Bei Lisa eine Notlösung, andere können sich größere Zimmer nicht leisten. Vier Studenten erzählen, wie sie auf weniger als zehn Quadratmetern leben, lieben und studieren.
"Als sich meine Eltern scheiden ließen, zog ich mit meiner Mutter und meinen drei Geschwistern in eine 60-Quadratmeter-Wohnung, die viel zu klein für uns war. Es sollte eine Übergangslösung sein, doch ich teilte mir schlussendlich zehn Jahre mit meiner jüngeren Schwester ein fünf Quadratmeter großes Zimmer. Wir hatten extra ein Stockbett, einen schmalen Wandschrank und einen kleinen Eckschreibtisch mit vielen Schubladen. Aber viel Fläche zum Staubsaugen blieb da trotzdem nicht und auch die Türe konnte man nicht ganz aufmachen.
Selbst wenn es aufgeräumt war, sah es nicht aufgeräumt aus. Meine Schwester brachte ihre gesamten Sachen im Zimmer meiner Brüder unter, ich türmte meine Lernunterlagen auf dem Schreibtisch. Ich habe dann ein Regal aus unserem Kinderkaufladen als Ablage für meine Schulsachen umfunktioniert, doch die fielen permanent wieder heraus, weil es zu klein war. Solange wir jung waren, war es irgendwie machbar. Doch als ich mit 17 Jahren meinen ersten Freund nach Hause brachte und meine Schwester vor drei Jahren in die Pubertät kam, wurde es anstrengend.
Zwischen uns liegen sieben Jahre: Sie wollte Freundinnen zum Übernachten einladen, ich wollte ausgehen und Zeit mit meinem Freund verbringen. Wenn eine von uns Besuch hatte, musste die andere gehen - meine Schwester ging zu ihren Freundinnen, ich meistens zu meinem Freund. Doch Gäste hatten wir grundsätzlich selten, auch Kindergeburtstage gab es bei uns nie. Das fanden meine Freunde immer komisch, wenn wir nicht zu Hause gefeiert haben. Aber mir war es unangenehm, dass es bei uns so eng ist.
Darum habe ich kaum Zeit im Zimmer verbracht: Ich war den ganzen Tag in der Schule oder an der Uni und kam nur zum Schlafen nach Hause. Meine Lehrer wussten von unserer Wohnsituation, ich lernte in der Schule oder in der Unibibliothek.
Durch unsere Wohnsituation haben meine Schwester und ich ein sehr enges Verhältnis, doch natürlich provoziert das auch Streit. Und in so einer kleinen Wohnung kann man sich nicht mal aus dem Weg gehen - eine musste die Wohnung verlassen, bis wir uns wieder vertragen haben.
Vor zwei Jahren bin ich ausgezogen: Ich wollte meiner Schwester und mir einen Gefallen tun. Nun wohne ich mit meinem Freund in einer Dreizimmerwohnung. Wir haben nun zu zweit mehr als 60 Quadratmeter - eine Einzimmerwohnung wäre für uns einfach nicht infrage gekommen."
Lisa Bitzer, 22, wohnte 13 Jahre lang mit ihrer jüngeren Schwester auf fünf Quadratmetern in Ostfildern bei Stuttgart. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Freund zusammen und studiert an der Uni Hohenheim Ernährungsmanagement.
Miete: 0 Euro
"Für mein Studium bin ich nach Schwäbisch Gmünd gezogen, 800 Kilometer von meinen Eltern entfernt. Zuerst wohnte ich in einem 24 Quadratmeter großen WG-Zimmer, doch der Weg zur Uni war weit und ich fand keinen Anschluss unter meinen Mitbewohnern.
Da mein Budget knapp war, zog ich in ein Studentenwohnheim. Mein Zimmer schrumpfte auf neun Quadratmeter, die immerhin günstig waren und in der Nähe meiner Uni lagen. Es war auch nicht schwierig Leute kennenzulernen: Das Studentenheim hat 13 Stockwerke mit jeweils 20 Zimmern. Ich teilte mir die Küche mit 19 anderen Leuten und ein Badezimmer mit meinem Zimmernachbar.
