Die Heizung abdrehen und nur noch von Spaghetti mit Ketchup leben? Das muss nicht sein. Mehr als 900 Euro haben Studenten im Durchschnitt jeden Monat auf dem Konto. Das zeigt die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Die meisten bekommen etwas Geld von ihren Eltern (86 Prozent). Mehr als jeder zweite geht arbeiten (61 Prozent). Und wenn das nicht reicht? Hier erzählen vier Studenten, wie sie ihr Studium finanzieren und was man dabei beachten muss.
10. März 2018, 20:29 Uhr
Editiert am 12. März 2018, 12:59 Uhr
ZEIT Campus Nr. 2/2018, 6. Februar 2018
So war's bei mir: "Ich musste mich überwinden, als ich das erste Mal einen Bafög-Antrag ausgefüllt habe. Die Formblätter mit mehr als hundert Spalten waren sehr verwirrend, ich dachte, ich werde nie damit fertig. Dann hat es aber gar nicht so lange gedauert: Ich habe Meldezettel, Immatrikulationsbescheinigung und Mietvertrag organisiert, dann war der Antrag in drei Stunden fertig. Nach fünf Semestern brauche ich dafür nur noch eine Stunde. Wichtig ist, dass man den Antrag nicht aufschiebt. Bafög funktioniert wie Early-Bird-Tickets: Wer sich früh kümmert, steht nicht zu Beginn des Wintersemesters ohne Geld da. Bei mir hat es aber einmal länger gedauert, weil ein Brief mit Unterlagen von meinem Vater nicht ankam. Dafür habe ich dann eine entsprechende Nachzahlung bekommen. Das Bafög-Amt überweist mir jeden Monat 250 Euro, von meinen Eltern kommen 650 Euro dazu. Ich weiß das zu schätzen, weil ich in Ruhe lernen kann und nicht um 20 Uhr noch kellnern muss. Es ist mir wichtig, in der Regelstudienzeit zu bleiben, weil ich danach kein mehr bekomme. Dass ich fünf Jahre nach dem Abschluss monatlich die Hälfte des Geldes zinsfrei zurückzahlen muss, bereitet mir keine Sorgen. Als Tiermedizinerin finde ich bestimmt schnell einen Job und kann meine Schulden abbezahlen. Auch meinen Eltern würde ich gern etwas zurückgeben."
Hannah Munzel, 22, studiert im fünften Semester Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin.
Wer bekommt? Jeder fünfte Student hat im Jahr 2016 Bafög erhalten. Wenn deine Eltern brutto zusammen etwa 40.000 Euro im Jahr verdienen, kannst du damit rechnen, monatlich Bafög zu bekommen. Nur wenn deine Eltern unter 20.500 Euro brutto im Jahr verdienen, kann der Höchstsatz von 735 Euro ausbezahlt werden.
Wie viel Geld erhalte ich? Der durchschnittliche Bafög-Betrag liegt laut Statistischem Bundesamt bei 464 Euro im Monat. Die genaue Höhe des Beitrags hängt vom Einkommen deiner Eltern ab. Auch was du selbst verdienst, wird eingerechnet: Wenn du neben dem Studium arbeitest, darfst du höchstens 450 Euro im Monat bekommen und als Selbstständiger 370 Euro. Auch Ersparnisse, Sachwerte wie ein Auto, eine geerbte Wohnung oder ein Stipendium, das höher als 300 Euro ist, werden angerechnet. Der Leiter des Referats für Studienfinanzierung beim Deutschen Studentenwerk, Bernhard Börsel, sagt: "Auch wenn man nur sehr wenig Bafög bekommt, lohnt es sich, einen Antrag zu stellen. Denn dort wird auch angegeben, was die Eltern zahlen sollten." Ein weiterer Vorteil: Wenn du Bafög beziehst, kannst du dich von den Rundfunkgebühren befreien lassen und einen Zuschuss zur Krankenversicherung beantragen.
Worauf muss ich achten? Nach dem vierten Semester musst du als Bafög-Empfänger einen Leistungsnachweis einreichen, der belegt, dass du in der Regelstudienzeit liegst. Oft wird dieser auch verlangt, wenn du das Fach wechselst. Das darfst du nur bis spätestens nach dem dritten Semester, ansonsten bekommst du kein Geld mehr.
