Seit dem Jahr 2004 gibt es in 53 Handwerksberufen keine Meisterpflicht
mehr. In der Politik mehren sich in jüngster Zeit allerdings die
Stimmen, welche diesen Schritt rückgängig machen wollen. So hat etwa die
bayerische Staatsregierung Mitte September eine entsprechende
Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Warum die Abschaffung der
Meisterpflicht keine gute Idee war und wieso von einer Wiedereinführung
Handwerk und Verbraucher profitieren könnten, darüber sprach B4B
WIRTSCHAFTSLEBEN MAINFRANKEN mit dem Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer für Unterfranken, Ludwig Paul.
B4B WIRTSCHAFTSLEBEN MAINFRANKEN: Der Vorsitzende der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung im Bundestag, Carsten Linnemann, hat die Abschaffung der Meisterpflicht kürzlich in einem Interview als Fehler bezeichnet, da diese zu einem Rückgang der Qualität in den betroffenen Gewerken geführt habe. Würden Sie dieser Einschätzung zustimmen?Ludwig Paul: Es ist generell zunächst einmal so, dass wir durch den Wegfall der Meisterpflicht in diesen Berufen auch einen Rückgang der Qualifikation haben. Damit ist die Qualität nicht per se schlechter, aber man öffnet die Tür für schlechtere Qualität. Denn durch die vereinfachte Möglichkeit der Betriebsgründung können eben auch mehr schwarze Schafe in die Gewerke kommen. Die betroffenen Fachverbände sprechen allerdings auch durchaus davon, dass bei ihnen mehr Mängel gemeldet werden.
Als die rot-grüne Bundesregierung die Meisterpflicht abgeschafft hat, war ja ein Hauptziel, dadurch mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze im Handwerk zu schaffen. Ist dies Ihrer Meinung nach gelungen?Mit Sicherheit nicht, diese beide Ziele wurden treffsicher verfehlt, vor allem was die Zahl der Ausbildungsplätze angeht.
Aber die Zahl der Handwerksbetriebe ist in den betroffenen Gewerken nach 2004 doch erst einmal deutlich angestiegen?Ja, diesen Trend können wir auch hier in Unterfranken nachvollziehen. Im Jahr 2007 hatten wir hier noch 2.985 B1-Betriebe (zulassungsfreie Betriebe nach Anlage B1 der Handwerksordnung, d. Red.), 2017 waren es schon 4.056.Bei den Neugründungen handelt es sich allerdings meist um Solo-Unternehmer. Diese bilden zum einen nicht aus, zum anderen ist die Beständigkeit solcher Betriebe auch nicht so hoch wie zuvor bei den Meisterbetrieben. Das belegen auch verschiedene Untersuchungen.
Hat es sich beim Anstieg der Unternehmenszahlen demnach nur um ein Strohfeuer gehandelt?
Ja, das stellen wir auch durchaus in unserer Statistik fest. Die Zahl der Zu- und Abgänge bei den Betrieben ist spürbar gestiegen. Die Dauerhaftigkeit dieser Solo-Betriebe ist weit geringer als bei Meisterbetrieben. Das liegt sicherlich auch daran, dass bei der Meisterausbildung neben fachlichen und pädagogischen Kenntnissen eben auch betriebswirtschaftliches Wissen vermittelt wird. Das bewahrt viele davor, Risiken einzugehen oder durch Unkenntnis in Schieflage zu geraten.
Wäre die richtige Konsequenz aus diesen Entwicklungen Ihrer Meinung nach also die Rückkehr zur Meisterpflicht?
Ob das für jedes Gewerk gut und sinnvoll ist, sollten eigentlich die Gewerke selbst entscheiden. Da wollen wir als Kammer den Fachverbänden nicht reinreden. Es gibt zum Beispiel Gewerke, wie etwa die Bestatter, wo es noch nie eine Meisterpflicht gab, der Verband der Bestatter aber hart dafür gekämpft hat, diese einzuführen , weil die Betriebe auf Ausbildung und Qualität setzen. Andere Berufsgruppen wollen sehr stark wieder zurück, wie etwa die Fliesenleger. Und es wird sicher auch Gewerke geben, bei denen es ohne Meisterpflicht funktioniert hat und die sagen „das kann so bleiben". Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen ohnehin nicht überall geeignet sind, um ein Gewerk zurückzufuhren. Von daher wird es sicherlich nicht für alle 53 Gewerke möglich sein, aber bei 10 bis 15 könnte die Möglichkeit bestehen. Unser Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Deutsche Handwerkskammer-Tag (DHKT)engagieren sich für das Thema, momentan sind zwei Gutachten am Laufen, welche die Chancen einer Rückvermeisterung prüfen. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Welche positiven Effekte erwarten Sie sich denn konkret durch von einer möglichen Wiedereinführung der Meisterpflicht?
Meines Erachtens würde das Handwerk durch die Wiedereinführung der Meisterpflicht an Ansehen gewinnen, denn Meisterpflicht heißt Qualität. Die betroffenen Gewerke hätten dadurch sicherlich einen Wettbewerbsvorteil. Denn das Handwerk kann in den seltensten Fällen einen Preiswettkampf führen. Wir führen einen Qualitätswettbewerb, der umso besser zu führen ist, je besser ich qualifiziert bin. Den entsprechenden Gewerken verschafft das also Vorteile am Markt. Und auch der Verbraucher würde davon profitieren, denn er hat mit dem Meister ein eindeutiges, bundesweit gültiges Gütesiegel, nachdem er handwerkliche Leistungen beurteilen und beauftragen kann.
Aber mit der Meisterpflicht würden ja auch die Hürden bei der Betriebsgründung steigen. Wäre dies nicht eine Beschränkung des Wettbewerbs zu Ungunsten der Verbraucher?Das sehe ich nicht so, denn der Wettbewerb ist grundsätzlich ja erst einmal nicht von der Anzahl der Betriebe abhängig. Es kann auch zwischen zwei, drei Betrieben ein viel schärferer Wettbewerb herrschen als zwischen einer Vielzahl gleichartiger Betriebe, bei denen ein Wettbewerb nur noch über den Preis möglich ist. Das führt dann zu einem ruinösen Preiskampf. Wenn sie aber über die Qualität und Innovationen konkurrieren, werden die Unternehmen einen viel besseren Wettbewerb führen als rein über den Preis.
Wie reagiert denn die Politik auf Ihr Ansinnen? Stoßen Sie dort auf Zustimmung?Ich glaube, dass in den meisten Köpfen der Politik eine grundsätzliche positive Grundhaltung gegenüber dem Handwerk da ist. Ob sich das in gesetzliche Regelungen umwandeln lässt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber vielleicht kann es gelingen, wenigstens das eine oder andere Gewerk wieder in die Meisterpflicht zu bringen. Unser Dachverband ZDH ist bei diesem Thema aktiv. Mit den Ergebnissen der beiden erwähnten Gutachten wird der Verband wieder an die Politik herangehen.
Erschienen am 2. Oktober 2018 auf www.b4bmainfranken.de
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