Das war nicht immer leicht: In der Spüle stand ständig schmutziges Geschirr und mein Zimmernachbar hatte ein anderes Verständnis von einem sauberen Badezimmer. Doch die größte Herausforderung waren die neun Quadratmeter. Ich montierte das eingebaute Bett ab und stellte ein Hochbett und eine Schlafcouch hinein. So konnte ich Schlafen und Arbeiten trennen und Gäste über Nacht einladen. Mein Freund zimmerte mir einige Einbauschränke, in den Kästen verstaute ich die Sachen so, dass alles, was ich häufig benötigte - wie etwa Lernunterlagen, Bücher und Ordner - immer griffbereit war. Nicht schön, aber funktional. Da für Deko wenig Platz war, wollte ich das Zimmer mit meinen Möbeln möglichst individuell gestalten. Anders als meine Mitbewohner bin ich am Wochenende selten nach Hause gefahren, ich musste mich wohlfühlen.
Jeden Tag aufräumenDas hat nicht immer geklappt: Ich hätte gerne morgens Fitness gemacht, doch für Seilspringen, Liegestütze oder Zumba war kein Platz. Im Sommer war ich einfach draußen, im Winter musste ich in die Turnhalle meiner Uni. Grundsätzlich lebte ich eher außerhalb des Zimmers, verbrachte auch meine Freizeit öfters mit Freunden, als ich es vielleicht in einer großen Wohnung gemacht hätte.
Wenn ich drei Stunden im Zimmer lernte, war es einfach unordentlich. Lernsachen lagen am Boden und am Bett, auf dem Schreibtisch war kein Platz. Ich musste also hinterher immer alles aufräumen. Es wurde zur täglichen Routine, sauberzumachen, entweder, bevor ich das Zimmer verließ oder vor dem Schlafengehen. Das kostete einiges an Energie.
Jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, in ein so kleines Zimmer zu ziehen. Ich war froh, als ich vor zwei Monaten ausgezogen bin - mit 20 vollen Umzugskartons.
Lina Beielstein, 25, lebte während ihres Studiums der Kindheitspädagogik in einem neun Quadratmeter großen Zimmer in einem Studentenheim in Schwäbisch Gmünd.
Miete: 197 Euro im Monat
"Während meines Bachelors habe ich mit fünf Mitbewohnerinnen auf 20 Quadratmeter gewohnt. Das ist in China normal: Jeder lebt auf dem Campus seiner Uni. Das ist üblich und günstig. Ich habe im Jahr 800 Yuan gezahlt, also ungefähr hundert Euro. Wir hatten drei Stockbetten, einen großen Kasten und einen Arbeitstisch. Da darf man nur das Nötigste besitzen, Klamotten und Lernsachen. Ich habe lediglich ein paar Pflanzen ins Zimmer gestellt. Eine Küche und ein Badezimmer gab es nicht: Man aß in der Mensa und duschte im Duschraum, den man sich mit 1.700 Bewohnerinnen des Studentenwohnheims teilt. Ich lernte, die Routinen der Studentinnen zu beobachten, die wenigsten duschen am Nachmittag.
Wir hatten einen fixen Putzplan, denn Ordnung zu halten ist wichtig: Wenn jede ihre Schmutzwäsche oder Schuhe herumliegen lassen würde, würde es schnell anfangen zu stinken. Auch Kompromisse sind notwendig, denn ich wollte keine Konflikte mit meinen Mitbewohnerinnen - ich musste schließlich vier Jahre mit ihnen zusammenwohnen. Wenn sie am Abend Computer spielen, Musik hören oder mit ihren Freunden telefonieren wollten, sind sie aus dem Zimmer gegangen. So konnte ich früh schlafen gehen und früh aufstehen. Das Leben spielte sich die meiste Zeit außerhalb des Zimmers und auf dem Campus ab, zum Lernen ging ich ins Klassenzimmer oder in die Bibliothek.
Dates nur im HotelPrivatsphäre hatte man kaum - jede wusste alles über die andere, denn in den vier Jahren sind meine Mitbewohnerinnen zu engen Freundinnen geworden. Diese Gemeinschaft hat auch Vorteile: Als ich mir den Knöchel verletzt habe, sind meine Mitbewohnerinnen für mich einkaufen gegangen und haben mich zur Uni begleitet. Wenn ich einen Ratschlag brauchte, waren sie für mich da. Wir feierten auch alle Geburtstage zusammen oder gingen gemeinsam aus.
