Bezahlbarer Wohnraum, Mobilität und eine umweltbewusstere Lebensweise – Tiny DaHome im Portrait
„Durch ein kleineres Haus, das zusätzlich nachhaltig gebaut ist, kann man seinen ökologischen Fußabdruck minimieren.“
„Dahoam“: Das ist die erste Assoziation, die der gewählte Name der neuen Behausung von Felicia Rief und Jonas Bischofberger zulässt, die als „Tiny DaHome“ diesen Frühling fertiggestellt wird. Bayrische Gemütlichkeit gepaart mit der Philosophie der zurecht gehypten, erschwinglichen Modulhäuser – mit diesem Konzept hat sich das Paar in der Nähe von Garmisch / Oberbayern händisch ein eigenes Zuhause gebaut. Mit der Idee sind sie nicht allein: Das populäre Tiny House Movement ist zu einer tatsächlichen (und sprichwörtlichen) Bewegung geworden, die weltweit einen individuellen Lebensstil in kleinem Maßstab propagiert.
Das Bauprojekt Tiny DaHome stellten Felicia und Jonas im vergangenen Jahr bei der Veranstaltungsreihe „WOHN | UTOPIA – München, wie wohnst du morgen?“ vor, zu der unter anderem die Friedrich-Ebert-Stiftung einlud. Diese Fragestellung betrifft natürlich längst Orte außerhalb Münchens; international werden rund um Tiny Homes nicht nur Belange der Ökologie und Architektur diskutiert, sondern auch Forschung und Innovation betrieben, wie etwa die Verwendung von 3D-Druck-Bauverfahren.
„Ein Tiny House bedeutet letztlich eine Einschränkung an Platz, aber einen Gewinn an Freiheit, auch finanziell.“
Auch der gelebte Alltag spielt eine Rolle, denn wo selbstbestimmter Wohnraum an seine Grenzen stößt, beginnt für viele die Suche nach einer Alternative – sowohl aus finanziellen, als auch gestalterischen Gründen. Preislich liegt die Anschaffung eines Tiny Houses, je nach Materialien und Ausstattung, grob zwischen 20.000 und 60.000 €. Und der Freiraum, der einem als Käufer oder Bauherr bei der Gestaltung obliegt, übertrumpft die Entfaltungsmöglichkeiten in Stadtwohnungen signifikant.
Der Fernsehmoderator Peter Lustig hat in „Löwenzahn“ mit seinem Leben im Bauwagen umweltbewusste, eigensinnige Gewohnheiten vorgestellt und damit charmante, manchmal kauzige Wissensvermittlung betrieben. Auch Felicia und Jonas, zu deren kleiner Kernfamilie die Australian Shepherd-Appenzeller Hundedame Nera zählt, finden ihr Tiny Home nicht nur weitaus attraktiver, als eine Wohnung in der Innenstadt, sie möchten zudem für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren: „Unser Wohnprojekt wird sich mit Themen wie Ressourcenverbrauch, ökologischem Bauen, innovativen Kleinwohnformen, Minimalismus, Konsum und Wachstum beschäftigen.“
Zu den Hintergründen hat Felicia Rief einige Fragen beantwortet.
Sonja: Felicia, warum wolltet ihr auf weniger Raum leben?
Felicia: Wir wollen ausprobieren, wie viel man wirklich zum Leben braucht: Auf was kann man verzichten und was ist wichtig im Leben – Dinge, Momente, Menschen? Und hat weniger Besitz eventuell eine stressreduzierende Wirkung, weil ich mich um weniger Dinge sorgen muss? Auch das wollen wir testen.
Weniger Raum bedeutet weniger Ressourcenverbrauch. Seit den 50ern hat sich der Flächenbedarf beziehungsweise die Quadratmeterzahl, die ein Mensch beansprucht, vervielfacht. Das versiegelt immer mehr Fläche und raubt Platz für Grünflächen und Bäume, die im Sommer die Stadt abkühlen und CO² aufnehmen.
Der zusätzliche Bonus: Da Jonas und ich sehr putzfaul sind, bedeutet weniger Fläche natürlich auch, weniger Zeit für Putzen, Aufräumen und Instandhalten der Wohnung verschwenden zu müssen.
Sonja: Welche Beweggründe hattet ihr, euch mit alternativen Lebensräumen zu beschäftigen?
