönsten Frauen ausführte, zum Beispiel Sharon Stone (57), und die unterhaltsamsten Geschichten aus Hollywood zu erzählen verstand, eiferten ihm viele junge Manager nach und beknieten ihn, ihnen seine Geheimnisse zu verraten.
[...]Zuerst erschienen in Bilanz 05/2015.
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