Gäste kamen selten, man durfte eigentlich niemanden bei sich übernachten lassen. Doch wenn meine Mama zu Besuch war, teilte ich mit ihr mein Bett. Hätte ich einen Freund gehabt, hätte ich das nicht machen können: Die Wohnhäuser sind streng überwacht nach Geschlechtern getrennt. Die Paare, die ich kannte, haben sich manchmal ein Hostelzimmer genommen, um die Nacht gemeinsam zu verbringen - doch das ist sehr unüblich in China.
Hier in Deutschland ist das anders: Hier dürfen meine Freunde bei mir im Wohnheim übernachten. Ich habe nun ein 18 Quadratmeter großes Zimmer für mich allein, das ist fast zu viel Platz. Die Küche und das Bad teile ich mit meiner Mitbewohnerin, aber leider habe ich mit ihr kaum Kontakt. Das Zusammenleben hier ist ganz anders als in China - daran muss ich mich erst gewöhnen."
Siyu Huang, 24, lebte während ihres Bachelors an der Nanjing Agricultural University in China mit fünf anderen auf 20 Quadratmetern. Für ihren Biologie-Master zog sie nach Freiburg, wo sie nun ein 18 Quadratmeter großes Zimmer in einem Studentenheim bewohnt.
Miete: circa 100 Euro im Jahr
"Als ich vor einem Jahr nach München zog, suchte ich mir eine Übergangslösung, um mir dann in Ruhe eine Wohnung suchen zu können. Mittlerweile wohne ich immer noch in dem neun Quadratmeter großen Zimmer in einer 7er-WG. Das ist jedoch keine normale WG, sondern eine extern organisierte Wohnung, in der einzelne Zimmer vermietet werden. Das hat gar keinen WG-Charakter, sondern mehr den einer Jugendherberge, was mich aber nicht stört, denn eine WG-Gemeinschaft war nicht mein Anspruch.
Ich fahre in der Früh zur Arbeit und am Abend wieder nach Hause. Die Küche und zwei Badezimmer teile ich mit meinen Mitbewohnern, das funktioniert sehr gut - auch ohne Putzplan. Jeder ist für seinen Kram verantwortlich, da gibt es keine Streitereien, wer wie viel putzt oder abwäscht.
Im Sommer ist meine Wohnsituation ideal, weil ich viel Zeit im Freien verbringe, im Winter ist es allerdings sehr beengend. Darum habe ich genau darauf geachtet, dass meine Möbel nicht zu viel Platz einnehmen: Ich habe ein Bett, das 1,2 Meter breit ist - nicht zu klein und nicht zu groß - auf den Kleiderschrank habe ich verzichtet, weil die meistens riesig sind.
Kein Tisch, keine StühleStattdessen schichte ich meine Kleider in ein schmales Regal, das circa die Breite eines Bücherregals hat, und hänge meine Hemden auf eine Kleiderstange. Ich habe einiges über mich und meine Gewohnheiten gelernt: Ich esse am liebsten auf dem Sofa oder am Bett. Daher besitze ich gar keinen Tisch und Stühle. Auch ein Fernseher nimmt nur unnötigen Platz ein, ich kann genauso am Laptop fernsehen.
Alles, was ich besitze, hat einen Gebrauchswert oder einen persönlichen Wert - in meinem Zimmer steht nichts sinnlos herum. Wenn man ein kleines Zimmer hat, merkt man nämlich erst, was man alles nicht braucht, zum Beispiel Dekoartikel und Bilder.
Ich frühstücke nun auf der Arbeit, esse öfters in Restaurants, kann keine Party schmeißen, keine Gäste übers Wochenende bei mir einquartieren oder eine längerfristige Beziehung führen. Auch könnte ich kein Hobby haben, das ich zu Hause ausübe. Dafür bin ich flexibel: Wenn ich ausziehen möchte, bin ich schnell draußen."
Sebastian Ulrich, 32, wohnt mit sechs anderen in einer Zweck-WG in München. Wenn er zur Arbeit fährt, sperrt Ulrich sein neun Quadratmeter großes Zimmer ab - viel Kontakt zu seinen Mitbewohnern hat er nicht.
Miete: 160 Euro im Monat