UNISTANDARD: Ihnen wurde der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis für Ihre Theorien zu Marktdesign zuerkannt, die auf Spieltheorie basieren. Worauf beziehen Sie sich?
Roth: Die Spieltheorie ist ein Gebiet der Mathematik, das sich mit Wirtschaft beschäftigt und untersucht, wie Menschen, die unterschiedliche Ziele verfolgen, miteinander interagieren. Wenn Marktdesigner einen Marktplatz kreieren, müssen sie Spielregeln entwerfen, damit das "Matching"- die Zuordnung optimaler Paare - so gestaltet ist, dass die Spieler ihre Position nicht mehr verändern wollen. Die Schwierigkeit ist, die richtigen Regeln zu entwerfen, sodass die Spieler ehrlich ihre Präferenzen preisgeben. Wir müssen die Chance haben, ihnen das zu geben, was sie wollen.
UNISTANDARD: Sie haben ein Modell entwickelt, um High-School-Plätze in Boston und New York zu vergeben. Worin lag davor das Problem?
Roth: Im alten Prozess musste man eine Präferenzliste mit drei Schulen erstellen. Hatte man als Schüler eine Schule zwar an erster Stelle gereiht, bekam aber keinen Platz mehr, waren die Chancen gering, an die zweitgereihte Schule zu kommen, da dort wiederum die Plätze oft schon an jene vergeben worden waren, für die diese Schule die erste Wahl war. In dem System war es aufgrund des eingesetzten Algorithmus möglich, bewusst falsche Präferenzen zu setzen, um die Chance, an der bestmöglichen Schule genommen zu werden, zu erhöhen.
UNISTANDARD: Was ist nun der Vorteil Ihres Systems?
Roth: Im neuen System ist die Vergabe durch den Gale-Shapely-Algorithmus erst am Ende fix, wodurch unter anderem die Sicherheit für die Teilnehmer gewährleistet werden kann.
UNISTANDARD: Welche Bedingungen braucht der Markt?
Roth: Jeder Marktplatz muss dem Markt helfen, dicht zu werden, das heißt, wenn er Teilnehmer zusammenbringt, die bereit sind, gleichzeitig gemeinsam Geschäfte zu tätigen, damit jeder den großen Anteil der für sie verfügbaren Transaktionen sieht.
UNISTANDARD: Kann dieses System auch für Unis adaptiert werden, oder gibt es bereits so ein System?
Roth: Es gibt kein ähnliches in den USA, wo die Zugänge sehr dezentral sind, aber in Deutschland ist eines in Verwendung (siehe Artikel rechts, Anm.).
UNISTANDARD: Wäre es sinnvoll, den amerikanischen Hochschulzugang neu zu regulieren?
Roth: Man muss einen Markt erst dann neu gestalten, wenn er schlecht funktioniert. In Amerika gibt es einige Unis, die mehr Bewerbungen als Plätze haben, und nicht jeder kann an diese Uni gehen. Kein Verteilungssystem würde das ändern. Studiengebühren wären keine Barriere, ein gutes Design versucht, einen stabilen Markt aufzubauen, indem es ein solides Gleichgewicht zwischen den Plätzen, die die Hochschulen zu vergeben haben, und den Anwärtern, die sich dafür interessieren. Ich denke nicht, dass wir derzeit in einer Krise sind. Ich werde nicht angerufen, um unseren Markt für Hochschulzugänge zu verbessern.
UNISTANDARD: Könnte dieses Modell für die Vergabe eines Wunschstudiums angewandt werden?
Roth: Wie in jedem guten Zugangssystem könnte man Studierende fragen, was ihre Präferenzen sind. Es muss sicher sein zu sagen, was man will. Das Verteilen knapper Güter heißt nicht, jedem seine erste Wahl zu geben, aber man kann auch keine gute geben, wenn man nicht weiß, was sie wollen. (Selina Thaler, UNISTANDARD, 22.11.2012)
ALVIN ROTH (60) ist Professor in Harvard und Gastprofessor an der Stanford University. Gemeinsam mit Lloyd Shapley hat er heuer den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.