Felicia: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die Mobilität des Tiny Houses und die umweltbewusstere Lebensweise. Wir wollen den Mietwahnsinn nicht weiter akzeptieren und ein Zeichen setzen: Ich kann für eine 50m² Wohnung in München über 1000 € zahlen oder statt zwei Jahre Miete ein Tiny House finanzieren. Wir haben uns für die zweite Option entschieden und uns so eine „Mobilie“ finanziert, die sich flexibel an unsere Lebensentwürfe anpasst.
Durch ein kleineres Haus, das zusätzlich nachhaltig gebaut ist, kann man seinen ökologischen Fußabdruck minimieren. Man verbraucht weniger Strom und Wasser und hat weniger Platz, um unnötige Konsumartikel anzuhäufen.
Sonja: Wie war euer Prozess bis zu Tiny DaHome?
Felicia: Wir haben viele Sommer in einem selbst ausgebauten Bus gelebt und wissen letztlich, dass wir auf kleinem Raum klar kommen. Zudem hatte ich in meiner WG auch nicht mehr Platz als jetzt im Tiny House. Eigentlich sehen wir das Tiny eher als Upgrade: Es ist funktionaler designt und die Raumaufteilung ist an unsere Bedürfnisse angepasst.
Sonja: Habt ihr Kritik erhalten?
Felicia: Viele sagen, dass Tiny Houses das Wohnproblem in Städten nicht lösen. Natürlich muss in Städten in die Höhe gebaut werden. Aber wenn sich der Wohnraum, den eine Person beansprucht, seit den 50ern vervielfacht hat, liegt das Problem woanders. Außerdem sind Tiny Houses in Städten durchaus sinnvoll als Zwischennutzungen und zur Nachverdichtung in Hinterhöfen oder auf Fabrikdächern. Bevor eine Fläche 5 Jahre bis zum Bau leer steht, kann diese sinnvoll mit mobilen Tiny Houses zwischengenutzt werden. Und auf den Dächern von Discountern und anderen Flachbauten könnte zusätzlicher Wohnraum entstehen. Dazu gibt es bereits zahlreiche Studien.
Sonja: Merkt ihr irgendeine Einschränkung?
Felicia: Das können wir letztlich erst beantworten, wenn wir dauerhaft darin wohnen. Dann können wir testen, ob unser selbstproduzierter Solarstrom auch im Winter für alle Geräte reicht.Eine Einschränkung ist derzeit die gesetzliche Grauzone, in die ein Tiny House fällt. (Anm. d. Red.: So werden einem beim Einholen der Baugenehmigungen, der Erschließung des Grundstücks oder dem Erstellen des Energieausweises unnötige Steine in den Weg gelegt.) Aber aufgrund des ausufernden Mietmarktes ist ein Umdenken in der Politik spürbar. Menschen, die sich freiwillig verkleinern wollen und einen ressourcensparenden Lebensstil wählen, sollte man unterstützen anstatt gesetzlich daran zu hindern.
Sonja: Was würdet ihr Menschen raten, die so wie ihr eine Veränderung wollen?
Felicia: Ein Tiny House bedeutet letztlich eine Einschränkung an Platz aber einen Gewinn an Freiheit, auch finanziell. Wichtig ist, sich mit Leuten zu vernetzen, die ähnliche Interessen haben. Es gibt mittlerweile Vereine in Deutschland und der Schweiz, bei denen man Gleichgesinnte trifft. Oft sind diese Vereine auch schon mit Gemeinden oder der Stadtverwaltung in Kontakt. Je mehr Menschen sich mit den selben Interesse vernetzen, desto eher wird sich auch etwas verändern.
Sonja: Führt ihr weiterhin eure Berufe, Grundschullehrer und angehende Wirtschaftspsychologin, aus?
Felicia: Jonas wird weiterhin als Grundschullehrer arbeiten und nebenbei seiner Passion als Fotograf und Snowboardlehrer nachgehen. Und ich werde mich in Forschung und Praxis mit wirtschaftspsychologischen Themen beschäftigen. Ein großes Thema ist hier die Zukunft der Arbeit in Zeiten der Digitalisierung und die Chancen und Risiken eines Grundeinkommens bei zunehmender Automatisierung des Arbeitsmarktes.
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