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Studentische Forschung: Wissenschaft abseits der Norm

foto: apa/anja kundrat

Studentische Nachwuchstagungen führen zu mehr Selbstvertrauen

Wien - Meistens funktionieren wissenschaftliche Tagungen nach dem gleichen monotonen Muster: Es wird aufgerufen, Fachbeiträge einzusenden, diese werden begutachtet, ausgewählt und dann vorgetragen. Diese Abläufe will eine Gruppe an Masterstudierenden der Wissenschafts- und Technikforschung der Uni Wien mit ihrer Changing-Worlds-Konferenz aufbrechen: "Wenn du es selber machst, kannst du es anders machen", sagt Victoria Neumann vom Organisationsteam.

Im Jahr 2014 fand die Tagung erstmals statt: Neben klassischen Vorträgen konnten die Teilnehmer ihre Themen mit Filmen, Ausstellungen, Kunstinstallationen, Performances oder in Form einer Geschichte umsetzen. Nicht nur Studierende waren eingeladen, sondern auch Künstler und politische Aktivisten. Die Themen: Ideologien und Utopien, Wissenschaft und Technologie in Kunst, Wissenschaft und Aktivismus. "Wir wollen nicht die Wissenschaft an sich verändern, sondern Raum für verschiedene Wissensformen schaffen", sagt Boka En, ebenfalls Teil des Organisationsteams, das derzeit Nachwuchs sucht.

Ausprobieren und Fehler machen

"In Nachwuchskonferenzen können Grenzen überschritten und Themen besprochen werden, die sonst zu kurz kommen", sagt Max Fochler, Soziologe am Institut für Wissenschaftsforschung der Uni Wien. So entstehen Lernräume, in denen man ausprobieren kann und Fehler machen darf. Doch diese würden immer geringer werden, was für Fochler eine "problematische Entwicklung" darstellt.

Denn: Die Nachwuchswissenschafter stehen unter Wettbewerbsdruck, der teilweise schon in den Master hineinwirkt. "Sie werden einerseits ernster genommen und befristet angestellt, andererseits kann die Zahl unbefristeter Stellen nicht mithalten. Das führt zu Selektion", sagt Fochler. Das zeige sich auch darin, dass vom Nachwuchs erwartet werde, früher zu publizieren. Dieser Druck zerstöre Kreativität und führe zu Anpassung, sagt Boka En: "Uns sagt niemand direkt, dass wir publizieren sollen. Wir machen uns auch selbst Druck, weil wir glauben, es muss so sein". In ihrem Masterstudium der Wissenschaftsphilosophie merkt Diotima Bertel den Druck kaum, "der kommt im Doktorat". Dennoch gibt es Doktoratsstellen, für die Publikationen vorausgesetzt werden. Das Publizieren im Master sei schwierig und eine Seltenheit - meist landen die Arbeiten in der Schublade.

Darum hat Bertel gemeinsam mit sieben Studierenden die fächerübergreifende Nachwuchstagung under.docs gegründet, die 2015 erstmals zum Thema "Partizipation in Geschichte und Gegenwart" am Publizistikinstitut stattfand. So sollte die Forschung der Studierenden einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden. Vier Abstracts wurden in der Fachzeitschrift Medien & Zeit veröffentlicht - auch eines von einer Bachelorarbeit. "Für uns beginnt der Nachwuchs mit dem Bachelor. Die Entscheidung, in die Wissenschaft zu gehen, fällt vor dem Doktorat", sagt Bertel. Auch die Teilnehmer der Changing-Worlds-Konferenz konnten in einem Tagungsband des Graduate Journal of Social Science publizieren. "Nicht einfach für den Lebenslauf, sondern für echten Austausch", sagt En.

Tagungen kennenlernen

Anders als die Changing-Worlds-Konferenz orientieren sich die under.docs am klassischen Tagungsaufbau: "Wir wollen die Möglichkeit geben, eine Tagung kennenzulernen", sagt Julia Himmelsbach vom Organisationsteam. Es geht ums Ausprobieren und Vernetzen. Bei der kommenden Konferenz zum Thema "Kategorien, Typen und Stereotype in Geistes- und Sozialwissenschaften" können auch offene Vortragsformen beigesteuert werden.

Solche Tagungen "führen zu mehr Selbstvertrauen der Nachwuchswissenschafter", sagt Fochler. Das sei wichtig, da die künftige Forschergeneration in ein System hineinwachse, das sich stark verändert. Wegen der prekären Verhältnisse hätten viele Hemmungen, in die Wissenschaft zu gehen, sagt Himmelsbach. In einem System mit steilen Hierarchien sei eine "gewisse Verflachung kein Fehler", sagt Fochler. (Selina Thaler, 2.5.2016)

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