So war's bei mir: "Zufällig stieß ich in der Zeitung auf das neue Stipendium des Avicenna-Begabtenförderungswerks. Dieses unterstützt Studenten, die sich an der Uni mit dem Islam beschäftigen, einen Migrationshintergrund haben oder Muslime sind. Das war wie auf mich zugeschnitten: Meine Eltern kommen aus Marokko, ich bin in Deutschland geboren und Muslim. Die Bewerbung war klassisch: Motivationsschreiben, Lebenslauf und zwei Gutachten. Eines über meine fachliche Qualifikation bekam ich von meinem Professor, einen Nachweis über soziales Engagement von meiner Moscheegemeinde, wo ich zehn Jahre lang das Freitagsgebet organisierte. Die zweite Runde war ein Assessment-Center. Ich wurde gefragt, warum ich Medizin studiere. Ich will Arzt werden, weil ich Menschen helfen möchte. Knapp 900 Euro bekomme ich jetzt im Monat: 600 Euro Förderung und 300 Euro Büchergeld. Das Studienwerk finanziert mir meine zweimonatige Famulatur in Australien und zwei Freisemester, damit ich mich auf meine Promotion konzentrieren kann. Hätte ich das Stipendium nicht, müsste ich wahrscheinlich nebenbei noch Taxi fahren."
Salim Oulghazi, 25, studiert im elften Semester Humanmedizin an der Goethe-Uni in Frankfurt.
Wer bekommt ein Stipendium? Etwa fünf Prozent aller Studenten, wie die aktuelle Sozialerhebung zeigt. Das sind nicht nur Superhirne oder Leute, die öfter im Wahlkampf aushelfen. Denn es gibt mehr als 40 Vergabekriterien für ein Stipendium. Notenschnitt und soziales Engagement gehören oft dazu, sind aber nicht alles.
Wo kann ich mich bewerben? Es gibt laut der Website mystipendium.de schätzungsweise mehr als 2.300 verschiedene Stipendien. Neben den großen Begabtenförderungswerken stehen oft kleine Stiftungen, die kaum jemand kennt und bei denen sich nur wenige bewerben. Deshalb lohnt es sich, nach einem für dich passenden Stipendium zu suchen.
Wie viel Geld bekommen Stipendiaten? Das entscheidet der Stipendiengeber. Die Spanne reicht von monatlich hundert Euro bis zu 1.500 Euro. Gut zu wissen: Solange du von dem Stipendium nur Miete, Essen, Bücher und Semesterbeitrag bezahlst, musst du es nicht versteuern.
NEBENJOB
So war's bei mir: "Seit zweieinhalb Jahren arbeite ich sieben Stunden pro Woche als Assistentin der Geschäftsführung am Genzentrum meiner Uni. Dort kann ich Kontakte mit Forschern knüpfen und deren Projekte kennenlernen. Als ich im vergangenen Jahr bei meinen Eltern ausgezogen bin, habe ich einen zweiten Job angenommen, damit ich meine Miete zahlen kann. Seitdem arbeite ich zusätzlich 13 Stunden pro Woche in einer Beratungsagentur, wo ich Pressemeldungen und Texte für unsere Kunden schreibe. Als Werkstudentin darf ich nicht mehr als 20 Stunden in der Woche arbeiten, da ich sonst aus der studentischen Krankenversicherung fliege. Die Arbeitszeit in der Agentur kann ich mir frei einteilen. Wenn ich Prüfungsphasen habe, kann ich die Stunden reduzieren und in den Semesterferien nachholen. Diese Flexibilität ist praktisch, weil sich mein Stundenplan alle zwei Wochen ändert. So kann ich auch zwischen zwei Lehrveranstaltungen oder am Wochenende zu Hause einen Blogeintrag schreiben. Zwei Jobs und Uni sind schon anstrengend, oft stehen um elf Uhr abends noch fünf Punkte auf meiner To-do-Liste. Mein Studium leidet aber nicht darunter. Ich erledige zuerst alles für die Uni, dann beantworte ich Arbeitsmails. Viel Freizeit habe ich nicht. Leider fehlt die Zeit für Jazzdance, was ich jahrelang gemacht habe. Meine Steuererklärung muss ich selbst machen. Das ist zwar mühsam, aber ich sehe das als Übung für später. Mit meinen beiden Jobs komme ich auf etwas mehr als 700 Euro, womit ich trotz der 450 Euro Miete in München gut auskomme. Wenn es eng werden würde, würden Mama und Papa auch mal 100 Euro überweisen. Aber ihr Angebot musste ich zum Glück noch nie in Anspruch nehmen. Darauf bin ich stolz."
Laura Kellermann, 23, hat zwei Nebenjobs, um sich ihr Biologiestudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu finanzieren.
