Junge Frauen machen in Irakisch-Kurdistan ein Radioprogramm für Flüchtlinge. Tabuthemen kennen sie keine – Tratsch und Klatsch kommen auch nicht zu kurz.
Das Aufnahmestudio liegt hinter einer Mauer versteckt in einer ruhigen Seitenstraße von Halabdscha. Drinnen moderiert Heva Ahmed gerade die Morgensendung an: „Willkommen bei Radio Dange Nwe, dem Programm Flüchtlinge für Flüchtlinge“, spricht sie ins Mikrofon und blendet Musik ein. Dann nimmt sie Anrufe von Hörerinnen und Hörern entgegen, die etwas erzählen wollen oder sich einen Song wünschen – viele von ihnen sind wie die Syrerin Ahmed aus ihrer Heimat vertrieben worden.
Nach der Sendung sitzt die 29-Jährige im Vorraum des Studios, an der Wand hängen Poster von irakischen Popstars. Ahmed, im weißen Hemd und schwarzen Hosenträgern, hat erst in Beirut Philosophie und später in Aleppo Wirtschaft studiert. Dann durchkreuzte der Bürgerkrieg ihre Lebenspläne, und sie floh mit ihrem Mann in den Irak. Als Journalistin zu arbeiten sei ihr früher nie in den Sinn gekommen. Bis sie in Halabdscha an einen Kurs für Radiomoderatorinnen teilnahm. Seither berichtet sie über alles, was die Flüchtlinge in der Region beschäftigt und was in ihren Herkunftsgebieten geschieht. „Wer selbst fliehen musste, versteht besser, was die Hörer durchgemacht haben“, sagt sie.
Seit
Anfang des Jahres gehen Ahmed und ihre Kolleginnen Haneen Hassan und
Laela Mohmad jeden Vormittag von acht bis zwölf Uhr im Bürgerradio Dange
Nwe (Kurdisch für „neue Stimme“) auf Sendung. Das Programm kann im
Umkreis von rund hundert Kilometern empfangen werden – und erreicht
damit auch die Bewohner der umliegenden Flüchtlingslager. Wie fast
überall im Nordirak sind in der Region um Halabdscha seit Beginn des
Bürgerkrieges in Syrien und seit dem Erstarken des Islamischen Staats
(IS) im Irak Tausende Menschen untergekommen: Syrer, arabische Iraker
und Jesiden.