Wo finde ich einen Nebenjob? Wo es Jobs gibt, erfährst du am Schwarzen Brett oder auf der Website des Asta, beim Career-Center oder beim Stellenwerk. Klar kannst du neben dem Studium Flyer verteilen oder Anrufern im Kundenservice weiterhelfen, aber Bernhard Börsel vom Studentenwerk rät zu Tätigkeiten, die zu deinem Studium passen: "Der beste Nebenjob funktioniert wie ein besser bezahltes Praktikum: Man kann Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen." Ein Job sollte aber nie mehr Zeit in Anspruch nehmen als dein Studium.
Worauf muss man noch achten? Du darfst in den Semesterferien als Werkstudent oder Minijobber so viel verdienen, wie du willst, solange du nicht über die Grenze von 5.400 Euro im Jahr kommst. Wenn du im Semester mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitest, musst du in die Arbeitslosen- und Pflegeversicherung einzahlen. Wenn du mehr als den Steuerfreibetrag von 9.000 Euro im Jahr verdienst oder zwei Nebenjobs hast, musst du eine Steuererklärung machen.
STUDIENKREDIT
So war's bei mir: "Zu Beginn meines zweiten Studiums wusste ich: Ich möchte meinen Abschluss in Regelstudienzeit schaffen. Ich hatte bereits ein Semester Physik studiert, als ich mit 23 Jahren auf Lehramt in Mathe und Geschichte gewechselt bin. Ein Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) war für mich die einzige Wahl, da ich kein Bafög bekomme. Was viele nicht wissen: Den Kredit erhalte ich nicht von der KfW, sondern ich musste mir eine Partnerbank suchen. Beim Beratungsgespräch sagte mir der Bankberater im Anzug, dass ein Kredit gefährlich sein könne, denn der Zinssatz könne steigen. Das heißt, ich zahle am Ende vielleicht mehr zurück, als ich erhalten habe. Anfangs bekam ich monatlich 400 Euro, mittlerweile sind es 600 Euro. Ich habe den Betrag erhöht, weil man im sechsten Semester bei der KfW nachweisen muss, dass man schon 90 Creditpoints hat, damit der Kredit weitergezahlt wird. In Summe heißt das, dass ich am Ende meines Bachelors etwa 40.000 bis 50.000 Euro Schulden haben werde. Ich schlafe deswegen nachts nicht schlechter, aber wenn ich nicht wüsste, dass ich als Lehrer einen sicheren Job mit gutem Gehalt haben werde, hätte ich keinen Kredit aufgenommen. Der wahrscheinlich einzige Vorteil eines Kredits ist, dass ich gelernt habe, mit Geld umzugehen. Eine paar Monate hatte ich eine Kreditkarte und bekam eine Abrechnung von 1.800 Euro. Das konnte ich nicht zahlen. Zum Glück haben mir damals meine Eltern geholfen. Heute plane ich, wie viel Geld ich ausgeben will und wofür. Ein Jahr nachdem ich mit dem Bachelor fertig sein werde, fange ich an, das Geld zurückzuzahlen. Im Master werde ich mich dann für ein Stipendium bewerben und Bafög beantragen, denn dann ist mein Vater in Rente."
Christopher Habeck, 25, studiert im sechsten Semester Mathematik und Geschichte auf Lehramt an der Johannes Gutenberg-Uni in Mainz.
Wer bekommt einen Kredit? Eigentlich jeder mit Hochschulzugangsberechtigung. Doch nur fünf Prozent aller Studenten nehmen einen Kredit auf. Das sei eine gute Nachricht, sagt Ulrich Müller, Experte für Studienfinanzierung beim Centrum für Hochschulentwicklung: "Ein Kredit ist die schlechteste Option zur Studienfinanzierung."
Wann lohnt sich ein Kredit? Ein Kredit habe keine Vorteile, sagt Müller, sondern eigne sich eigentlich nur, wenn du keine andere Finanzierungsmöglichkeit hast und ansonsten dein Studium abbrechen müsstest. Oder wenn du deinen Nebenjob kündigen willst, um dich in der letzten Studienphase voll auf deine Abschlussarbeit zu konzentrieren.
Wie finde ich den passenden Kredit? Die beliebtesten Kredite sind der Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und das Abschlussdarlehen des Bundesverwaltungsamtes. Doch es gibt auch Kreditgeber, die sich auf bestimmte Fächer spezialisiert haben. Das gemeinnützige Centrum für Hochschulentwicklung macht jährlich einen Studienkredit-Test, der aktuelle Angebote untersucht. "Ein seriöser Anbieter zahlt das Geld monatlich aus, und die derzeit sehr niedrigen Zinsen werden fixiert", sagt Müller. Aufpassen solltest du bei Angeboten, die besonders modern klingen: "Bei Peer-to-Peer-Krediten oder Crowdfunding-Krediten werden Studenten in die Irre geführt. Die Zinssätze liegen über zehn Prozent. Das ist ein schlechter Deal."
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